Abstract: Die künstlerische Arbeit in fähigkeitsgemischten Tanzensembles zeichnet sich fast durchgängig durch eine beeindruckende Kreativität bei größter Verschiedenheit von Fähigkeiten und Bedürfnissen aller Beteiligten aus. An die Tanzkünstler, Choreographen oder Tanzpädagogen, die diese Gruppen leiten, stellen sich entsprechend vielschichtige Anforderungen, für deren Bewältigung es spezifischer Kompetenzen und angemessener Einstellungen bedarf. Der Beitrag untersucht auf der Basis einer qualitativ-empirischen Studie sowie anhand einschlägiger Fachliteratur spezifische Kompetenzen der Gruppenleitung, die zur Förderung des sozialen Miteinander in mixed-abled Tanzensembles gefordert werden. Reflektierte Selbsterfahrung, angemessener Umgang mit Bedürfnissen und Fähigkeiten der Ensemblemitglieder sowie mit problematischen Situationen und schließlich die Vermittlung von Wahrnehmungs- und Einstellungsänderung werden als spezifische Kernkompetenzen herausgearbeitet.
Stichwörter: Tanz, Inklusion, Behinderung, Integration, fähigkeitsgemischter Tanz (mixed-abled), Gruppenleitung, Kompetenz, Weiterbildung
Inhaltsverzeichnis
Fähigkeitsgemischte Tanzensembles sind aus der Tanzszene nicht mehr wegzudenken. Es gibt eine Vielzahl an professionell und auf hohem künstlerischen Niveau arbeitenden Ensembles. Ebenso finden sich freizeitorientierte Gruppen, für die öffentliche Auftritte nicht unbedingt intendiert sind. Viele fähigkeitsgemischte Tanzensembles sind im Feld der kulturellen Bildung angesiedelt und entweder schulisch oder außerschulisch organisiert. In welchem Gewand sich die Gruppen auch immer zeigen mögen - ihre künstlerische Arbeit zeichnet sich fast durchgängig durch eine beeindruckende Bewegungskreativität bei größter Verschiedenheit von Fähigkeiten und Bedürfnissen aller Beteiligten aus. Insbesondere an die Leitung dieser Gruppen stellen sich entsprechend vielschichtige Anforderungen, für deren Bewältigung es spezifischer Kompetenzen und angemessener Einstellungen bedarf. Damit möchte sich dieser Beitrag beschäftigen. Adam Benjamin, Mitbegründer der CandoCo Dance Company beschreibt sehr anschaulich, was das Lehren von Tanz in diesem Zusammenhang fordert: „It is about learning to be present in our bodies without artifice; it is about understanding how we use our weight and or breath; how we balance movement and stillness, tension and relaxation. But it is about more than just what we do with our bodies; it is about how we negotiate decisions in time and space, how we empathise with others, while having the courage to develop our own ideas. It is about creativity and criticism. In short, it is about how we make best use of our physical and mental resources.” (2002, S. 6)
Der folgende Beitrag untersucht grundlegende Kompetenzen für die Förderung des sozialen Miteinander in fähigkeitsgemischten Gruppen, was angesichts der großen Heterogenität an Bedingungen und Fähigkeiten mit eine der größten Anforderungen darstellt. Die Fokussierung geschieht in dem Bewusstsein, dass über die Kompetenzen zur Förderung des sozialen Miteinander hinaus natürlich viele weitere Kompetenzen erforderlich sind, wie in allen nicht mixed-abled Gruppen auch. Der Bundesverband Tanz in Schulen beispielsweise nennt hier fachliche Kompetenzen (eigenes tanzpraktisches Können, tanzkünstlerische Expertise oder tanztheoretisches Wissen), Vermittlungskompetenzen (z.B. pädagogische, didaktisch-methodische Kompetenzen) sowie überfachliche Kompetenzen (z.B. Selbst-, Organisations- und soziale Kompetenzen) (ausführlich siehe Bundesverband Tanz in Schulen 2012). Auf diese wird im Beitrag nicht weiter eingegangen; sondern es wird versucht, das Spezifische für die Förderung des sozialen Miteinander in fähigkeitsgemischten Gruppen herauszuarbeiten. Die Darstellungen basieren auf den Befunden einer Pilotstudie zur Frage, wie das soziale Miteinander in fähigkeitsgemischten Tanzensembles gelingen kann [1]. Die Pilotstudie war Teil eines interdisziplinär angelegten Forschungsprojektes an der Technischen Universität Dortmund und wurde von der Projektteilgruppe „Dance and Ability“ unter dem Projektdach Arts & Abilities durchgeführt (vgl. Krebber-Steinberger „All Inclusion“ in dieser Ausgabe sowie Sauter Schiffbruch… in dieser Ausgabe).
Die Projektteilgruppe Dance and Ability ging der Frage nach, wie das soziale Miteinander in fähigkeitsgemischten Tanzensembles gelingen kann. Zur Untersuchung dieser Fragestellung wurde neben theoretischen Vorarbeiten in Form von Sichtung der einschlägigen Fachliteratur ein empirischer Zugang gewählt. Vier im fähigkeitsgemischten, tanzkünstlerischen Bereich arbeitende Dozentinnen und ein Dozent aus Nordrhein-Westfalen wurden mithilfe eines leitfadengestützten Interviews nach ihren bisherigen Erfahrungen und Erkenntnissen bzgl. der Förderung des sozialen Miteinander befragt. Die transkribierten Interviews wurden dann inhaltsanalytisch nach Mayring (2010) – softwaregestützt mit MAXQDA (Kuckartz 2012) – ausgewertet. Die explizite Frage nach dem Verhalten und den Kompetenzen von Dozenten war zwar kein Teil des Interviewleitfadens. Allerdings, angesprochen auf den Umgang mit problematischen Situationen, auf Grundsätze der eigenen inklusiven tanzkünstlerischen Arbeit oder auf die Bedeutung von verschiedenen Einflussfaktoren für die Gruppe machten die Befragten Aussagen, die im Sinne der induktiven Kategorienbildung zur Kategorie Dozentenkompetenzen zusammengefasst werden konnten.
Aus den Aussagen der befragten Dozentinnen und des Dozenten wurden vier Kompetenzbereiche herausgefiltert, die für die Gruppenleitung eines fähigkeitsgemischten Tanzensembles benötigt werden (s. Abbildung 2):
1. Reflektierte Selbsterfahrung/ ästhetische Erfahrung: Eine befragte Ensembleleiterin betonte im Interview, wie wichtig es ist, sich in der Arbeit auf eigene Erfahrungen beziehen zu können: „Das ist auch ein ganz wichtiger Aspekt. Man muss den Bezug zu sich selber haben, auch wenn man nur mit Erwachsenen arbeitet, der Bezug zu sich selber als Kind, der ist extrem wichtig.“
2. Wahrnehmung und Umgang mit Bedürfnissen der Gruppenmitglieder: Als ein weiterer Kompetenzbereich wurde in der Studie die Wahrnehmung und der adäquate Umgang mit den besonderen Bedürfnissen der Teilnehmer identifiziert. Diese Kompetenz kann beispielsweise durch eine tanztherapeutische Ausbildung erworben bzw. gefördert werden. Darauf weist eine befragte Dozentin hin und bezieht sich auf eine Situation, in der sie auf das Zugehörigkeitsbedürfnis eines Gruppenmitgliedes näher eingeht: „Dadurch, dass S. auch die therapeutische Ausbildung und tanztherapeutische Ausbildung vorher gemacht hatte, […] konnte [er] sich auf jeden schnell einstellen und wusste auch was zu tun war, um jemanden aus sich heraus zu locken und mit in die Gruppe zu integrieren.“
3.Wahrnehmung und Umgang mit den Fähigkeiten der Gruppenmitglieder: Eine befragte Dozentin betont die Bedeutung eines angemessenen Umgangs mit den Fähigkeiten der Gruppenmitglieder: „Wenn ich etwas auf die Bühne bringe, dann kann ich schauen wie bringe ich diese Talente dieser Person ein oder wie kann ich seine Fähigkeiten weiterbringen. […] Gegebenenfalls müssen wir das Stück ändern oder die Gegebenheiten ändern“. Damit ist die Kompetenz, Fähigkeiten der Teilnehmer realistisch wahrnehmen und beschreiben zu können sowie die tänzerischen Aktivitäten an die Fähigkeiten der Teilnehmer anpassen zu können, gemeint.
4.Umgang mit problematischen Situationen: Der vierte Kompetenzbereich, der aus den Daten herausgearbeitet werden konnte, bezieht sich auf das Vermögen, problematische Situationen wahrzunehmen und auf angemessene Art zum richtigen Zeitpunkt zu intervenieren. Verdeutlicht wurde dies in einem Interview anhand einer Beispielsituation: „In dem Moment hätte ich sonst noch was dazwischen gemacht, aber wir mussten das erst klären.“
5.Positive Einstellungen der Leitung gegenüber Behinderung, „anderen“ Tanzkörpern und gegenüber allen Gruppenmitgliedern sowie Vertrauen in deren Potenziale und Entwicklungsfähigkeit
Die Auswertung der Interviews brachte neben den beschriebenen Kompetenzen einen weiteren bedeutsamen Aspekt hervor: Zum Gelingen trägt ganz grundlegend das Vertrauen bei, welches die Gruppenleitung in die Entwicklungsfähigkeit der Teilnehmer hat. Eine interviewte Dozentin äußert sich in diesem Sinne: „Das ist ganz wichtig. Immer wieder die Türen auf machen, auch wenn man denkt, der oder die lernt das nie oder das geht nicht.“
Um die gefundenen Kompetenzbereiche besser auf Vollständigkeit prüfen zu können, ist ein Abgleich mit der Vielzahl an Aufgaben, die in der Literatur für die Leitung fähigkeitsgemischter Tanzensembles genannt werden, sinnvoll. Die Aufgaben lassen sich in drei Bereiche zusammenfassen: die Konstruktion einer möglichst barrierefreien, respektvollen und unterstützenden Lern- und Arbeitsumgebung, die Auswahl, Anpassung und Modifikation von Methoden an die jeweiligen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Gruppenteilnehmer sowie die Initiierung und Begleitung kreativ-künstlerischer Schaffensprozesse unter besonderer Berücksichtigung der Vermittlung neuer Sichtweisen auf Tanz und Behinderung (s. Abb. 1).
Abbildung 1: Aufgabenbereiche zur Förderung des sozialen Miteinander in fähigkeitsgemischten Tanzensembles
Konstruktion einer möglichst barrierefreien, respektvollen, wertschätzenden und unterstützenden Lern und Arbeitsumgebung.
Dieser Bereich zählt zu den zentralen Aufgaben der Leitung fähigkeitsgemischter Tanzensembles. Dabei geht es um die Herstellung von physischen und sozialen Umweltbedingungen sowie von persönlichen Voraussetzungen aller Beteiligten, die das Arbeiten in fähigkeitsgemischten Tanzensembles grundsätzlich ermöglichen und fördern. Dazu zählen beispielsweise das Einrichten von Rückzugs- bzw. Ressourcenräumen (Kaufmann 2006), die Einführung und Verwendung einer respektvollen (und ggf. auch leichten) Sprache (Cone & Cone 2011; Kaufmann 2006), und besonders die Veränderung von Einstellungen hin zu einem wertschätzenden Umgang mit den Eigenarten, Begrenzungen und Fähigkeiten aller Teilnehmenden (Alessi & Zolbrod 2008; Benjamin 2002, Cone & Cone 2011, Kaufmann 2006; Elin & Boswell 2004, Quinten in dieser Ausgabe). Weitere Aufgaben zur Optimierung der Arbeits- und Lernumgebung, die in der Fachliteratur genannt werden, sind die Schaffung eines gemeinsamen Bodens („common ground“) und die Entwicklung tragfähiger Beziehungen und Gemeinschaft innerhalb der Gruppe durch Tanz. Alessi & Zolbrod formulieren dies für die Methode DanceAbility wie folgt: „The goal of the DanceAbility method is to find the common ground in the group and built relationships and community to dance.” (2008, S. 2) Mit dem Schaffen eines „common ground“ liegt ein Schlüsselmechanismus für das Gelingen der Tanzarbeit in fähigkeitsgemischten Gruppen vor. Jeder Mensch, mit und ohne Behinderung, unterliegt durch seine Leiblichkeit auch den physischen Bedingungen der menschlichen Existenz, wie beispielsweise der Anziehung der Schwerkraft, den Fliehkräften, den Bedingungen der Gewichtverlagerungen usw. Diese Gegebenheiten und die damit verbunden physischen Bewegungsmöglichkeiten können als der „kleinste gemeinsame Nenner“ verstanden werden. Alessi & Zolbrod sollen zukünftige Leiter fähigkeitsgemischter Tanzensembles in der Lage sein, die physischen Möglichkeiten und den kleinsten gemeinsamen Nenner in jeder Gruppe herausfinden, um Exklusion von Gruppenmitgliedern zu verhindern (2003, S. 58). Ebenso wichtig ist es, dass die Gruppenleitung den individuellen tänzerischen Ausdruck eines jeden Teilnehmers fördert und wertschätzt, denn nur so kann die Gemeinschaft um Neues bereichert werden. „I just appreciate all people’s unique movements. All people have something to contribute to their communities, and communities are healthiest when they are able to access the resources of all their members. All bodies have both ability and disability but neither defines people’s potential for relating and building a sense of self-worth and community through dance.” (Alessi & Zolbrod 2008, S. 2; s. auch Cone & Cone 2011, S. 24). Eine weitere Aufgabe besteht in der Motivation der Ensemblemitglieder (Alessi & Zolbrod 2003, S. 58). Schließlich wird auch als Aufgabe formuliert, ein Helferteam oder Partnersupport zu organisieren, um beim Training und bei sozialer Integration zu unterstützen (Alessi & Zolbrod 2003, Cheesman 2011).
Die Durchsicht der Fachliteratur lässt eine Kernkompetenz, die für die Förderung des sozialen Miteinander in fähigkeitsgemischten Tanzensembles gefordert wird, sichtbar werden. Es handelt sich um diejenigen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die eine Änderung negativer Einstellung bzw. den Abbau von Vorurteilen bewirken können.
Auswahl, Anpassung und Modifikation geeigneter Methoden.
Eine weitere Hauptaufgabe für die Gruppenleitung besteht darin, mit Blick auf die verschiedensten Fähigkeiten und Bedürfnisse der Teilnehmenden geeignete Methoden auszuwählen und ggf. anzupassen und zu modifizieren (z.B. Cone & Cone 2011; Kaufmann 2006; Alessi & Zolbrod 2003). Gleichzeitig soll mithilfe der Methoden aber auch die künstlerische Gestaltung weiter vorangebracht werden (s.u.). Einigkeit besteht in der Fachliteratur darin, dass besonders die Methoden des kreativen Tanzes geeignet sind, die Vielfalt an Bedürfnissen und Fähigkeiten zu integrieren und künstlerisch zu transformieren (Benjamin 2002; Dinold 2008; Heinrichs 1998; Kaufmann 2006; Elin & Boswell 2004). Solche Methoden sind beispielsweise der Einsatz von Problemlöseaufgaben, die Anwendung von mehr oder weniger offenen Bewegungsaufgaben sowie die Anleitung tänzerischer Improvisation einschließlich Kontaktimprovisation. Der Einsatz offener Bewegungsaufgaben ermöglicht über die Kreativitätsförderung hinaus, dass grundlegende Wünsche und Bedürfnisse nach Anerkennung und Zugehörigkeit, aber auch nach Kontrolle und Lustgewinn durch kreatives Handeln befriedigt werden können (Quinten 2013); damit steigt die Chance, dass sich jedes Gruppenmitglied im Rahmen der tänzerischen Aktivitäten seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten entsprechend einbringen und als wertvolles Mitglied des Ensembles erleben kann, ohne die künstlerische Perspektive zu verlieren.
Initiierung und Begleitung künstlerisch-kreativer Schaffensprozesse unter besonderer Berücksichtigung der Vermittlung neuer Sichtweisen auf Tanz und Behinderung.
Im vorangegangenen Abschnitt dürfte deutlich geworden sein, dass Methoden, die zu einem gelingenden sozialen Miteinander (als pädagogisches Anliegen) führen, indem sie weitestgehend die Fähigkeiten und Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigen, auch zu neuen kreativen Bewegungs- und Ausdrucksschöpfungen (als künstlerisches Anliegen) führen. Die Initiierung und Begleitung des künstlerisch-kreativen Schaffensprozesses ist ein dritter Aufgabenbereich, womit es die Leitung eines jeden Tanzensembles natürlich zu tun hat. Die besondere Herausforderung, aber auch die besonderen Chancen und Potenziale in fähigkeitsgemischten Ensembles liegen in der Tatsache, dass hier „neue“ und „andere“ Tanzkörper sichtbar werden (Kuppers 2003). Damit das Miteinander-Tanzen gelingt, muss sich der gewohnte Blick auf den Tanz und auf die Tanzkörper, auf die bevorzugten ästhetischen Ideale verändern, erweitern, erneuern. „Re-envisioning Dance is not based on normalizing the movements of people with disabilities to mirror traditional dance images, rather, it is based on perceiving such movements as potential sources for artistic expression.“ (Elin & Boswell 2004, S. 3) Dieser Prozess braucht sensible und kompetente Begleitung und kann als eine eigene spezifische Vermittlungsaufgabe in mixed-abled Tanzensembles betrachtet werden. Die weiter oben beschriebenen Methoden des kreativen Tanzes sind hierbei ebenso die Methode der Wahl. Eines der zentralen Merkmale einer solchen kreativen Arbeitsweise besteht in dem Prinzip der Begrenzung, indem Restriktionen in die Aufgabe eingebaut werden, um kreative Lösungen zu provozieren. Eine Behinderung stellt häufig eine solche Begrenzungen dar und führt in der tanzkünstlerischen Arbeit dann zu neuen Bewegungsideen und tänzerischen Ausdrucksweisen (z.B. Benjamin 2002; Heinrichs 1998; Kaufmann 2006). „Exciting possibilities emerge through a dancer’s limitations. Choreographers often set limits for dancers to improvise within, to discover what new movements might occur. For instance, a dancer with a broken ankle can explore new, creative ways of working within this limitation by inventing brand new movements lying on the floor […]. Disability can be seen and used this way – as opening up new possibilities. Limitation can be part of the creative process and help us discover new things.” (Kaufmann 2006, S. 15) Durch die Arbeit mit der größtmöglichen Unterschiedlichkeit an Körpern und Bewegungsqualitäten lässt sich Improvisation sehr gut schulen. Das bedeutet, dass nicht nur ein Tänzer mit Behinderung von dem offenen Tanz profitiert, sondern dass besonders die Tanzwelt davon profitiert, wenn mehr Heterogenität inkludiert wird (Alessi & Zolbrod 2003, 59). Als eine bedeutsame Kompetenz zur Förderung des sozialen Miteinander werden aus diesem Bereich insbesondere die Fähigkeiten und Fertigkeiten ausgewählt, die notwendig sind, um neue Wahrnehmungen und neue Sichtweisen auf Tanz und Behinderung zu verändern.
Um Leitungsanforderungen in tanzkünstlerisch arbeitenden Ensembles zu bewältigen, greifen die leitenden Tanzkünstler, Choreographen oder Tanzpädagogen je nach persönlichem Hintergrund und Ausbildung auf ein Konglomerat aus künstlerischen, pädagogischen, organisatorischen und überfachlichen Kompetenzen zurück. In fähigkeitsgemischten Tanzensembles werden spezifische Kompetenzen zur Förderung des sozialen Miteinander gefordert. Auf der Grundlage einer empirische-qualitativen Untersuchung sowie unter Berücksichtigung der einschlägigen Fachliteratur werden im folgenden Schaubild die herausgearbeiteten Kompetenzen zu einem Profil zusammengefasst:
Abbildung 2: Kompetenzbereiche zur Förderung des sozialen Miteinander in fähigkeitsgemischten Tanzensembles
In Artikel 24 Absatz 2.4 der UN-Behindertenrechtskonvention wird von den Vertragsstaaten für die Ausbildung von Pädagoginnen und Pädagogen, die im Kontext von Behinderung und Inklusion arbeiten, explizit Maßnahmen zur Ausbildung gefordert, wie beispielsweise die Einstellung von Lehrkräften, auch solcher mit Behinderung sowie die Schulung von Fachkräften und Mitarbeitern auf allen Ebenen des Bildungswesens (Merkt 2014/2015). Die Ergebnisse der Untersuchung können eine Beitrag leisten für die Entwicklung von Ausbildungscurricula für zukünftige Fachleute im Bereich fähigkeitsgemischter Tanzarbeit.
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[1] Die Pilotstudie wurde in Rahmen des Projektstudiums an der TU Dortmund unter der Leitung von Dr. Susanne Quinten und unter Mitarbeit von Dipl.-Päd. Heike Schwiertz von folgenden Studentinnen durchgeführt: Josephine Artmann, Julia Brinkmann, Annika Christl, Lisa Gramke, Laura Kampkötter, Pia Münstermann, Sarah Nußbaum, Dana Palczewski , Peggy Sennewald, Sina Webers