Stellungnahmen der bildungspolitischen Sprecher/-innen zur UN-Konvention

Den bildungspolischen Sprecher/-innen der im Landtag vertretenen Parteien wurden folgende Fragen gestellt:

1. Die UN-Konvention zu den Rechten von Menschen mit Behinderungen präzisiert die Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen und ihre ungehinderte Teilhabe für alle Lebensbereiche. In welchem Bereich, in welchen Bereichen sehen Sie für Deutschland besonderen Entwicklungsbedarf?

2. In Artikel 24 der Konvention werden im englischen Text die Staaten zur Entwicklung eines „inclusive education system at all levels“ verpflichtet. Wie stehen Sie zu dieser Verpflichtung und welche Unterschiede sehen Sie zum „integrativen Bildungssystem“, wie es in der deutschsprachigen Übersetzung heißt?

3. Wie schätzen Sie die bisherige Entwicklung diesbezüglich ein und welche Veränderungen sehen Sie in Ihrem (Bundes-)Land im Hinblick auf ein inklusives Bildungssystem als besonders dringend an?

4. Welche Entwicklungen streben Sie an und was werden Sie in der gegenwärtigen bzw. in der nächsten Legislaturperiode realisieren?

5. Einzelne Eltern, das erfahren wir, werden den Klageweg beschreiten, um das Individualrecht von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung bzw. ihren Eltern auf den Besuch der allgemeinen Schule durchzusetzen. Wie werden Sie in der Zeit bis zur Etablierung eines inklusiven Bildungssystems die Interessen dieser Eltern berücksichtigen?

Von der Fraktion der SPD lag bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Stellungnahme vor. Sie wird ggf. ergänzt.

 

Mario Döweling,
schulpolitischer Sprecher
der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag
Nach Art. 4 Abs. 1 der Konvention verpflichten sich die Vertragsstaaten, "alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Um­setzung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte zu treffen". Auch Hessen wird sich dieser Aufgabe stellen und ist auf diese gut vorbereitet. Ent­sprechende Schulentwicklungsprozesse sind bereits im Gange.
Auch die FDP-Fraktion im Hessischen Landtag steht hinter den Zielen der UN-Konvention und wird sich für die Umsetzung in Hessen stark machen. Für die schulische Förderung behinderter Kinder gilt für uns jedoch der Leitsatz: Ge­meinsam Lernen so viel wie möglich, getrennte Förderung soviel wie nötig. Nach Auffassung der FDP-Fraktion muss sich die Wahl der geeigneten Unter­richtsform ausschließlich am Wohl des Kindes zu orientieren.
Die Förderung sollte, wenn möglich, integrativ gestaltet werden, um die positi­ven Auswirkungen des Miteinanders von behinderten und nicht behinderten Kindern zu entfalten. Ist dies zum Wohle des Kindes oder aus anderen Grün­den nicht möglich, bietet Hessen Förderschulen an, die sich auf die jeweiligen Bedürfnisse der Kinder mit Behinderungen einstellen und sie entsprechend ihren Begabungen unterrichten.

Unser Ziel ist es, mehr Kinder in allgemeinen Schulen zu fördern, die guten Angebote von Förderschulen zu wahren und das gemeinsame Lernen unter einem Dach zu unterstützen. Selbstverständlich müssen aber auch die jeweili­gen sächlichen, räumlichen und personellen Voraussetzungen vor Ort berück­sichtigt werden.
Die FDP-Fraktion macht sich stark für den Ausbau von Förderschulklassen an Regelschulen. Bereits zum neuen Schuljahr 2009/2010 werden drei zusätzli­che Förderschulen zu sonderpädagogischen Beratungs- und Förderzentren ausgebaut, um Schülerinnen und Schüler mit erhöhtem Förderbedarf an Re­gelschulen in ihrem Klassenverband zu unterrichten und ihnen dort frühzeitig qualifizierte Unterstützung durch Sonderschullehrkräfte zukommen zu lassen. Insgesamt gibt es in Hessen 119 dieser sonderpädagogischen Beratungs- und Förderzentren. Diese Entwicklung zeigt, dass wir uns bereits auf einem guten Weg befinden, den wir fortführen werden, um Inklusion und Integration zu er­möglichen und zu fördern.
Die sonderpädagogische Förderung von Schülern ist eine sehr individuelle An­gelegenheit. Gerade deswegen ist eine Vielfalt von Angeboten notwendig, um jedes Kind individuell zu fördern. Aber auf keinen Fall sind Zwangsmaßnahmen über die Köpfe der Schüler, der Eltern oder der Schulen hinweg eine Lösung. Vielmehr muss behutsam und schrittweise der Anteil von Schülern mit son­derpädagogischem Förderbedarf an den allgemeinen Schulen erhöht werden. Unser Anliegen ist es, dass Eltern ihr gesetzliches qualifiziertes Wahlrecht für den gemeinsamen Unterricht in Anspruch nehmen können, denn Eltern und Pädagogen sollen über den für das Kind richtigen Förderort entscheiden und nicht die Verwaltungsgerichte. Ich möchte an dieser Stelle auch hervorheben, dass für den gemeinsamen Unterricht im nächsten Schuljahr 50 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen werden.
Darüber hinaus möchten wir die Kooperation zwischen Förderschulen, son­derpädagogischen Beratungs- und Förderzentren und allgemeinen Schulen intensivieren und neue Modelle entwickeln, um all den Schülerinnen und Schüler optimal zu helfen, die im Lernen, Verhalten oder in der Sprache beeinträchtigt sind.


Antworten der GRÜNEN Landtagsfraktion

 

zu 1.
Handlungsbedarf besteht in praktisch allen Bereichen, die von der UN-Konvention behandelt werden. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, ihre Gesetzgebung, ihre Verwaltungspraxis und alle Maßnahmen so zu gestalten, dass sie der UN-Konvention gerecht werden. Die Anstrengungen zur Herstellung von Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen müssen verstärkt werden. Vom Recht der Geschäftsfähigkeit über die Praxis der Forschung bei nicht-einwilligungsfähigen Personen und das Rehabilitationssystem bis hin zum Bildungsbereich gehört alles auf den Prüfstand, was Menschen mit Behinderung betrifft. Hier sind nicht nur der Bund und die Länder, sondern auch die Kommunen gefordert. Denn nach der UN-Konvention muss behinderten Menschen die volle Einbeziehung in die Gemeinschaft und die gleichberechtigte Teilhabe ermöglicht werden. Das Zusammenleben der Menschen findet aber vor allem in der Gemeinde statt. Die Schaffung ausreichenden barrierefreien Wohnraums und die Gestaltung von Gemeinschaftseinrichtungen vor Ort sind hierfür Beispiele. Schließlich ist auch der Umgang der Medien mit behinderten Menschen bedeutsam. Nach der UN-Konvention muss behinderten Menschen ein ungehinderter Medienzugang ermöglicht werden und die Medien sollen über Menschen mit Behinderung vorurteilsfrei und ihrer Würde entsprechend berichten. Es gibt somit praktisch keinen Lebensbereich, der von der UN-Konvention nicht betroffen wäre.

zu 2.
Für die Verwirklichung der gesellschaftlichen Inklusion von Menschen mit Behinderung spielt die Schule als Ort der Bildung und Erziehung eine entscheidende Rolle. Dabei bedeutet Inklusion nicht die Eingliederung von Menschen mit Behinderungen in die von Nichtbehinderten geprägte Gesellschaft, sondern die Gestaltung eines solidarischen Miteinanders und Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten. Der gemeinsame Unterricht von Kindern und Jugendlichen mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf ist ein Ort, wo Anderssein täglich erlebt und gegenseitiges Anerkennen ständig erprobt und erfahren wird.

Der Erfolg der Inklusion in der Schule setzt gemeinsame Anstrengungen aller voraus. Gesellschaftliche Einrichtungen müssen so gestaltet werden, dass sie einen Raum für alle bieten. Eine Veränderung des Bildungssystems in Richtung Inklusion ist ein wesentlicher Schritt zu einer Gesellschaft, in der tatsächlich alle einbezogen sind und teilhaben. Daher begrüßen wir die in Artikel 24 getroffene Verpflichtung zur Entwicklung eines „inclusive education system at all levels“.

Wir bedauern die durch die Übersetzung ins Deutsche entstandene begriffliche Unschärfe, denn der Begriff der „Integration“ ist anders besetzt als der Begriff „Inklusion“. Dieser beinhaltet u.a. auch einen Perspektivwechsel. Zu den beiden Begriffen und deren Bedeutungsgehalt gibt es zwischenzeitlich eine breite wissenschaftliche Debatte (siehe z.B. unter http://www.bildungsserver.de/zeigen.html?seite=1016). Grundsätzlich ist zu konstatieren: Welches Konzept hinter den jeweiligen Begrifflichkeiten steht ist äußerst unterschiedlich und größtenteils davon abhängig, wer den Begriff gebraucht und was damit bezweckt werden soll.

zu 3.
Hessen liegt, was die gemeinsame Beschulung betrifft, im bundesweiten Vergleich weit hinten: Während in Bremen und Berlin inzwischen mehr als 30 Prozent aller behinderten Kinder in die Regelschule gehen, sind dies in Hessen nicht einmal 10 Prozent. Das ist auch unter den Flächenländern ein sehr schlechter Wert. Bremen und Schleswig-Holstein wollen die Förderschulen jetzt schrittweise ganz abschaffen und den gemeinsamen Unterricht zur Regel machen. Auch andere Bundesländer setzen verstärkt auf die Regelschule. Aber Hessen setzt weiter auf die getrennte Beschulung behinderter Kinder.

Zu Recht setzten viele Familien mit behinderten Kindern große Hoffnungen auf die neue UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die ein inklusives Bildungssystem vorschreibt. Die hessische Praxis, behinderte Kinder in der Regel auf die Förderschule zu verwiesen, steht im Widerspruch zur UN-Konvention. Wir GRÜNE haben die Landesregierung aufgefordert, die Umsetzung der Konvention sicherzustellen. Eine ernsthafte Überprüfung wird nach unserer Überzeugung erheblichen Änderungsbedarf ergeben.

zu 4.
Wenn wir in Regierungsverantwortung wären, würden wir den gemeinsamen Unterricht (GU) von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf an allen Schulen durch zusätzliches Personal deutlich ausweiten und die Förderung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf vom Rand in die Mitte der bildungspolitischen
Debatte holen und besonders unterstützen.

Wir wollen deren Isolierung vermeiden, denn wer von Anfang an nicht ausgeschlossen wird, muss auch später nicht wieder integriert werden. Unser Ziel ist es, den GU schrittweise von der Ausnahme zur Regel zu machen. Um dieses Ziel zu erreichen, würden wir die Vorschläge unter anderem des Landkreistages aufgreifen und gemeinsam mit einzelnen Landkreisen und mit kreisfreien Städten die gemeinsame Beschulung aller Schülerinnen und Schüler modellhaft erproben, um diese Erfahrungen anschließend landesweit nutzen zu können.

zu 5.
Durch parlamentarische Initiativen und durch das Schaffen von Öffentlichkeit werden wir weiterhin Druck auf die Landesregierung ausüben, um sie dazu zu bringen, das Recht von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung auf den Besuch der allgemeinen Schule zu gewährleisten. Wie in der Vergangenheit werden wir im auch im Rahmen der anstehenden Haushaltsberatungen für das Jahr 2010 eine deutliche Ausweitung der Mittel für den gemeinsamen Unterricht beantragen und versuchen, dafür parlamentarische Mehrheiten zu gewinnen.

 

Günter Schork,
Sprecher für Förderschulen und integrativen Unterricht
Zu 1.
Zunächst ist festzuhalten, dass eine Teilhabe für alle Lebensbereiche von Schwerbehinderten Menschen in Deutschland und speziell in Hessen größtenteils gewährleistet wird. Schwerbehinderte werden in den Lebensbereichen, wie z.B. dem Sport respektiert für ihren positiven Umgang mit ihrer Behinderung.

Dennoch gibt es Teilbereiche bei denen behinderte Menschen keine ausreichende Förderung erfahren. So sind behinderte Menschen durch Maßnahmen der begleitenden Hilfe im Arbeits- und Berufsleben zu stärken. Insbesondere müssen behinderte Jugendliche unterstützt werden, einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu finden, um eine Ausbildung erfolgreich abzuschließen. Im Hochschulbereich muss Studierenden mit Behinderung die Möglichkeit gegeben werden erfolgreich einen Studienabschluss zu erwerben.

Im Wohnbereich bedarf es der Entwicklung von Wohn- und Betreuungsmodellen für ältere Menschen mit Behinderung.

Letztendlich müssen weitere Konzepte in Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen sowie Freizeit- und Bildungseinrichtungen weiterentwickelt und die bisherigen erfolgreichen Projekte der Landesregierung weiter gefördert werden. In Hessen hat die Koalition von CDU und FDP sich dieser Aufgaben im Koalitionsvertrag angenommen.

Zu 2.
Vorneweg möchte ich kurz darauf hinweisen, dass aus Sicht der CDU-Fraktion, die UN-Konvention, die zu Beginn des Jahres in der Bundesrepublik Deutschland durch Gesetz eingeführt worden ist, nicht nur Art. 24, zum Thema Bildung beinhaltet, sondern auch Art. 7., in dem zu Kindern mit Behinderungen in Abs. 2 ausgeführt wird:

Bei allen Maßnahmen, die Kinder mit Behinderungen betreffen, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig nach der UN Konvention zu berücksichtigen ist.

Dieser Grundsatz wird dann auch in Art. 24 Abs. 2 e noch einmal dargestellt: „… dass in Übereinstimmung mit dem Ziel der vollständigen Integration wirksame, individuell angepasste
Unterstützungsmaßnahmen in einem Umfeld, das die bestmögliche schulische und soziale
Entwicklung gestattet, angeboten werden.

Damit ist klar, dass auch in der UN-Konvention für Kinder mit Behinderungen und Beeinträchtigungen das Kindeswohl im Mittelpunkt aller Bemühungen stehen muss.

Das ist auch die Politik, die die CDU in den letzten Jahren in diesem Land betrieben hat. Die Kinder mit einer Behinderung sollen nach ihren individuellen Stärken gefördert werden. Jedes Kind muss gesondert betrachtet werden. Das bedeutet, dass ein behindertes Kind nicht automatisch in eine Förderschule kommen muss. Vorrangig ist es das Ziel, dass Kinder mit Behinderungen in den normalen Regelschulen bleiben können. Bei schulischen Problemen wird den Kindern kein Gefallen getan, sie in einer Klasse zu belassen, in der sie das Gefühl haben, die schlechtesten zu sein, auch auf Grund ihrer Behinderung. So findet keine positive Integration für das Kind statt. Stattdessen kommen Selbstzweifel und Ängste auf.

In einem integrativen Bildungssystem wird im Gegensatz zu einem „inclusive education system at all levels“ mehr Rücksicht auf die Kinder genommen Sie werden individuell gefördert und in ihrem Auftreten bestärkt. Dabei arbeiten die Schulen untereinander zusammen, welches eine erhöhte Flexibilität gewährleistet und schnellstmögliche Reaktionen bei schulischen Problemen der behinderten Kinder.

Zu 3.
Dazu kann gesagt werden, dass in den vergangenen Jahren in Hessen zur Förderung behinderter und von Behinderung bedrohter Schülerinnen und Schüler ein differenziertes sonderpädagogisches Fördersystem aufgebaut worden ist. Insbesondere wurde ein Netz von sonderpädagogischen Beratungs- und Förderzentren aufgebaut. Es gibt dezentrale Schulen für Erziehungshilfe, alle mit der klaren Zielsetzung, die von Ihnen geforderte Regelbeschulung in der normalen Schule durchzusetzen. Als Hilfe für eine Weiterentwicklung dient der Modellversuch „Begabungsgerechte Schule“ in Offenbach, der von unserem ehemaligen Kultusminister Jürgen Banzer noch in seiner Amtszeit genehmigt wurde und der von der jetzigen Kultusministerin Frau Henzler sicher fortgeführt wird.

Die nun folgende Umsetzung der Konvention im Schulbereich ist ein wichtiges Anliegen der CDU Fraktion und bedarf einer sorgfältigen und abgestimmten Vorgehensweise zum Wohle der Kinder.

Zu 4.
In der jetzigen Legislaturperiode haben CDU und FDP in Hessen bereits einen Antrag zur „weiteren Verbesserung der Situation der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im hessischen Schulsystem“ im Hessischen Landtag eingereicht. Wir fordern den konsequenten Ausbau der Beratungs- und Förderzentren, um den Anteil von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf an den allgemeinbildenden Schulen zu erhöhen. Ferner muss das Netzwerk von Förderschulen und Regelschulen unter einem Dach weiter gefördert werden. Der bereits oben angesprochene Schulversuch "Begabungsgerechte Schule" im Kreis Offenbach muss weiter intensiv begleitet werden, um anschließend positive Effekte mit in das hessische Schulsystem zu integrieren. Schülerinnen und Schülern an Schulen für Lern- und Erziehungshilfe muss der Hauptschulabschluss ermöglicht werden.

Um ein qualifiziertes Wahlrecht der Eltern sicherzustellen, spricht sich die CDU dafür aus, sowohl die Förderschulen zu erhalten und zu stärken als auch die Maßnahmen des inklusiven Förderansatzes weiterzuentwickeln. In diesem Zusammenhang hält es die CDU für erforderlich, dass zum nächsten Schuljahr neue Stellen für den gemeinsamen Unterricht bereitgestellt werden.

Zu 5.
Am Ende müssen alle Bemühungen darauf ausgerichtet sein – das ist die Politik der CDU, das ist die Politik der Koalition –, ein qualifiziertes Wahlrecht der Eltern herzustellen und das Wohl der Kinder in den Mittelpunkt der ganzen Überlegungen zu stellen.

Wie bereits erwähnt gibt es bereits große Fortschritte in der Entwicklung eines inklusiven Bildungssystems seitens der hessischen Landesregierung. Die Optimierung und Etablierung dieses Systems ist einer der wichtigsten Aufgaben die wir im Rahmen des bildungspolitischen Auftrages haben. Auf dem Klageweg das Individualrecht der Kinder und Jugendlichen einzuklagen erachten wir als nicht sinnvoll, da auch bei Erfolg eine Etablierung nicht von einen Tag auf den anderen Tag erfolgen kann. Es ist daher sinnvoller die Etablierung, die schnellstmöglich von den Politikern herbeigeführt werden muss, abzuwarten.

Das Kindeswohl und die Förderung unserer Kinder ist ein besonderes Anliegen der CDU.

Barbara Cárdenas,

Zu 1.
Generell möchte ich folgendes voranstellen: Angesichts einer zunehmend neoliberal geprägten Sozialpolitik, in der der Begriff der Effizienz zentral ist, wird es überhaupt schwer sein, Maßnahmen umzusetzen, die vom sozialethischen Begriff der gleichberechtigten Teilhabe geprägt sind. Eine Politik tatsächlicher Inklusion behinderter Menschen innerhalb einer Politik, die systematisch immer größere Bevölkerungsteile durch wirtschafts- und finanzpolitische Mechanismen ausschließt, ist sehr unwahrscheinlich. Die allgemein erhobene Forderung des Abbaus der Barrieren in unser aller Köpfen könnte da – auch wenn sie natürlich nicht falsch ist - als frommer Wunsch, der nichts kostet, gerade recht kommen. Insofern befürchten wir auch, dass kein ernsthaftes Interesse daran besteht, einen Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik theoretisch oder praktisch voran zu treiben. Auch da wird es vom Widerstand in der Bevölkerung allgemein und natürlich besonders der betroffenen Menschen und ihrer Freunde abhängen, wieweit diese Forderungen in die offizielle Politik Eingang finden.

Aber zurück zur BRK: Ein besonderer Entwicklungsbedarf besteht in vielen Bereichen, z. B. zum Thema Nachteilsausgleich, zum Thema Barrierefreiheit, zum Thema Antidiskriminierung und zum Thema ‚Gemeinsam lernen‘.

Falls es eine generelle Forderung gibt, so ist es die, dass alle Gesetze, Verordnungen, Richtlinien, Praktiken etc. jetzt auf Kompatibilität mit der BRK überprüft werden müssen. Dies wäre auch zugleich der erste Schritt.

Zu 2.
Wir sehen die Forderung nach Inklusion als unvereinbar mit einem Verständnis, nach dem Kinder erst ausgesondert werden, um sie dann ggf. wieder zu integrieren. Inklusion bedeutet, von Anfang an Rahmenbedingungen vorzufinden, die eine gleichberechtigte Teilhabe in Regeleinrichtungen ermöglichen.

Zu 3.
Auch hier besteht der Bedarf auf mehreren Ebenen:
Auf Gesetzesebene betrifft dies in Hessen v.a. das Hessische Schulgesetz, in das der Vorrang der inklusiven Bildung aufgenommen werden muss und das Lehrerbildungsgesetz, das Lehrerinnen und Lehrern aller Schulformen – und hier meine ich in besonderer Weise die der Sekundarstufenschulen I und II, denn die Grundschulen haben sich längst auf den Weg gemacht – grundlegende sonderpädagogische Kenntnisse und ein ausreichendes Handwerkszeug vermittelt wird, um zieldifferent zu unterrichten.
Unbedingt muss auch der Kapazitätsvorbehalt fallen, damit ein individueller Rechtsanspruch auf wohnortnahe inklusive Beschulung, der u. E. aus der Ratifizierung der BRK resultiert, greifen kann. Noch müssen die Eltern sich diesen gerichtlich erstreiten, wie wir in den Zeitungen lesen können.
Weiter muss schnellstens eine unabhängige Beratungsstelle eingerichtet werden, die die Eltern berät sowie die Schulen, an denen das Kind eingeschult werden soll.
Die Landesregierung muss dringend einen Aktionsplan dazu vorlegen, in welchen auch zeitlich festgelegten Schritten sich die Umsetzung der BRK, hier v.a. Art. 24, vollziehen soll: Sollen Förder- und Regelschulen zusammengeführt werden? Sollen in einem ersten Schritt die Diagnose- und Förderzentren zu Schulen ohne Schüler werden, wie es z. B. in Schleswig-Holstein mit 45% Integration schon ziemlich weit umgesetzt ist? Sollen – wie es auch namhafte Erziehungswissenschaftler empfehlen – zuerst die Schulen für Lernhilfe und Erziehungshilfe sowie die Sprachheilschulen aufgelöst werden und den Regelschulen generell ein bestimmter Betrag zur Förderung zur Verfügung gestellt werden? Dadurch könnten übrigens auch die aufwendigen Gutachterverfahren zur Attestierung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs entfallen und diese Kapazitäten in die förderorientierte Diagnostik und die Befriedigung des individuellen Förderbedarfs der Kinder gehen. Und viele Fahrtkosten würden wegfallen, - ein großer Batzen, den die Landschaftsverbände sowie Kommunen und Kreise sparen könnten.

Zu 4.
Wir sind nicht in der Regierung. Aber als Opposition erwarten wir, dass der Ratifizierung der BRK durch die Bundesregierung auch entsprechende Schritte auf Bundes- und Länderebene folgen. Wir haben im Bundestag u. a. bereits folgende Initiativen eingebracht:
Um Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben in mitten des Gemeinwesens zu ermöglichen, hat DIE LINKE. 2006 ein Nachteilsausgleichsgesetz eingebracht, das der Vereinheitlichung des Behindertenrechts, des bedarfsdeckenden Ausgleichs behinderungsbedingter Nachteile und der Stärkung selbstbestimmter Teilhabe am Gemeinschaftsleben inklusive Barrierefreiheit gerecht wird. Der Antrag wurde abgelehnt. Seitdem unterstützen wir die Forderung nach einem Teilhabesicherungsgesetz, das auch die erforderliche Assistenz im Rahmen der Selbstvertretung von Menschen mit Behinderung gewährleistet.

Zu 5.
Wir unterstützen es, wenn Eltern ihr individuelles Recht auf inklusive Beschulung ihrer Kinder auf dem Klageweg durchsetzen und werden dieses auch politisch öffentlichkeitswirksam bekunden.
Wir stehen in direktem Kontakt mit entsprechenden Elterninitiativen und arbeiten gemeinsam vor Ort, um Eltern über die Möglichkeiten einer inklusiven Beschulung ihrer Kinder zu informieren. Ggf. bitte ich darum, sich direkt mit mir in Verbindung zu setzen.