Annedore Prengel: Ziele einer „geschlechterdemokratischen“ Pädagogik im inklusiven Kindergarten

Abstract: Die Debatte um geschlechtergerechte Pädagogik ist von widersprüchlichen Zielen bestimmt: Der Erziehung zur Gleichheit und der Dethematisierung von Geschlecht steht die Wertschätzung von geschlechtlicher Selbstbestimmung gegenüber und konstruktivistische Ansätze des „Doing Gender“ sind mit biologistischen Argumenten zu Weiblichkeit und Männlichkeit konfrontiert. Der Beitrag stellt normative Grundlagen, empirische Befunde und Handlungsperspektiven einer inklusiven Pädagogik, die dem Ziel der Geschlechterdemokratie verpflichtet ist, zur Diskussion.

Stichworte: Gender, Geschlechterdemokratie; Kindergarten, inklusive Pädagogik

Ausgabe: 1/2011

Inhaltsverzeichnis
  1. Ausgangsfrage
  2. Normative Grundlagen im Kontext empirischer Befunde
  3. Ziele und Handlungsmöglichkeiten im Elementarbereich
  4. Literatur

1. Ausgangsfrage

Inklusive Pädagogik beabsichtigt, plurale Differenzlinien zu beachten und so die - auf ihrer Entstehungsgeschichte beruhende - Begrenzung auf die Heterogenitätsdimension „Ability“ zu überwinden. Damit wird auch die Frage nach der Geschlechtszugehörigkeit der Kinder, die gemeinsam in heterogene Gruppen lernen, für die Inklusive Pädagogik wichtig. Im Elementarbereich kommt darüber hinaus dem Thema Gender eine besondere Bedeutung zu, weil in dieser frühen Phase der Kindheit einflussreiche Sozialisationsprozesse stattfinden, durch die die Kinder ihr Selbstkonzept als geschlechtliche Person entwickeln. Inklusive Kindergartenpädagogik ist darum mit der Frage konfrontiert, welchen Zielen hinsichtlich der Differenzlinie Geschlecht sie verpflichtet sein will, wie diese Ziele zu begründen sind und wie sie erreicht werden sollen. Der folgende Beitrag widmet sich dieser Frage in zwei Schritten: Zunächst werden allgemeine normative Grundlagen Inklusiver Pädagogik herausgearbeitet und im Lichte empirischer Befunde auf Geschlechtszugehörigkeit bezogen.  Auf dieser Basis werden konkrete Handlungsmöglichkeiten Inklusiver Pädagogik im Elementarbereich vorgestellt. In diesem Beitrag wird eine „generationenvermittelnde“ Pädagogik (Heinzel 2011) vorgeschlagen, die die Verantwortung der Angehörigen der Erwachsenengeneration für ein verbindliches Spiel- und Lernangebot mit der Offenheit für kindliche Freiheit und Kreativität verknüpft.

2. Normative Grundlagen im Kontext empirischer Befunde

Inklusive Pädagogik ist dem Recht auf Bildung im Sinne der Menschenrechte und der Menschenrechtsbildung verpflichtet. In der Philosophie der Menschenrechte wird die in der Menschenwürde zum Ausdruck kommende „gleiche Freiheit“ als normative Grundlage herausgearbeitet (Bielefeldt 1998). Einzelne gruppenbezogene Menschenrechtskonventionen konkretisieren diese allgemeine, verbindliche Grundlage im Hinblick auf verschiedene Lebenslagen. Menschenrechte sind maßgeblich für demokratische Verfassungen und bilden zugleich einen Kerngedanken der Inklusiven Pädagogik. Auf diesem Hintergrund verpflichtet sich Inklusive Pädagogik Beiträge zur Demokratisierung des Bildungswesens zu leisten. Mit dem menschenrechtlich begründeten Ziel der „gleichen Freiheit“ in der Bildung gehen die miteinander verknüpften Ziele der  demokratischen Gleichheit und der demokratischen Freiheit einher. Sie sind für die der heutigen Inklusiven Pädagogik zugrundeliegenden Integrationspädagogik seit den siebziger Jahren des 20 Jahrhunderts zentral gewesen und wurden auf populäre Weise in Wahlsprüchen wie „tutti uguali – tutti diversi“ oder „Es ist normal verschieden zu sein“ formuliert. Die normativ begründete Intention der Gleichheit konkretisiert sich im Streben nach Realisierung gleichberechtigter gesellschaftlicher Teilhabe, sie ist nicht zu trennen von der normativ begründeten Intention des Freiheitsrechts auf eine selbstbestimmte Lebensweise, weil diese gleichermaßen jedem Menschen zukommen soll (Bielefeldt 2006).

Martha Nussbaum und Armatya Sen sind Sozialphilosophen, die mit ihrem Capability-Approach einen bedeutenden Vorschlag dazu gemacht haben, wie man in einer „politischen Theorie elementarer Ansprüche“ (Nussbaum 2010, S. 218; Nussbaum/Sen 1993) die zusammenhängenden Ziele der gleichberechtigten Teilhabe und der Freiheit für eine selbstbestimmte Lebensweise ausbuchstabieren kann. Die mit Fähigkeitsansatz übersetzte Konzeption ist für die Inklusive Pädagogik wichtig, weil sie mit einer Reihe ihrer zentralen Gedanken übereinstimmt. Inklusive Pädagogik kann ihrerseits den Capability-Approach aufgrund ihres radikalen, theoretisch entfalteten und praktisch kultivierten Umgangs mit heterogenen Lebensweisen und Lernausgangslagen bereichern. Beiden gemeinsam ist ein Gleichheits- und Freiheitsverständnis als Vorstellung umfassender und gleicher Bürgerschaft für alle Menschen. Beide betonen im Bildungsprozess die heterogenen Möglichkeiten der Lernenden, deren Potentiale sich entfalten können sollen. Beide sind einem guten Zusammenleben der Menschen und der Fürsorge für Bedürftige verpflichtet. Der Capability-Approach wurde inzwischen in der Erziehungswissenschaft rezipiert (Otto/Schrödter 2010) und inspiriert sozialpädagogische Vorhaben zur Arbeit im Sinne des Empowertment (Goecke 2011).

Auf diesem normativen Hintergrund stellen sich der Inklusiven Pädagogik komplexe Aufgaben: Sie beabsichtigt einen Beitrag dazu zu leisten, dass Menschen ihr Leben selbstbestimmt und gleichberechtigt leben können; zu klären, was das für das aktuelle Kinderleben und für die Vorbereitung der Kinder auf ihr zukünftiges Leben als Erwachsene bedeutet; inklusive pädagogische Handlungsmöglichkeiten auf allen Ebenen des Bildungswesens zu erproben und dabei die Potentiale verschiedener kollektiver Gruppierungen sowie einzelner Individuen zu fördern. Angesichts dieser anspruchsvollen Aufgabe ist es hilfreich zu bedenken, dass normative Ansprüche für alle sozialwissenschaftlich orientierten Fachgebiete relevant sind (Beer/Bittlingmayer 2008). Aber demokratische Normen beschreiben nicht etwa soziale Wirklichkeit, sondern bieten Richtlinien für eine auch in der Demokratie notwendig brüchige, widersprüchliche und stets unvollkommene gesellschaftliche Praxis (Prengel 2011). Ebenso hilfreich ist es, sich bewusst zu machen, dass es aufgrund der notwendigen Begrenztheit von Erkenntnisreichweiten unmöglich wäre, ununterbrochen zahlreiche Heterogenitätsdimensionen gleichzeitig zu berücksichtigen.

Weil mehrere Heterogenitätsdimensionen schwerlich gleichzeitig beachtet werden können, ist es notwendig zeitweilig einzelne von ihnen in den Vordergrund treten zu lassen, um sie zu analysieren und die mit ihnen verbundenen Handlungsperspektiven zu reflektieren. In diesem Beitrag geht es um Kindergartenkinder und die Frage, welche Bedeutung in einem demokratischen, inklusiven Bildungsverständnis der Heterogenitätsdimension Geschlecht in der inklusiven Frühpädagogik zukommt.

Inklusive Kindertagesstätten werden von Mädchen und Jungen mit den unterschiedlichsten Begabungen und Behinderungen besucht. Befunde zu geschlechtsbezogenen Entwicklungen, Handlungsmustern und Denkweisen von Mädchen und Jungen in Kindergärten sind umstritten (vgl. die Zusammenfassungen bei Kuger u.a. 2011; Rohrmann 2009). Der Überblick über die widersprüchlichen Forschungsbefunde zeigt, dass Kinder – holzschnittartig verkürzend formuliert - vier unterschiedliche Konstruktionsweisen von Geschlecht entwickeln: Sie stellen „dualistisch“ die Zweigeschlechtlichkeit, „universalistisch“ die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Geschlechtern oder „pluralistisch“ die Vielfalt innerhalb jedes Geschlechts und „transversal“ die Überschneidungen zwischen beiden Geschlechtern in den Vordergrund (Prengel 2009).

Immer wieder fördern internationale Studien ein bestimmte Ergebnis zutage: Dass kleine Kinder ihre Welt als zweigeschlechtlich entwerfen.  So bilanziert Glenda MacNaughton, australische Elementarpädagogin und Genderforscherin: „Bis in die Mitte der 80er-Jahre haben zahlreiche Forschungsarbeiten aus Ländern wie den USA, Großbritannien, Australien, detailliert dargestellt, dass junge Kinder in frühpädagogischen Settings geschlechtsstereotyp spielen, denken und reagieren. In den neunziger Jahren bestätigten Forschungsprojekte immer wieder, dass sich junge Kinder hochgradig geschlechtsstereotyp verhalten“ (Mac Naughton 2004, 245; vgl. Mac Naughton 2000; Walter 2000, dies. 2005). Diese Beobachtungen werden zur Bestätigung biologistischer Erklärungen herangezogen, die die im Folgenden dargestellten gegenteiligen Beobachtungen negieren (vgl. Rafaela von Bredow 2007). Zahlreiche Studien verweisen nämlich auf eine bedeutende Gemeinsamkeit zwischen den Geschlechtern. So belegte Verlinden (1995), dass in Kindertageseinrichtungen Mädchen und Jungen im Alltag miteinander spielen, streiten und lernen und dass gleiche Regeln für beide Geschlechter geltend machen. Neben diesen dualistischen und universalistischen Tendenzen lassen sich bei Kindergartenkindern aber auch sehr unterschiedliche geschlechtliche Selbstbilder innerhalb eines Geschlechts sowie Schritte des Überquerens traditioneller Geschlechtergrenzen entdecken. Während ein Teil der Kinder im zweigeschlechtliche Zeichen von Weiblichkeit und Männlichkeit in deutlicher Trennung inszeniert, haben andere Kinder Freude daran, diese Zeichen unbedeutend werden zu lassen und wieder andere lieben es Merkmale des anderen Geschlechts sich selbst zuzuordnen und damit zu spielen (vgl. Faulstich-Wieland 2008, 245 ff.; MacNaughton 2004, A. 345 ff; Schmauch 2008). Die Einsicht in die Pluralität von Sozialisationsmustern innerhalb der Gruppe der Mädchen und innerhalb der Gruppe der Jungen macht dualistisch pauschalisierende Bilder und Rhetorik von den Jungen oder den Mädchen obsolet. Darum sind Aussagen über Bildungsverläufe männlicher Kinder nur sinnvoll, wenn sie die intrakollektive Heterogenität der Gruppe der Jungen beachten (Balluseck 2009), diese Einsicht gilt selbstverständlich auch im Hinblick auf Mädchen. Für Erzieherinnen ist es darüber hinaus wichtig, sich darauf einzustellen, dass - wenn auch selten - auch „intersexuelle“ Kinder, die von Geburt an nicht einem Geschlecht zugeordnet werden können, ihre Einrichtung besuchen (vgl. Lang 2006).

Im Laufe seiner Entwicklung muss sich jedes einzelne Kind damit auseinandersetzen, dass es nicht „alles“ sein kann, weil es Menschen mit anderem Geschlecht bzw. mit anderen geschlechtlichen Orientierungen gibt (Rendtorff 2006). Im Hinblick auf die Heterogenitätsdimensionen „Ability“ und „Generation“ stellen sich ähnlich Entwicklungsaufgaben, wie im Hinblick auf Geschlecht: Jedes Kind ist auch damit konfrontiert, dass es andere Menschen gibt, die anderes können, dass sie unterschiedliche Stärken und Schwächen haben und dass Privilegien unterschiedlich verteilt sind (Winterhager-Schmid 2000). Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe der Inklusiven Pädagogik, Kinder bei diesen krisenhaften Entwicklungsschritten der Auseinadersetzung mit Differenzen und Hierarchien zu begleiten und sie zugleich im Sinne demokratischer Egalität zu erziehen. Inklusive Pädagogik ist die einzige pädagogische Richtung, die, im Anschluss an Adriano Milani-Comparetti, Vorschläge zur Auseinandersetzung mit Begrenztheiten im Sinne der psychoanalytischen Trauerarbeit entwickelt hat (vgl. Prengel 2005). Dieser bewusste aber nicht affirmative Zugang zu auch in der Demokratie in bestimmten Hinsichten und veränderbar praktizierten Über- und Unterordnungen kann für die Allgemeine Pädagogik und für die Schulpädagogik anregend sein. Die Anerkennung der gesellschaftlichen Geltung der Leistungshierarchie in ausgewählten Bereichen der meritokratischen Demokratie verbunden mit der Anerkennung von Grundsicherung und Nachteilsausgleich erscheint unerlässlich. Vermutlich kommen Kinder angesichts der Bedeutung des Leistungsprinzips in der hoch technisierten demokratischen Wissensgesellschaft nicht umhin sich in der Leistungshierarchie zu verorten; das sollte aber nicht in einer destruktiven Form der Deklassierung (Neckel/Sutterlüthy 2005), sondern in einer produktiven Form sicherlich auch schmerzlicher, aber zugleich befreiender Auseinandersetzung geschehen. Im Sinne der Gerechtigkeitstheorie nach Michael Walzer (1992) darf die Leistungssphäre nicht alles überschatten, neben ihr sollten andere egalitäre Sphären Bestand haben. Hinsichtlich der Auseinandersetzung mit der Gender-Dimension kommen Kinder nicht umhin, eine existentielle Begrenztheit zu anzuerkennen, allerdings geht damit in der gegenwärtigen Phase gesellschaftlicher Demokratisierung weder die Anerkennung von Geschlechterhierarchie noch die Anerkennung des Geschlechterdualismus, aber die Anerkennung eigener Begrenztheit in der Geschlechtervielfalt einher. Dabei könnte es für manche Jungen angesichts der Gleichheitsforderung für beide Geschlechter schmerzlich sein, Überlegenheitsillusionen aufzugeben. Den erwachsenen Erziehenden kommt es zu, Selbstachtung als verantwortliche Angehörige der älteren Generation zu entwickeln, die in bestimmten, zu begründenden und einzugrenzenden Hinsichten Macht über die Kinder wahrzunehmen hat. Solche Macht zeigt sich darin, dass Angehörige der älteren Generation gar nicht anders können, als die materiellen (räumlichen, nutritiven, gesundheitlichen) und kulturellen (sprachlichen, sozial-normativen, ästhetischen) Lebensbedingungen für Kinder weitgehend vorzugeben und Rahmen abzustecken, in denen Kinder selbst entscheiden können.  Auf der Basis dieser Verantwortung kommt ihnen auch das Recht und die Aufgabe zu, Kinder im Sinne des demokratischen Ideals der gleichen Freiheit auch im Hinblick auf geschlechtliche Lebensweisen zu erziehen, ergänzt um die Aufgabe, sie bei ihrer individuellen Trauerarbeit zu trösten.

3.  Ziele und Handlungsmöglichkeiten im Elementarbereich

Wenn Inklusive Pädagogik ihre Bildungsziele im Elementarbereich klären will, ist die Bestandsaufnahme, dass kleine Kinder dualistische, universalistische, plurale und transgressive Genderperspektiven ebenso wie heterogene Fähigkeiten entwickeln, zu berücksichtigen. Eine der Geschlechterdemokratie verpflichtete Inklusive Pädagogik arbeitet an der Frage, wie Gleichheit und Freiheit der Kinder mit ihren unterschiedlichen Wünschen, Möglichkeiten und Potentialen angestrebt werden können. Dazu möchte ich Vorschläge zur Diskussion stellen, die sowohl die Gender als auch die Ability-Perspektive berücksichtigen. Die Vorschläge zentrieren sich einerseits um verbindliche lernzielgleiche, dabei stufenförmig individualisierbare Inhalte und andererseits um Freiräume für unvorhersehbare kreative selbsttätige Entwürfe der Kinder.

  1. Um gleichberechtigte kulturelle Teilhabe im Sinne des Gleichheitsprinzips zu gewährleisten, ist ein Kindergarten für alle Kinder, Mädchen und Jungen mit den verschiedensten Leistungspotentialen, zuständig. Sie alle sollten in einer Reihe kulturell relevanter, verbindlicher Lernbereiche ihre Leistungsmöglichkeiten so intensiv wie individuell möglich optimieren können. In der Perspektive der egalitären kulturellen Teilhabe ist darum aus meiner Sicht Lernzielgleichheit auch in der inklusiven Pädagogik zu gewährleisten, allerdings unter Berücksichtigung unterschiedlicher Lerngeschwindigkeiten und Lernstände. So bilden für alle Mädchen und Jungen „Literacy“ und „Numeracy“ Lernziele, realisiert auf individuell unterschiedlichen, aber individuell bestmöglichen Kompetenzständen. Dazu brauchen Kinder ein pädagogisches Angebot, das die traditionellen Trennungen überwindet und zum Beispiel Elemente der üblichen Bauecken und Puppenecken vermischt und Materialien zum Umgang mit frühem sprachlichem, sozialem, mathematischem, naturwissenschaftlichem, polyästhetischem Lernen für alle anbietet und darüber hinaus qualifizierte verbindliche Instruktionen realisiert. Falls, legitimiert durch eine pädagogische  Reduktion auf die Vorstellung kindlicher Selbstbestimmung, auf ausgewählte und begründete Inhalte, die instruktiv durch Erwachsene vermittelt werden, verzichtet würde, könnte es leicht zu problematischen Entwicklungen kommen, so zum Beispiel wenn Kinder geschlechtshierarchische Handlungsweisen praktizieren wollen oder wenn sie sich elementaren Inhalten schriftsprachlichen, sozialen, naturwissenschaftlichen, polyästhetischen oder mathematischen Lernens von selbst nicht sinnvoll annähern.
  2. Um gleichberechtigte Entfaltungsmöglichkeiten für vielfältige Selbstkonzepte im Sinne des Freiheitsprinzips zu gewährleisten, brauchen Mädchen und Jungen Freiräume für ihre Spiele, Erkundungen, Inszenierungen und Lebensäußerungen. Dabei können die Erwachsenen vermitteln, dass solche Freiheit egalitär jedem und jeder zusteht, dazu gehört unerlässlich, dass es gilt, die Grenzen der Anderen zu respektieren. Der Elementarpädagogik kommt das Verdienst zu, Konzepte für eine einer (im Sinne der Bindungsforschung) feinfühligen, und (im Sinne der Erziehungsstilforschung) responsiven Pädagogik erarbeitet zu haben. Alle Kinder sollten Freiräume und Anerkennung für ihre heterogenen Wünsche (vgl. van Dijk/van Driel 2008), die sich auf geschlechtliche Inszenierungen und Lebensentwürfe beziehen, erfahren. Erwachsenen kommt es aber dann zu, Grenzen zu setzen, wenn solche  kindlichen Gendervorstellungen mit Selbstunterwerfung oder Unterdrückung und Ausbeutung anderer einhergehen.

Diese doppelte pädagogische Zielsetzung erfordert vor allem Wissen und Reflexion von den pädagogischen Fachkräften. In der Zusammenarbeit mit Eltern stellt sich Ihnen die komplexe Aufgabe, einerseits über die geschlechterdemokratischen Ziele der Einrichtung, die ihr Kind besucht, zu informieren und sie zu vertreten und andererseits die unterschiedlichen geschlechtlichen Lebensweisen, in denen die Eltern verankert sind, zu respektieren. Umfassende Informationen für Erzieherinnen, für Eltern und für die Hand der Kinder bietet die Homepage von KOMBI „Vielfalt bereichert“, einer Berliner Bildungseinrichtung zu Diversity, Gender und sexueller Identität (KOMBI 2011).

 

4. Literatur

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