Franz Kasper Krönig: Mit konstruktivistischer (Ent)Haltung Exklusionsrisiken (v)erkennen. Zur Stellung differenzlinien- und zielgruppenbezogener Fachlichkeiten im Inklusionsdiskurs.

Abstract: Der Beitrag fragt nach der Bedeutung der zielgruppen- bzw. differenzlinienbezogenen Fachlichkeiten der Ansätze, die das Inklusionsparadigma integrieren will (z. B. Gender, Anti-Bias, Diversity, Heil- und Sonderpädagogiken). Nach einer kritischen Auseinandersetzung mit der Vorstellung, dass man sich mit einer so genannten konstruktivistischen Haltung schon den Diskriminierungs-, Ungleichheits- und Exklusionsprobleme in angemessener Weise stellen könnte, wird die integrationspädagogische Lösung in seiner Zielgruppenorientierung und Passungsidee kritisiert. Schließlich wird im Bezug auf die Frage, ob in einem universalistischen Ansatz wie Inklusion eine hinreichende Fachlichkeit und Professionalität gewährleistet werden kann, für eine souveräne »verstehende« Inklusionspädagogik plädiert.

Stichworte: Verstehende Pädagogik; Besonderung; Sonderpädagogisierung; Passung; Differenzierung; Fachlichkeit; konstruktivistische Haltung; Kategorisierung

Inhaltsverzeichnis

  1. Kategorisierungen und Zuschreibungen: Eine Frage der Haltung?
  2. Die Bedeutung besonderer Fachlichkeit am Beispiel sonder- und heilpädagogischen Fachwissens
  3. Literatur

1. Kategorisierungen und Zuschreibungen: Eine Frage der Haltung?

Aus einer pädagogischen Sicht möchte man für sich in Anspruch nehmen, Kinder als individuelle Subjekte anzuerkennen und ihnen gerade nicht kategorisierend und zuschreibend gegenüberzutreten. Es wird dann oft von einer konstruktivistischen Haltung gesprochen und es ist in der Regel gar nicht unklar, was darunter verstanden werden soll. Meist geht es um eine „offene Haltung für unterschiedliche Versionen von Wirklichkeitsauffassungen“ (Reich, 2007) und eine Suche „nach eigenen Lösungen“ (Reich, 2005, p. 184), wobei stets eine Beliebigkeit und kriterienloser Relativismus von der Hand gewiesen werden. Mitgemeint ist dann aber auch eine „Grundhaltung, die geprägt ist durch Werte wie Autonomie, Respekt, Wertschätzung, Neugierde, Koevolution und Eigenverantwortung“ (R. Voß, 2005, p. 9). Diese vorgeblich »konstruktivistische« Grundhaltung, die letztlich wohl auf eine »gute« Haltung hinauslaufen soll (vgl. Reinmann-Rothmeier, 2003, p. 13),  lässt sich wohlgemerkt nicht aus dessen Erkenntnistheorie oder Wissenschaftstheorie ableiten. Heinz von Foerster, sicher der erste, der einem auf der Suche nach der Verbindung von Konstruktivismus und Ethik in den Sinn kommt, weist explizit darauf hin, dass es aus seiner Sicht bei der „ethischen Dimension (…) um die Praxis, um Down-to-earth-Probleme und nicht um jene Kategorien und Begriffssysteme“ (Foerster & Pörksen, 2001, p. 154) geht, zu der er als Erkenntnistheoretiker eine besondere Beziehung hat. Wenn er von einer „ethischen Haltung reden“ (Foerster & Pörksen, 2001, p. 154) möchte, tut er das entsprechend auch mit – wenn man so will: deutlich unkonstruktivistischen Semantiken und nimmt „irgenwelche Ganzheitsideale oder ähnlichen Zinnober“ (Adorno, 1969, p. 124) in Beschlag, die man sogar, da sie sich auf die „Totalität des gesellschaftlichen Lebenszusammenhangs beziehen, (…) heute bereits als Ideologie" (Habermas, 1984, p. 155f) bezeichnen könnte, in jeden Fall aber als ein Beispiel pädagogischen Kitsches, der zur Degradierung der Erziehungswissenschaft beiträgt (vgl. Reichenbach, 2003). Vielmehr wäre zumindest nach Luhmann das Moralische insgesamt als ein Medium anzusehen, in dem historisch-kontingent Achtung und Missachtungsdifferenzen möglich werden.[1] Es ist im Grunde nicht denkbar, wie man aus einer konstruktivistischen Perspektive mit Normen umgehen sollte, wenn nicht funktional[2] und damit auf der Beobachtungsebene zweiter Ordnung natürlich: wertneutral.
Wie konstruktivistisch oder auch nicht diese wertebezogene, professionelle pädagogische Haltung auch sein mag – kann sie tatsächlich schon vor Kategorisierung, Zuschreibung und Diskriminierung schützen und zugleich die individuellen Lebenslagen und Barrieren erkennen und anerkennen? Sind also die oben genannten Theorieansätze vielleicht gar nicht notwendig, da professionalisierte pädagogische Haltungen gerade auf die Individualität der einzelnen Kinder abzielen und sich vor Zuschreibungen hüten? Es gibt zwei Überlegungen, die diese anerkennenswerte Selbsteinschätzung ins Wanken bringen können. Zum einen (a) stellt sich die Frage, ob die Kategorisierung von Kindern in Gruppensituationen nicht eine unverzichtbare Funktion erfüllt, d.h. als Lösung für ein Problem (vgl. Luhmann, 1986, p. 220) angesehen werden muss, das nicht ebenso gut durch »Haltung« gelöst werden kann. Zum anderen ist zu prüfen, ob (b) das Bewusstsein (Awareness) und (Fach)Wissen in Bezug Barrieren und Diskriminierungsdifferenzen, das die genannten Disziplinen und Ansätze schaffen wollen, schon aus dem folgt oder abgeleitet werden kann, was als pädagogische Haltung bezeichnet wird.  

1.1. Kategorisierung als Komplexitätsreduktion

Jede und jeder, die oder der sich auf eine oben skizzierte offene und anerkennende Haltung beruft, muss verschiedene Formen von Komplexität[3] veranschlagen. Das Gegenüber, sei es auch nur eine Einzelperson, ist grundsätzlich überkomplex, d. h. undurchschaubar und unberechenbar im Sinne von nicht-trivial (vgl. Foerster, 1993, p. 138). Das gilt in noch gesteigerter Form, wenn man zusätzlich einsieht, dass diese Person immer nur in einem Kommunikations- bzw. Interaktionsprozess[4] zugänglich ist. Diese dialogische Situation bringt zusätzliche Formen von Komplexität ins Spiel, die auch in der Erziehungswissenschaft unter dem Stichwort der doppelten Kontingenz als „Charakteristikum sozialer Interaktionen“ (Kleve, 2007, p. 82) geführt wird. Hat man es schließlich mit einer ganzen Gruppe von Kindern zu tun, liegt eine derart hohe Komplexität vor, dass Handeln, zumal professionelles, absurd erscheinen muss: Zwar kann man sagen, dass gerade die Tatsache, dass „Bewußtseinssysteme füreinander wechselseitig unzugänglich sind (…) den Bedarf für Kommunikation“  (Luhmann, 1997, p. 25) erklärt. Die Möglichkeit von – wie auch immer definiert: erfolgreicher (dann auch noch pädagogischer) Kommunikation ist dadurch nur als ein Rätsel angesprochen. Wie kann ich pädagogisch handeln in einer Gruppe von vielen Individuen, deren Denken, Fühlen und Wollen mir intransparent ist, deren Aufmerksamkeit ebenso gut auf allem anderen als meinen Kommunikationsversuchen liegen kann und die nicht nur zu mir, sondern auch zueinander Beziehungen aufbauen, die ich höchstens interpretieren, in keiner Weise aber kontrollieren kann?[5] Kann ich mich aller dieser Herausforderungen gleichzeitig annehmen und mich bemühen zum Beispiel der Eigenkomplexität jedes einzelnen Kindes in Gruppensituationen zur Gänze gerecht zu werden? Die Kategorisierung von Kindern »löst« Teile dieser Probleme. Ich muss mich nicht um 25 völlig verschiedene Kinder kümmern, sondern habe Untergruppen, denen ich relativ passende Angebote machen kann. Ich muss mich eventuell um die »normalen« Kinder momentan nicht sorgen; ich kann den Kindern im Zweitspracherwerb ein Förderangebot zuteil werden lassen und bin dadurch den Bedarfen gleich mehrerer Kinder nachgekommen. Ebenso denke ich an »die Mädchen«, »die Stillen«, »die, die noch nicht so weit sind«, »die Aggressiven«, »die, deren Eltern sie zu viel Fernsehen lassen« und so weiter. Die Komplexitätsreduktion, die man selbstverständlich als einen „zweifelhaften ‚Vorteil’“ (Bettinger, 2013, p. 344) ansehen muss,  besteht dann nicht nur darin, dass ich mich um drei, vier oder auch sechs Gruppen kümmern muss anstelle von 25 Kindern. Zudem »weiß« ich durch die Kategorisierung ja schon, was ich zu tun habe, d. h. um welche Herausforderungen, Lernschritte und Hilfestellungen es geht.  In der Praxis bedeutet das sehr oft, dass die Aufgabenblätter nun in drei, vier oder fünf[6] Varianten angeboten werden, einhergehend mit der Behauptung, die verschiedenen Schwierigkeitsgrade spiegelten die Zugangsweisen der Kinder zu Lerngegenständen wider,[7] was in der Pädagogik ja tatsächlich unter dem Schlagwort der Binnendifferenzierung als Königsweg zum Umgang mit Heterogenität firmiert (vgl. Wenzel, 2011). Kennzeichnend für diesen Weg der Komplexitätsreduktion ist die Illusion der „Passung“ als „Gütekriterium, das in erweitertem Sinne für alle Lehr-Lern-Prozesse gültig ist“ (Helmke, 2006, p. 45). Um es deutlich zu sagen: diese Form der Binnendifferenzierung lässt sich klar dem Integrationsparadigma zuordnen und trägt alle damit verbundenen Diskriminierungs- und Besonderungsrisiken in sich. Kinder, an die niedrigere Anforderungen gestellt werden, werden zudem einer Exklusionsgefahr ausgesetzt, und, worauf Georg Feuser immer wieder hinweist: Diese Kinder werden einer »didaktisch« komplexitätsreduzierten Umwelt ausgesetzt, wodurch ihnen Entwicklungschancen vorenthalten werden. Selbstverständlich gibt es alternative Wege des Umgangs mit Heterogenität, die allerdings eine umfassende Umgestaltung von Lebens- und Lernwelten erfordern (vgl. Platte, 2005) oder, auf der Mikroebene der pädagogischen Situation verbleibend, radikal mit der Vorstellung brechen, Lernprozesse zentral zu steuern (z. B. indem man „von oben“ differenziert) (vgl. Peschel, 2009).[8] Wer also von sich sagt, er habe andere Wege des Umgangs mit der Komplexität pädagogischer Gruppensituationen, muss auf inklusive, bzw. offene didaktische Ansätze verweisen können, die in „the arena of formulation“ deutlich leichter anzutreffen sind als in „the arena of realization“ (Dahlberg, Moss, & Pence, 1999, p. 126). Mit dem Verweis auf den viel strapazierten, selten definierten (vgl. Tschöpe-Scheffler, 2014, p. 29) und empirisch ominösen Begriff der professionellen pädagogischen Haltung (vgl. Schwer & Solzbacher, 2014)  ist es nicht getan.[9] Neben der Frage, ob es gelingt, eine sozusagen funktionale Äquivalente zur Komplexitätsreduktion durch Kategorisierung zu finden („Haltung“ wäre hier zwar nicht unwichtig, aber ganz sicher nicht hinreichend)[10], steht eine Skepsis bezüglich der Bewusstheit (Awareness) für die Differenzen, um die es den Disziplinen von z. B. Anti-Bias bis Inklusion geht.

1.2. Awareness, Wissen, Haltung: Der Status fachlicher Wissensbestände

Hat man aus einer pädagogischen Haltung heraus die „centrality of whiteness“ (vgl. Hitchcock, 1998) in der Gesellschaft im Blick, d. h. dass Weiß sozusagen die unreflektierte Hintergrundfarbe hegemonialer Semantik, einschließlich des Diskriminierungsdiskurses ist? Hat man eine Position zu der Frage, wie weit man die soziale Konstruktion von Gender und Geschlecht (vgl. H.-J. Voß, 2010) nachvollziehen kann, und welche Konsequenzen das für die Arbeit mit Kindern hat? Hat man eine Vorstellung davon, wie die verschiedenen Differenzlinien der Beobachtungen, der die Kinder, mit denen wir es zu tun haben, ausgesetzt sind, in ihrem ausgrenzenden Potential miteinander interagieren? Hat man die Institutionalisierung von Ausgrenzung und Benachteiligung im Blick  (vgl. Wagner, 2003) und kann das beispielsweise an der eigenen KiTa oder Schule analysieren? Und wie sieht es mit dem Barriere-Bewusstsein aus, dem sich insbesondere die Inklusion zuwendet? Kann man Barrieren einfach so sehen?[11] Anstelle quantitativer Forschungsergebnisse, die das Ausmaß von Diskriminierungs- und Barrierenbewusstsein bei PädagogInnen abbilden könnten, möchte ich hier ein Beispiel aus einer KiTa anführen. Es handelt sich um eine fünfgruppige Kindertagesstätte mit Familienzentrum, die am Vatertag in allen Gruppen eine Karte mit einem vorgegebenen Text gebastelt hat:
Lieber Papa!
Du bist einer, der Vieles kann.
Du bist für mich der stärkste Mann.
Du kannst mich auf den Schultern tragen
Und mit mir über Wiesen jagen.
(…)
Ganz offenbar ist es niemandem der mindestens zehn beteiligten Erzieherinnen in den Sinn gekommen, was dieser »Brief« für die Kinder bedeutet, deren Väter (sofern überhaupt vorhanden) genau die beschriebenen väterlichen Merkmale nicht aufweisen. Das ist umso irritierender, da wenige Wochen zuvor ein Vater bei einem Arbeitsunfall ein Bein verloren hatte und ein anderer Vater mit schwerer MS selbst an besseren Tagen seinen Sohn sicher nicht auf Schultern trägt. Welches Bild von Vaterschaft und Männlichkeit liegt hier zugrunde und wird den Kindern und Familien zum Vatertag vermittelt? Dass die körperliche Stärke von Vätern, verknüpft mit ihrer Männlichkeit pauschal behauptet und ganz weit in den Vordergrund gerückt wird, ist vielleicht verhältnismäßig weniger bedenklich (aber bedenkenswert), wenn man die Bedeutung von Gesundheit und körperlicher Unversehrtheit in diesem Zusammenhang betrachtet. Sagt diese Karte nicht: Ein richtiger Vater ist gesund und unbeeinträchtigt? Man muss auf die ideologische Grundlegung dieser Denkungsart nicht hinweisen. Gerade weil man mit Sicherheit nicht dem gesamten Kollegium eine reflektierte pädagogische Haltung und insbesondere den Wunsch, Diskriminierung zu verhindern, absprechen kann, macht der Brief deutlich, dass man die verschiedenen Differenzlinien (hier v.a.: Gesundheit) nicht einfach so im Blick hat. Was also tun?
Eine Antwort besteht im Hinweis auf besondere Fachlichkeit, auf Expertisen, die den jeweiligen Differenzlinien disziplinär zugeordnet werden. Für die als ganz wesentlich betrachteten Differenzen, bzw. im Diversitykonzept gebündelten, „Phänomene der Pluralität heutiger Gesellschaften“ (Schiederig & Vinz, 2011, p. 239), die so genannten „Big 6“ – Herkunft und ethnische Zugehörigkeit, Geschlecht, Alter, Sexuelle Orientierung, Behinderung, Religion und Weltanschauung – gibt es entsprechend eigene Disziplinen,[12] die entweder zielgruppenbezogen (Integrationsparadigma) oder beobachtungsbezogen (Inklusionsparadigma) Fachwissen und Problembeschreibungen bereitstellen. Mit beobachtungsbezogenem Inklusionsparadigma ist gemeint, dass es durchaus möglich (und geboten) ist, jede der Differenzlinien eben nicht auf Zielgruppen zu beziehen und damit eine Besonderungssemantik ins Spiel zu bringen. Alle „Big 6“ betreffen die soziale, d. h. beobachterabhängig in seiner Bedeutung konstruierte Identität jeder und jedes Einzelnen. Wenn man einsehen wird, dass Sexualität nicht ein besonderes »Thema« Homosexueller, Alter nicht nur eines von Betagten, Religion nicht vorrangig von Muslimen und Behinderung nicht eines derer, die aktuell als behindert behandelt werden, gerät das Konstrukt fachlicher Professionalisierung im Hinblick auf den Umgang mit Differenzlinien, bzw. Diversity ins Wanken: Dann lässt nämlich die entsprechende Fachlichkeit mit den ggf. darauf aufbauenden Methoden nicht von scheinbaren Fällen triggern. Es ist also nicht mehr möglich, ein Kind als besonders im Hinblick auf eine bestimmte Differenzlinie zu betrachten und deshalb die jeweiligen Kenntnisse und Handlungsweisen abzurufen. Wenn aber nicht nur die „Big 6“, sondern eine große Zahl weiterer Differenzlinien jederzeit in jeder Situation und im Bezug auf jedes Kind »an« sein müssen (im Sinne von mitlaufenden Reflexionsprogrammen), sprechen wir nicht mehr von besonderen Fachlichkeiten im Plural, mit denen sich bestimmte Pädagoginnen und Pädagogen mehr oder weniger »auskennen«.

2. Die Bedeutung besonderer Fachlichkeit am Beispiel sonder- und heilpädagogischen Fachwissens

Das heißeste Eisen zurzeit ist aber sicher nicht die Frage, ob sich pädagogische Fachkräfte mit verschiedenen Differenzlinien und den damit verbundenen Merkmalszuschreibungen und Diskriminierungsrisiken auskennen. Hier sind wir im Bereich von Weiterbildung und Qualifizierung, in dem Qualitätssteigerung und Optimierung[13] immer möglich und deshalb auch nie wirklich dringend ist. Während es im Bezug auf die angesprochenen Diversity-Dimensionen zu diskutieren wäre, ob eine Zielgruppenbildung und damit Kategorisierung Einzelner vermeidbar ist, orientieren sich  heil- und sonderpädagogische Fachdisziplinen an den Zielgruppen, im Hinblick auf deren Lagen und Bedürfnisse sie sich schließlich ausdifferenziert und professionalisiert haben. Für diese Zielgruppen wird fachliche Expertise gefordert und es wird befürchtet, dass im Zuge der Inklusion genau diese speziellen Wissensbestände und Erfahrungsschätze verloren gehen:
Gleichwohl führt die radikale Konsequenz der Inklusionisten in die Irre, etwa auf Diagnosen oder gar medizinisch-therapeutische Behandlung zu verzichten, weil damit Stigmatisierungen durch Kategorisierung (als »Fall von«) erzeugt würden. Damit würde Inklusion zu einer fachlichen Dequalifizierung führen, die zu Lasten der Betroffenen geht. Bern Ahrbeck beschreibt sie als fatale »Dekategorisierung«, die »einem unaufgeregten Realitätsbezug« im Wege steht (Winkler, 2014, p. 118).

Die Förderschule kann in ihrer strukturellen Eigenschaft als Separationsschule gewährleisten, dass Personen mit ähnlichen Ausgangssituationen, Barriere-Konstellationen und Bedürfnissen auf Pädagoginnen und Pädagogen treffen, die genau im Hinblick darauf hochqualifiziert sind. Im Grunde handelt es sich dabei aber zunächst um eine rein organisatorische Frage und dann erst um eine pädagogische. Wer sich für Inklusion einsetzt, ist selbstverständlich auch für möglichst hohe Fachlichkeit an der richtigen Stelle – eine Gegenposition ließe sich nicht einmal widerspruchsfrei formulieren. Die Konstruktion einer relativen Homogenität in den Ausgangssituationen und Bedürfnissen von Personen durch eine integrative Gruppenbildung, an die die Inklusion mit Verweis auf ernstgemeinte Individualität nicht glaubt und nicht vertreten möchte, hat in der aktuellen Debatte doch schwerpunktmäßig[14] organisatorische Gründe: Es scheint organisatorisch am sinnvollsten, Bedarfe zu bündeln und professionell zu bearbeiten. Die Vertreterinnen und Vertreter der Inklusion, die ja in der Regel über Pädagogik[15] und Didaktik sprechen wollen (das heißt dann oft: Ideologie) und davon ausgehend natürlich auch die organisatorischen Rahmenbedingungen in den Blick nehmen, sehen sich einer Opposition gegenüber, die gerade andersherum vorgeht: Hier wird ausgehend von organisatorischer Machbarkeit, d. h. technisch und radikal unpädagogisch sowie spekulativ über pädagogischer Effekte einer möglicherweise schlechten organisatorischen Umsetzung gesprochen. Die Strukturen nach pädagogischen Wertsetzungen zu richten oder das pädagogisch Wünschbare nach dem organisatorisch Machbaren ausrichten – das ist offenbar die Grobstruktur der Debatte, die im übrigen von der Sache her weltanschaulich ist – wohlgemerkt von beiden Seiten! Die Haltung zu Wert und Veränderbarkeit des Seienden, Vorgefundenen, Hergebrachten (d. h.: Faktizität) im Verhältnis zur Bereitschaft, Freiheit zu veranschlagen, Verantwortung und Engagement daraus abzuleiten sowie die damit verbundenen Risiken einzugehen, ist  – auf welcher Seite man auch steht – weltanschaulich, politisch, und wenn man will, sogar ideologisch, da sie auf die „Totalität des gesellschaftlichen Lebenszusammenhangs“ (Habermas, 1984, p. 155) abzielt. Im deutlichen Vorteil ist das Lager derer, die sich für Inklusion einsetzen allerdings in einer Hinsicht: Die mit der Inklusion verbundenen Werte sind von Grund auf pädagogisch, bzw. pädagogisch anschlussfähig, während die hohe Veranschlagung von Faktizität der Pädagogik wesensmäßig fremd ist, ja nachgerade die Negation von Pädagogik ist.  
Unabhängig von der weltanschaulichen, normativen Frage kann man allerdings die konkrete Bedeutung der heil- und sonderpädagogischen Wissensbestände in einem inklusiven Konzept diskutieren. Was geschieht mit dem zielgruppenspezifischen Fachwissen, beispielsweise über bestimmte Entwicklungsbedarfe der Kinder, sowie spezialisierte diagnostische und therapeutische Ansätze? Jetzt nicht über eine organisatorische Fragen sprechend, sondern über eine pädagogische, gibt es aus der Pädagogik eine ganz klare Antwort. Die Alternative einer „fachlichen Dequalifizierung“ (Winkler, 2014, p. 118) durch den Verzicht auf diese Wissensbestände auf der einen Seite oder auf der anderen Seite die befürchtete „Sonderpädagogisierung“ (vgl. Hinz, 2013) der Pädagogik durch die verstärkte Einführung diagnostischer Mittel in behavioristischen Ansätzen ist nicht in der Sache begründet, d. h. es gäbe auch Wege, die nicht in eine der beiden Irren führen.
Die pädagogische Praxis muss so mit sonderpädagogischem Wissen umgehen, wie sie es generell mit allem Wissen tut: verstehend, interpretativ, hermeneutisch, reflexiv, heuristisch und dialogisch. Diese, hier normativ gesetzten – gleichwohl gegenstandsbezogen begründbaren – Ansätze des Umgangs mit Wissen und Nicht-Wissen werden in den Sozialwissenschaften gemeinhin auf Methoden qualitativer Sozialforschung zurückgeführt, deren Prinzipien (vgl. Lamnek, 1995)  sie auch tatsächlich darstellen. Diese wiederum verweisen neben frühen sozialpsychologischen Ansätzen (vgl. Mead, 1964) vor allem auf philosophiegeschichtliche Positionen (z. B. Phänomenologie, Hermeneutik, Erkenntnistheorie). Vor diesem Hintergrund ist es nicht uninteressant zu sehen, dass der Kern des verstehenden, interpretativen, hypothesenbildenden Paradigmas einschließlich des Bewusstseins der Komplexität des pädagogischen Gegenstands (Kind, Gruppe) in der Pädagogik schon lange vorher beschrieben wurde:
„Dieser [der Pädagoge, fk] muß viel mit Kindern jedes Alters umgegangen sein, als Lehrer und als Gesellschafter. Er muß die gewöhnlichen und ungewöhnlichen Meinungen von ihrer Natur und der Art sie zu behandeln, kennen, bald diese, bald jene bei seinen Versuchen zum Grunde gelegt, aber nie eine so fest angenommen haben, daß er nicht bereit wäre, sie fahren zu lassen, wenn eine andere, sollt es auch gerade die entgegengesetzte sein, mehr Wahrscheinlichkeit, daß sie besser sei, bekommt“ (Trapp, 1780, p. 65f).
Die in den Sozial- und Kulturwissenschaften erst später terminologisch etablierten Konzepte von Sinn, Verstehen und Interpretation sind in der Pädagogik natürlich zu dieser Zeit nicht schon wissenschaftstheoretisch »entdeckt« oder aufgearbeitet worden. Vielmehr kann man in der pädagogischen Praxis nicht dauerhaft ein objektivistisches (hier: gerade von Subjekten und Situationen absehend) von Wissen und Wissensvermittlung aufrecht erhalten. Erstens ist das in einem Bereich, in dem es ja gerade um die Bildungsprozesse konkreter, als Subjekte verstandener Individuen geht, abwegig, und zweitens müsste die Position eines erklären-könnenden Wissens in der pädagogischen Praxis aufgrund der uneinholbaren Komplexität und Intransparenz pädagogischer Situationen ständig Nicht-Wissen im Rahmen eines vorgeblich möglichen Wissens konstatieren. Die damit ausgelöste Enttäuschung wird man nicht dauerhaft aufrecht erhalten können, und die zugrunde liegende Erwartung bezüglich der Durchschaubarkeit, Planbarkeit und Steuerbarkeit pädagogischer Kommunikation und Interaktion büßt ihre theoretische Stabilisierung ein.
Nun sehen wir aber, dass erklärendem Wissen besonders in der heil- und sonderpädagogischen Praxis eine besondere Bedeutung zukommt, die den dezidiert verstehenden Ansatz der Inklusionspädagogik theoretisch herausfordert. Im folgenden sei die  – allerdings gängige – Bestimmung der hier schon mehrfach gebrachten Begriffe von Erklären und Verstehen nachgereicht. Maßgeblich ist hierbei die klassische (Dilthey, 1894) Unterscheidung zwischen Verstehen und Erklären, nach der „die Naturwissenschaften ihr Programm in der Analyse experimentell gerahmter kausaler Beziehungen aufweisen sollten, während die Geisteswissenschaften sich auf den hermeneutischen Prozess des Verstehens der verschiedenartigen Phänomene der menschlichen Geschichte und Artefakte zu konzentrieren haben“ (Liebau & Zirfas, 2006, p. 232), wobei sich heute in den „Kulturwissenschaften neben dem Paradigma des Verstehens auch das der Erklärung etabliert hat“ (Liebau & Zirfas, 2006, p. 232). Auf der Seite der Naturwissenschaften stehen auch die Biowissenschaften, die sich „bisher nahezu ausschließlich auf die Methodologie des Erklärens gestützt“ (Liebau & Zirfas, 2006, p. 239) haben. Zu diesen zählen neben der Biologie und sämtlichen medizinischen Disziplinen auch die Neurowissenschaften und sogar die Psychologie, insofern sie ihre Phänomene durch die „Rückführung auf ein materielles Substrat“ (Liebau & Zirfas, 2006, p. 235) erklären. Das ist bei der „verstehenden Psychologie“ (Dilthey), beispielsweise bei systemischen und verhaltenstherapeutischen Ansätzen, natürlich gerade nicht der Fall. Die besondere Leistung der heil- und sonderpädagogischen Zugänge, die sich an kausalen Erklärungsmodellen orientieren, besteht für die Pädagogik zu allererst darin, von Verstehen (und das bedeutete immer: interpretative Komplexität und Kontingenz) entbinden zu können. Endlich »weiß« man etwas, »hat Fakten« und Gründe (die die systemischen oder allgemein verstehenden psychologischen Ansätze in der Weise nicht bieten), von denen ausgehend professionelles Handeln möglich wird. Das ist aber nicht das Einzige. Noch mächtiger als die Entlastung von kommunikativer Komplexität in pädagogischen Situationen durch Diagnosen ist die mögliche Entlastung von der Zuständigkeit für Probleme und letztlich sogar von Kindern. Erklärende Zugänge beenden radikal pädagogische Kommunikation. Es gilt immer noch, wenn man es auch anders formulieren möchte: „Der Grundbegriff der Pädagogik ist die Bildsamkeit des Zöglings“ (Herbart, 1984, p. 5), vielleicht tatsächlich die „eine Konstante im pädagogischen Denken über den Menschen“ (Behrens, 2008, p. 47) überhaupt. Es ist diese prinzipielle Bildsamkeitshypothese, die trotz aller Misserfolge eine „absichtsvolle Steuerung als Kern der Allgemeinen Pädagogik“ (Koerrenz & Winkler, 2013, p. 53) als sinnvolles Unterfangen erscheinen lässt, und die Feststellung der Stärken, Potentiale und Förderbedarfe der Kinder ist, so nett es jeweils auch formuliert sein mag, vom Grundsatz her unpädagogisch:
„Es müßte ”eigentlich” ein ureigenes pädagogisches Anliegen sein, sich auf das zu orientieren, was aus einem Menschen seiner Möglichkeit nach werden kann und nicht auf das, wie er uns gerade erscheint, daß er sei. Dennoch leiten wir unsere Prognosen und pädagogischen Programme, mithin auch unsere Vorschläge für einen Bildungsgang nahezu unbeirrt aus der starren Fixierung auf die als statisch, defizitär und defekt wahrgenommene Gegenwärtigkeit eines Menschen ab“ (Feuser, 1996).
Anstatt von einer „philosophisch-wissenschaftlichen Verwahrlosung der Heil- und Sonderpädagogik“ (Feuser, 1996), die so etwas tut, zu sprechen, kann man auch funktional ansetzten: Es liegt doch auf der Hand, dass die diagnostische und »besondernde« Praxis auf das oben dargestellte spezifisches Komplexitätsproblem reagiert, d. h. auf die Notwendigkeit, Verstehen zu blockieren. Das interpretative, hypothesenbildende und sinnunterstellende Verstehen eröffnet in jedem Akt mehr Fragen als verfolgt werden können und zeigt immer neue Horizonte an, die untersucht werden könnten – vielleicht sogar sollten. Wie gelingt hier eine sinnvolle, eine legitime Reduktion? Die verstehende Pädagogik würde sagen: gar nicht! – und das Scheitern haben die PädagogInnen zu verantworten, d. h. sich selbst zuzuschreiben, stets mitzubeobachten, zu reflektieren und zu ertragen. Das ist viel verlangt. Erklärende Ansätze bieten hier eine Alternative: positives[16] Wissen. Dieser Versuchung zu unterliegen, bedeutet mindestens eine Korruption, wenn nicht sogar das Ende der Pädagogik, definitiv aber das Ende der Inklusion, die dann nicht mehr nur droht „auf das realpolitische Maß von ‚etwas mehr Integration’ reduziert“ (Dannenbeck, 2012, p. 108), sondern im Extremfall (RTI) zu einem behavioristischen Förderprogramm pervertiert zu werden (vgl. Hinz, 2013).
Zu den Wissensbeständen, mit denen Pädagoginnen und Pädagogen pädagogisch, d. h. eben: verstehend, interpretativ, reflexiv und dialogisch umgehen können sollten, gehören selbstverständlich auch solche, die sich auf medizinische, psychiatrische und psychologische Bereiche beziehen. Unter die Hypothesen, die pädagogische Fachkräfte bilden können sollen, um kindliches Verhalten und ihre Kommunikationserfahrung mit Kindern auslegen zu können, gehören auch die harten biowissenschaftlichen und medizinischen Diagnosen, Klassifikationen und sich als Fakten positionierenden Semantiken und Setzungen. Eine souveräne Pädagogik sieht dieses »Wissen« als eine von vielen Deutungsmöglichkeiten (vgl. im Bezug zur Sozialen Arbeit: Herwig-Lempp, 2006) und ist sich des immensen Risikos bewusst, das darin besteht, kommunikative Strapazen (vgl. Fuchs, 2002) in pädagogischen Interaktionssystemen einer Partei (natürlich nicht sich selbst) kausal zuzuschreiben. Dem heimlichen und unheimlichen Wunsch nach einer positivistisch-expertenhaft zu ziehenden Grenze, jenseits derer man sich als pädagogische Fachkraft nicht mit Kindern und deren Problemen zu befassen habe (sondern psychologische, medizinische und heilpädagogische Fachkräfte), nachzukommen, bedeutete nicht nur eine Abkehr von dem „ganz große[n] Wort“ (Winkler, 2014, p. 108) Inklusion, sondern auch von den Restbeständen des ehemals großen Worts der »humanistischen« Pädagogik.

3. Literatur

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[1] „Als Moral eines Sozialen Systems wollen wir die Gesamtheit der Bedingungen bezeichnen, nach denen in diesem System über Achtung und Mißachtung entschieden wird“ (Luhmann, 1987, p. 319).

[2] Funktionale Analysen „beziehen sich letztlich auf Probleme und suchen Lösungen für diese Probleme zu ermitteln“ (Luhmann, 1968, p. 2). Entsprechen wird auch eine Norm zu einem kontingenten Problemlösungsversuch, der prinzipiell ersetzbar sein muss (vgl. Luhmann, 1968, p. 2). Wenn eine Norm also ein bestimmtes gesellschaftliches Problem löst, sind immer auch andere Lösungen denkbar. 

[3] Versteht man mit Luhmann Komplexität als „Maß für die Unbestimmtheit oder den Mangel an Information: die Information, die dem System fehlt, um seine Umwelt (Umweltkomplexität) bzw. sich selbst (Systemkomplexität) vollständig erfassen und beschreiben zu können“ (Luhmann, 1987, p. 50), ist nicht zu bestreiten, dass Komplexität in pädagogischen Settings enorm ist.

[4] Zum Begriff und Komplexitätsproblem der Interaktion (vgl. Luhmann, 1972).

[5] Kontrolle oder auch nur Steuerungsversuche wären nur unter der Bedingung der Bereitschaft zur Selbsttrivialisierung der Kinder möglich (vgl. Willke, 1998, p. 329)

[6] „Realistischerweise sollte davon ausgegangen werden, dass für maximal drei Teilmengen von Schülern einer Klasse spezifische Varianten des für die gesamte Klasse geplante Unterrichts vorbereitet werden können. Das Unterrichtsangebot ist somit gruppenadaptiv, nicht jedoch individualisierend" (Arnold & Richert, 2008, p. 29).

[7] Um sich zwei Seiten Lektüre zu sparen, beurteile der Leser oder die Leserin selbst, wie die Verwandlung von Lerngegenstand in Aufgabenblatt und von individuellem Schüler zu Niveaugruppenzugehörigem und vom eigenen Lernzugang zum Leistungsniveau zu deuten ist. John Dewey jedenfalls würde sich wundern, was einhundert Jahre nach seinen Erläuterungen zu einem ernstgemeinten pädagogischen Erfahrungs- und Handlungsbegriff (vgl. Dewey, 1916) immer noch oder wieder möglich ist.

[8] Für den außerschulischen Bereich der kulturellen Bildung (vgl. Krönig, 2012).

[9] Wobei die Grenze zwischen Haltung und konkretem didaktischem Ansatz schwer zu ziehen sein kann, insbesondere, wenn die Haltung hoch reflektiert, kritisch und diskursiv angebunden ist, wie beispielsweise bei Georg Feuser (vgl. Feuser, 1996).

[10] Das kann man schon daran ablesen, dass sich im Konzept des Offenen Unterrichts gerade einmal eine von fünf Dimensionen auf so etwas wie Haltung bezieht, nämlich die „persönliche Öffnung“ (Peschel, 2009, p. 77).

[11] Zu dieser Problematik: (Krönig, 2015).

[12] Höchstens die Religionspädagogik hat sich noch nicht entsprechend in der Breite ausdifferenziert. Interreligiöse Pädagogik erscheint zurzeit noch eher ein Thema als eine Disziplin darzustellen.

[13] So könnte man den Anti-Bias-Approach als Erweiterung, Vertiefung und Ergänzung ansehen (vgl. Wagner, 2003) und damit relativ reibungslos anschlussfähig für gängige Praxis.

[14] Auch „Abgrenzungsbestrebungen und standespolitischen Interessen der sonderpädagogischen Profession“ (Hänsel, 2003, p. 605) sind sicherlich nicht ganz von der Hand zu weisen.

[15] Hierzu gehören selbstverständlich die gesellschaftlichen Kontexte, zuallererst sogar eine Selbstbeschreibung der eigenen Funktion in der Gesellschaft und Versuche ein Verhältnis zwischen Autonomie und Leistungserbringung (für andere Systeme) zu erarbeiten. Der Vorwurf, die Beschäftigung mit Pädagogik verliere gesellschaftliche Kontexte aus dem Blick, beruht auf einem eigenartigen Verständnis von Pädagogik, die ja in ihrer ganzen Geschichte gesellschaftlich gedacht war.

[16] Das soll hier nur heißen: nicht diskursiv, nicht perspektivisiert, nicht different.