Monika Wagner-Willi & Tanja Sturm: Inklusion und Milieus in schulischen Organisationen

Abstract: Dieser Aufsatz widmet sich der Präzisierung des Begriffs schulischer Inklusion aus dem Blickwinkel der praxeologischen Wissenssoziologie. Die damit verbundene wegweisende Unterscheidung von kommunikativ-generalisiertem Wissen und konjunktiven Erfahrungen wird anhand der theoretischen Ausarbeitungen Nohls für den organisationalen Zusammenhang der Schule erläutert. Sie stellt die Grundlage für die Rekonstruktion von Inklusions- und Exklusionsprozessen einer Peerkonstellation als Teil des schulischen Organisationsmilieus dar. So kann gezeigt und für die Differenzierung des Begriffs von Inklusion in der Betrachtung schulischer und unterrichtlicher Prozesse festgehalten werden, dass Zugehörigkeit und Ausschluss sich auf der expliziten kommunikativen Ebene ebenso finden wie im Bereich konjunktiver Erfahrungen. Werden diese, in der Praxis zusammenspielenden, Ebenen in die Reflexion/Rekonstruktion schulisch-unterrichtlicher Inklusion einbezogen, kann ein detailliertes Bild der komplexen Situation von Unterrichtsmilieus nachgezeichnet werden, die am Anspruch der Inklusion ausgerichtet sind. Die bestehende Forschungslücke in diesem Bereich wird deutlicher, so die Komplexität des Unterrichtsmilieus in seiner Gänze gefasst wird, also neben der Peerkultur die Milieus der Lehrpersonen und die Unterrichtsfächer in die Rekonstruktion einbezogen sind.

Stichworte: Inklusion, Peerkultur, praxeologische Wissenssoziologie, Dokumentarische Methode, konjunktiver Erfahrungsraum, Unterrichtsmilieu

Ausgabe: 4/2012

Inhaltsverzeichnis
  1. Einleitung
  2. Inklusion
  3. Wissenssoziologische Perspektive auf Schule und Unterricht
  4. Empirische Rekonstruktion von Inklusion/Exklusion
  5. Unterrichtsmilieu und Inklusion in konjunktiver Dimension
  6. Literatur

1. Einleitung

Inklusion, forciert durch die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN, 2006; 2008), etabliert sich zunehmend zu einem Begriff, der im erziehungswissenschaftlichen Diskurs, über die Grenzen der Sonder- und Integrationspädagogik hinaus Verwendung findet (vgl. z.B. Reich, 2012). Innerhalb des Fachdiskurses wurde Inklusion als Terminus aus dem englischen Sprachraum übernommen und hat angefangen, in der deutschsprachigen Diskussion, jenen der (schulischen) Integration abzulösen. Bezieht sich der Begriff Integration in schulischen Zusammenhängen vorwiegend auf die gemeinsame Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderungen respektive sonderpädagogischen Förderbedarf bzw. wurde vorwiegend auf diese verwiesen, geht der Terminus Inklusion, v.a. in seiner Interpretation entlang der menschenrechtlichen Perspektive der UN-Konvention deutlich weiter, wenn Behinderung als eine neben anderen Quellen für Diskriminierung und Benachteiligung gesehen werden (vgl. Ainscow, 2008, S. 241). Damit wird es möglich, die Inklusionspädagogik, die Sonderpädagogik und ihre Positionen mit anderen erziehungswissenschaftlichen Disziplinen inhaltlich-theoretisch stärker zu verknüpfen als dies bisher der Fall war. Zugleich erfordert eine solche Annäherung eine wissenschaftstheoretische Perspektive, aus der heraus Inklusion erklärt und expliziert werden kann. Diesem Interesse möchten wir in diesem Beitrag nachgehen, indem wir den Begriff der (schulischen) Inklusion auf der Basis einer wissenssoziologischen Perspektive im Sinne der theoretischen Ausarbeitungen Karl Mannheims (1980), Ralf Bohnsacks (2010) und Arnd-Michael Nohls (2010), diskutieren bzw. danach fragen, was Inklusion aus dieser, im Wesentlichen praxeologischen Perspektive im Kontext von Schule und Unterricht bedeuten und umfassen kann. Neben der Schärfung und Differenzierung des (derzeit inflationär) gebrauchten Inklusionsbegriff in erziehungswissenschaftlichen als auch bildungspolitischen Zusammenhängen möchten wir – dies spiegelt sich in der Vorgehensweise des Aufsatzes wider – zur empirisch-rekonstruktiven Auseinandersetzung mit Inklusion in schulisch-unterrichtlichen Zusammenhängen anregen. Des Weiteren geht es uns darum, eine praxeologische Betrachtung von schulischer Inklusion anzuregen, da Unterricht in der Organisation Schule jenen Ort darstellt, an dem die unterschiedlichen Akteurinnen und Akteure mit ihren milieugebundenen Erfahrungen und Habitus (Bourdieu 1976, S. 165)[1] aufeinander treffen und gemeinsame wie gegenläufige Praktiken hervorbringen und generieren. Eine bedeutsame, in der Unterrichtsforschung jedoch häufig noch vernachlässigte Ebene bildet hierbei diejenige des habituellen Handelns (Bohnsack & Nohl, 2001) im Kontext der Peergroup, die nicht nur das Geschehen auf dem Schulhof, sondern ganz wesentlich auch Lehr-Lernsituationen des Unterrichts mit prägt (vgl. Breidenstein, 2006; Wagner-Willi, 2007). Die hohe Relevanz der in der Integrationsforschung als „soziale Integration“ bezeichneten Ebene für die schulische Integration wurde verschiedentlich anerkannt (z.B. Huber, 2009), doch greift diese begriffliche Wendung in ihrer Parallelisierung zur Integration auf Ebene der Lehr-Lernsettings zu kurz, da diese selbst durch soziale Interaktionen, peerkulturelle Formen einschließend, strukturiert sind.
Um dem skizzierten Interesse unseres Beitrags nachzugehen, werden wir in einem ersten Schritt die aktuelle Diskussion um den Begriff und den theoretischen Gehalt der schulischen Inklusion skizzieren. Daran anschließend erläutern wir die wissenssoziologisch-praxeologische Perspektive auf Schule und Unterricht als komplexes Zusammenspiel von Organisation und Milieu, von expliziten Regeln und impliziten, habituell verankerten Handlungs- und Wissensstrukturen, in denen Differenzen hervorgebracht und bearbeitet werden. In einem dritten Schritt untersuchen wir mit dieser Perspektive ein empirisches Beispiel, indem wir die Beziehungen und Praktiken von Peers einer Primarschule mit integrativem[2] Selbstverständnis fokussieren – als einen von mehreren sozialen Zusammenhängen schulischer Praxis. Dabei geht es uns auch darum, bereits für diesen Teilbereich die verschiedenen Dimensionen schulischer Inklusion herauszuarbeiten.  Abschließend werden Perspektiven für die weitere Erforschung von Inklusion in der erziehungswissenschaftlichen und insbesondere der Unterrichtsforschung formuliert.

2. Inklusion

Die Verwendung des Begriffs Inklusion löst in der deutschsprachigen Diskussion jenen um Integration auf der wörtlichen Ebene ab, auf der inhaltlichen greift sie den Diskurs um die gemeinsame Unterrichtung von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung auf und erweitert diesen. Innerhalb des inklusionspädagogischen Diskurses wird für das Konzept der schulischen Inklusion der Anspruch formuliert, Schule und Unterricht gerechter zu gestalten, mit einem Fokus auf die Überwindung von Diskriminierung von Schüler/-innen auf Grund spezifischer sozialer Milieuzugehörigkeiten, wie z.B. von Ethnie, Geschlecht, Behinderung (Ainscow, 2008, S. 240 ff.; Werning, 2010, S. 284). Die Hinwendung zur Frage der Gerechtigkeit im Kontext von Schule und Unterricht ist keine neue, wie der deutschsprachige Diskurs der 1970er Jahre zeigt, in dem das Thema entlang des Begriffs der Chancengleichheit bereits diskutiert wurde (vgl. Lindmeier, 2011, S. 124). In der Integrationspädagogik wurde dieser v.a. im Kontext schulischer Integration aufgegriffen (vgl. z.B. Feuser 1998; Eberwein & Knauer 2009). Mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN, 2006; 2008) durch alle Staaten der Europäischen Union einerseits und der Offenlegung sozialer Ungleichheiten im Bildungssystem durch die PISA-Studien andererseits, wurde die Thematik erneut aktuell und mit dem Begriff der Bildungsgerechtigkeit (vgl. Stojanov, 2011) bzw. equity (vgl. Ainscow et al., 2008; OECD 2010) belegt. In Berücksichtigung gesellschaftlicher Bedingungen von Behinderung und Fragen der Bildungsgerechtigkeit entwickelte sich im deutschsprachigen und internationalen Raum der Anspruch der Inklusion (vgl. z.B. Allen & Slee, 2008; Lindmeier, 2011; Reich, 2012). Dabei gelangten auch die verschiedenen sozialen Ungleichheitslagen in ihrer Multiplikation und Wechselwirkung mit besonderen Bildungsbedürfnissen bzw. der Kategorie Behinderung in den Fokus der Inklusiven Pädagogik (vgl. Katzenbach & Schroeder, 2007; Schildmann, 2012; Ainscow et al., 2008), welche sich auch mit dem Ansatz der Disability Studies verbinden (vgl. Moore & Slee 2012). Diese Entwicklungen führen dazu, dass für sonder- oder integrationspädagogische Diskussionen und Positionen stärker als zuvor, die Möglichkeit besteht, sich in theoretischer Hinsicht mit anderen Differenzdimensionen zu verbinden. Zugleich hebt dies die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Position heraus, aus der Behinderung respektive Differenz und auch Inklusion konzipiert werden.
Gegenwärtig lässt sich zudem eine Suchbewegung in Richtung Intersektionalitätsforschung (vgl. Lutz et al., 2010) beobachten: So wird eruiert, inwiefern sich die Intersektionalitätsforschung als theoretische Fundierung zur Erfassung sozialer Ungleichheitslagen in den Forschungsfeldern der Inklusiven Pädagogik eignet (Schildmann, 2012), wenngleich noch ungeklärt scheint, wie innerhalb dieses theoretischen Rahmens überhaupt Behinderung zu verorten wäre. Auch im Kontext der qualitativen Schul- und Unterrichtsforschung – unter anderem in Konsequenz der Erkenntnisse aus Studien, die auf Überlagerungen und Wechselwirkungen sozialer Differenzkategorien (vgl. West & Fenstermaker, 1995) verweisen – gewinnt die Intersektionalitätsforschung an Bedeutung. Eine solche Ausrichtung haben bereits Leiprecht & Lutz (2005) in Anerkennung der „Heterogenität als Normalfall“ (ebd., S. 232) am Beispiel der Analyse eines unterrichtsbezogenen Spielfilmes für die erziehungswissenschaftliche Forschung gefordert. Mehrere aktuelle Forschungsprojekte im Bereich der Schule verorten sich explizit im Ansatz der Intersektionalitätsforschung (vgl. Wellgraf, 2011; Meuser, 2012; Pfaff, 2012). Dieser Ansatz bietet gewisse Anknüpfungspunkte für Fragestellungen, die Inklusions- und Exklusionsprozesse in Bildungseinrichtungen fokussieren. So liegt der gegenüber integrationspädagogischer Forschung vorgenommene Fokuswechsel der Inklusionsforschung sowohl in einer expliziteren Erweiterung des Adressatenkreises der Inklusionspädagogik begründet, welcher „alle Kinder“ einbezieht, als auch in dem Blick auf verschiedene Dimensionen der Exklusion/Inklusion: „as it shiftet it’s focus to consider the pursuit nature of exclusion in and through education“ (Allan & Slee, 2008, S. 33). Ein solcher Fokuswechsel findet sich auch in der, ursprünglich in der Genderforschung verwurzelten, Intersektionalitätsforschung. An dieser expliziten Verschiebung der Ausrichtung von der Adressatenorientierung hin zu einer situationsbezogenen Perspektive auf Inklusions- und Exklusionsprozesse seitens der Inklusionspädagogik und darauf bezogener Forschung knüpft sich auch die Forderung nach Loslösung von der Kategorie der „special educational needs“ an (vgl. Moore & Slee, 2012, S. 237 ff.). Wenngleich Prinzipien Inklusiver Pädagogik im Sinne des Anspruchs einer „Schule für alle“  sowohl in schweizerischen Bildungsprogrammen (vgl. z.B. DfES, 2001; EDK, 2007) als auch in den deutschen KMK Empfehlungen zur Inklusiven Bildung eine deutliche Stringenz noch missen lassen, so ist doch zumindest die Möglichkeit gemeinsamen Unterrichts in ihr proklamiert (vgl. Kultusministerkonferenz, 2011; Menschenrechte, 2011). Diese Umsetzung ist kritisch zu betrachten, insbesondere im Kontext des internationalen Trends zur Standardisierung von Bildung (vgl. Allan & Slee, 2008, S. 37 ff.; Rödler, 2012), den zunehmend marktorientierten Wettbewerbsverhältnissen zwischen den Schulen, die zur Verschärfung der Benachteiligung von Schüler/-innen aus sozial benachteiligten Milieus führen (vgl. Ainscow et al., 2006, S. 12, 33f.; Herz, 2010, S. 31 ff.) und auf Grund regionaler Disparitäten, welchen mit ressourcenarmen bildungspolitischen Maßnahmen kaum begegnet werden kann (vgl. Dyson et al., 2011, S. 76ff.).
In diesem Zusammenhang problematisieren Richardson und Powell (2011) nicht nur die bisher geringe Wirkung des zur globalen Norm avancierten Anspruchs der Inklusiven Pädagogik (vgl. ebd., S. 226), sondern auch die große Varianz ihrer Umsetzung zwischen den Nationen, sogar innerhalb Westeuropas (vgl. ebd., S. 226ff.). Ainscow (2008, S. 240 ff.) sieht in den Lehrpersonen den Schlüssel zur Transformation hin zu einer inklusiven Schule (vgl. auch Florian & Rouse, 2010, S. 187) und stellt fest, dass die international beobachtbaren inklusionspädagogischen Reformbemühungen nicht von den notwendigen Veränderungen der Organisation der Regelschule, seines Curriculums, seiner Lehr- und Lernstrategien begleitet wurden. In seinem gemeinsam mit Booth entwickelten und inzwischen überarbeiteten Index for Inclusion (Booth & Ainscow 2011) wird der Versuch unternommen, ein solches Curriculum inhaltlich zu füllen (vgl. Booth 2012). Diese sind als Orientierungsgrundlage für die Praxis und zur Selbstevaluation von Schulen konzipiert. Solche normativen Vorgaben oder handlungsleitenden Regeln und „Standards“ inklusiver Praxis (vgl. Reich, 2012) eignen sich jedoch dann kaum für die Erforschung der Unterrichtspraxis inklusiver bzw. exklusiver Schulformen, wenn diese über die bisherige Fokussierung der Integrationsforschung: den Bereich der Evaluationsforschung (vgl. Opp et al. 2004) hinausgehen und das Potenzial rekonstruktiver Unterrichtsforschung ausschöpfen möchte.
Allan und Slee (2008, S. 53 ff.) verweisen für die (Inklusions-)Forschung auf eine Unhintergehbarkeit ihrer ideologischen Prägung, der Forscher/-innen in differierendem Reflexionsgrad begegnen – was auch Implikationen für die Reflexion des methodischen Vorgehens mit sich bringt. Unseres Erachtens bietet gerade die praxeologische Wissenssoziologie einen geeigneten Ansatz für die Rekonstruktion lernsituativer Inklusions- und Exklusionsprozesse, da sie methodologisch die Standortgebundenheit (Mannheim, 1980, S. 212) sowohl der Forschungssubjekte wie der Forschenden selbst reflektiert hieraus methodische Konsequenzen zieht und zudem die Auseinandersetzung mit der Intersektionalität im Sinne einer Mehrdimensionalität sozialer Erfahrungsräume zu ihren methodologischen Grundbausteinen zählt.
Unsere Betrachtung schulischer Inklusion geht damit weit über ein Verständnis hinaus, das diese als erfüllt sieht, so alle Schülerinnen und Schüler eine gemeinsame Schule besuchen. Auf das in Schule und Unterricht bestehende Organisationsmilieu und seine Formen der In- und Exklusion einzelner Schüler/-innen oder sozialen Gruppen von Schüler/-innen richtet sich unser Erkenntnisinteresse.

3. Wissenssoziologische Perspektive auf Schule und Unterricht

In der wissenssoziologischen Perspektive wird zwischen zwei Wissensformen unterschieden, dem konjunktiven und dem kommunikativen Wissen (Mannheim, 1980, S. 285 ff.). Das kommunikative Wissen umfasst jenes, das uns in Form von Worten als auch nonverbalen Symbolen zur Verfügung steht. So wissen andere, wenn wir den Begriff „Buch“ verwenden, dass wir uns auf ein Bündel gebundener Blätter beziehen, die mit Schrift und/oder Bildern bedruckt sind. Zu Symbolen im nonverbalen Bereich können beispielsweise Kleidungsstücke, wie etwa ein Kleid, gezählt werden. In der europäischen Kultur wird dieses Kleidungsstück als kulturelle Repräsentation der Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht gedeutet. Das konjunktive Wissen hingegen beschreibt Erfahrungswissen, das einzelne durch die Beziehung zu anderen Personen und/oder zu Gegenständen gemacht haben, so beispielsweise die Kindheitserfahrung, aus Büchern vorgelesen zu bekommen. In der je konkreten Situation wird die Erfahrung einer sozialen Beziehung, gemeinsam eine Geschichte zu verfolgen, und einer „Kontagion“ (ebd., S. 207 ff.) d.h. einer existentiellen Bezogenheit auf den Gegenstand ‚Buch’, der diese bereit hält, gemacht. Derartige Erfahrungen, die Mannheim als „konjunktive“ (ebd., S. 215f.) bezeichnet, d.h. einander existentiell verbindende Erfahrungen stehen nicht notwendigerweise begrifflich reflexiv zur Verfügung. Sie machen einen wesentlichen Teil menschlichen Wissens aus. Sie sind zugleich orientierende Grundlage für Praktiken und Handlungen, in die sie einfließen.
Die diesen wissenssoziologischen Forschungsansatz repräsentierende Dokumentarische Methode ist mit ihrer genetischen Analyseeinstellung (ebd., S. 85) zum einen darauf gerichtet, die Normen und Werte der Forschungssubjekte, die ihr Handeln leiten, einzuklammern und zugleich den praktischen Prozess der Konstruktion sozialer Phänomene selbst zu re-konstruieren. Sozialkonstruktivistisch geprägte Studien einschließlich solcher, die mit der Methodologie einer intersektionalen Mehrebenenanalyse (vgl. Winkler & Degele 2009) arbeiten, nehmen ebenfalls eine solche Beobachtung zweiter Ordnung (Luhmann 1990, S. 86) vor. Während letztgenannte jedoch eher die sozialen, alltagstheoretischen Konstruktionen fokussieren, liegt der Analyseschwerpunkt der praxeologischen Wissenssoziologie auf der Rekonstruktion der Prozesse und Strukturen habitualisierter sozialer Alltagspraxis, und die ihr zugrundeliegenden impliziten, erfahrungsbasierten Wissensformen. Deren Bedeutung wird in der Schulforschung grundsätzlich anerkannt und zugleich als Forschungslücke identifiziert (vgl. Baumert & Kunter 2006, S. 483ff.). Der darauf gerichtete praxeologische Ansatz ist inzwischen in verschiedenen erziehungswissenschaftlichen Teilgebieten etabliert, die sich mit o.g. Erfahrungsdimensionen und Differenzkategorien auseinandersetzen (vgl. Nohl 2001; Schittenhelm 2005; Kubisch 2008). Wie oben angedeutet, liegt das Spezifische der praxeologischen Wissenssoziologie darin, dass von einer Mehrdimensionalität der Erfahrung und der beobachtbaren Praxis ausgegangen wird. Daher bietet sie u.E. auch eine methodische Basis für Fragestellungen, die auf „Heterogenität als Normalität“ gerichtet sind, und eignet sich gerade auch für Forschungsfragen einer inklusiven Pädagogik (Wagner-Willi, 2008; Sturm & Schwohl, 2012).
Im Kontext der Interkulturellen Pädagogik hat Nohl (2007) hierzu eine fundierte theoretische Differenzierung zwischen Organisation und Mitgliedschaft, Milieu und Zugehörigkeit und die Überlagerung von Organisation und Milieu vorgelegt, die den Unterschied zwischen den Wissensformen aufgreift und auf die spezifische Situation von Organisationen überträgt. Zunächst ist theoretisch zu differenzieren zwischen den expliziten, formalen Regeln bzw. „kommunikativen“ Wissensbeständen in Organisationen einerseits und impliziten, in „konjunktiven Erfahrungsräumen“ fundierten habituellen Formen ihrer Umsetzung in Praktiken andererseits (vgl. Mannheim 1980, S. 211ff., S. 285ff.; Nohl 2007, S. 66). Die den Praktiken zu Grunde liegenden konjunktiven Erfahrungsräume sind, wie oben bereits angesprochen, mehrdimensional zu fassen (Bohnsack, 2010, S. 141ff.; S. 187ff.). So verbindet sich beispielsweise die Erfahrungsdimension des weiblichen Geschlechts von Schülerinnen der Sekundarstufe I mit ihren altersspezifischen Erfahrungen der Adoleszenz und ihren kulturspezifischen Erfahrungen.
Die konjunktiven Erfahrungsräume eines Milieus stehen in bestimmten Relationen zu denen anderer sozialer Gruppen, z.B. wenn sich eine jugendkulturell orientierte Mädchengruppe von Spielpraktiken jüngerer Mädchen-Peergroups abgrenzt. Konjunktive Erfahrungsräume/Milieus sind dabei nicht als zu verdinglichende „heterogene“ soziale Strukturkategorien festzuschreiben, sondern als die Beteiligten „verbindenden dynamischen Nexus“ (Mannheim 1980, S. 214) zu begreifen. Die von der konjunktiven Sinnebene der Milieus zu unterscheidende „kommunikative Ebene“ (ebd., S. 289) von Organisationen wird durch formale Regeln konstituiert, die für ihre Mitglieder normativ verbindlich sind. Diese „definieren als formalisierte Verhaltenserwartungen Rollen, die von all jenen, die Mitglied der Organisation sind, respektiert werden müssen, sofern sie nicht ihre Mitgliedschaft riskieren möchten“, wie Nohl (2007, S. 66) ausführt. Für den schulischen Zusammenhang sind dies insbesondere die Lehrer- bzw. die Schülerrollen, die als solche, in ihrer hierarchischen Konstellation, zu respektieren sind. Die Rolle der Lehrpersonen ist eng mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag verknüpft. Dieser prägt das soziale Zusammenkommen im Unterricht bzw. konkretisiert den gesellschaftlichen Auftrag von Schule. Orientiert ist dieser an den vier Grundfunktionen der Schule – kulturelle Reproduktion, Qualifikation, Allokation sowie Integration- und Legitimation (Fend, 2008, S. 49 ff.). Diese gesellschaftlichen Aufgaben der Schule finden ihren Ausdruck in den konkreten formalen Regeln. Der Umgang mit diesen kann nun durch die in der Organisation vorzufindenden Milieus bestimmt sein. So wird etwa der Umgang mit den Verhaltens- und Leistungserwartungen, welche an die Schülerrolle gekoppelt sind, von Schüler/-innen im Kontext ihrer bisherigen sozialen Erfahrungen höchst unterschiedlich aussehen. Zudem bildet sich innerhalb Organisationen dort, wo die formalen Regeln in ihrer praktischen Umsetzung (in informelle Regeln) gemeinsam getragen und konkretisiert werden, ein Organisationsmilieu heraus, das die gemeinsame Praxis, z.B. des Lehrerkollegiums, strukturiert. Spezifische Milieus innerhalb der Organisation können dabei mit dem Organisationsmilieu in Widerstreit stehen und sich als „Unterleben“ (vgl. Goffman 1973, S. 194) artikulieren (vgl. Nohl 2007, S. 66ff.). Wie andere soziale Milieus sind auch Organisationsmilieus heterogen und mehrdimensional. So ist das soziale Milieu der Schüler/-innen von dem des Lehrerkollegiums einer Schule zu unterscheiden.

Abbildung 1: Organisationsmilieus und Milieus in Organisationen (Nohl 2010, S. 207)

Auch Bonnet (2011) bezieht sich auf das wissenssoziologische Konzept der konjunktiven Erfahrung und seine Unterscheidung zu kommunikativen Wissensbeständen und betont explizit dessen Potenzial für die fachdidaktische Forschung. Dieses Konzept wie die organisationstheoretische Differenzierung von Organisationsmilieu und Milieus in Organisationen bieten unseres Erachtens eine angemessene theoretische Grundlage für Forschungsansätze, die der Herstellung und Bearbeitung von Differenz im Kontext von Schule und Unterricht und damit verbundener lernsituativer Inklusions- und Exklusionsprozesse nachgehen.

4. Empirische Rekonstruktion von Inklusion/Exklusion

In der Alltagspraxis von Schule und Unterricht sind also unterschiedliche konjunktive Erfahrungsräume bzw. Milieus und institutionalisierte Rollen miteinander verwoben: die mehrdimensionalen, durch Herkunft und Professionserfahrungen bedingten Milieus von Lehrenden sowie ihre institutionalisierten Rollen, die mehrdimensionalen, durch Herkunft und Peerkultur bedingten Milieus der Kinder oder Jugendlichen, ihre institutionalisierten Rollen als Schüler/-innen und das je konkrete Organisationsmilieu. Im Folgenden werden wir uns einem als in der Schul- und Unterrichtsforschung weitgehend vernachlässigten Teilbereich dieser komplexen Alltagsrealität: den konjunktiven Erfahrungsräumen der Schüler/-innen zuwenden und diese im Hinblick auf die erkenntnisleitende Fragestellung der Hervorbringung und Bearbeitung von Differenz in einem inklusiven Schulsetting näher beleuchten.
Das hier vorzustellende empirische Material entstammt der zwischen 2006 und 2009 an drei Schulen des Kantons Zürich durchgeführten Erhebung der Studie „Alltagspraxis und Heterogenität an integrativen Primarschulen“. Die Schulen zeichneten sich durch ein integratives Selbstverständnis und eine entsprechende mehrjährige Praxis[3] des Einbezugs von ansonsten ausgesonderten Kindern mit besonderem Förderbedarf aus – das heißt, bereits vor der Umsetzung des 2005 von den Bürger/-innen des Kantons Zürich beschlossenen Neuen Volksschulgesetzes mit seinem Primat „Integration vor Separation“. Zielsetzung der Studie ist die Rekonstruktion der alltäglichen Praxis integrativer Schulen (4.-5. Jahrgang) im Spannungsfeld zwischen Peerkultur und schulisch-institutionellen Normen. Im Zentrum steht hierbei die Frage, wie in Interaktionssystemen der Peergroupkultur und des Unterrichtsgeschehens Heterogenität hervorgebracht und bearbeitet wird und in welcher Relation dies zur (institutionellen) Differenzkategorie des „besonderen Förderbedarfs“ (vergleichbar dem „sonderpädagogischen Förderbedarf“) steht. Die qualitativ angelegte empirische Studie nimmt einen kontrastiven Vergleich von Schulen vor, die in unterschiedlichen sozialen Rahmenbedingungen arbeiten (sozial benachteiligte/privilegierte Milieus), um eine Relationierung differenter Milieus und Problemlagerungen der Schüler/-innen zu ermöglichen. Neben Videografien zum Unterricht wurden Gruppendiskussionen mit allen Kindern der insgesamt fünf Schulklassen der „Mittelstufe“, d.h. der Jahrgangsstufen 4 bis 6, erhoben und mit der Dokumentarischen Methode der Interpretation ausgewertet. Zentral für dieses sequenzanalytische Verfahren sind die nacheinander vorgenommenen Arbeitsschritte der formulierenden und der reflektierenden Interpretation ausgewählter, transkribierter Passagen einer Gruppendiskussion. Der erste Arbeitsschritt geht dem „Was“, d.h. dem Inhalt einer Passage und seiner thematischen Feingliederung nach. Er arbeitet den wörtlichen Gehalt, und das meint: den kommunikativ-generalisierten Bedeutungsgehalt, des Transkripts heraus. Demgegenüber ist die reflektierende Interpretation auf das „Wie“, den modus operandus gerichtet, d.h. hier wird die Art und Weise beleuchtet, wie das betreffende Thema bearbeitet wird. Ziel ist es hierbei, den durch konjunktives Wissen bzw. durch konjunktive Erfahrung hervorgebrachten Orientierungsrahmen der betreffenden Gruppe zu rekonstruieren (Bohnsack, 2010, S. 129 ff.).
Die folgend vorgestellte Gruppendiskussion entstammt einer Jungengruppe der jahrgangsübergreifenden Mittelstufenklasse einer großstädtischen Ganztagsschule (5.-6. Jahrgang), welche allerdings in den Fächern Mathematik und Deutsch in Jahrgangsgruppen unterrichtet wird. Die 21 Schüler/-innen der Klasse kommen überwiegend aus einem wohlhabenden, bildungsnahen Milieu, viele der Eltern haben eine akademische Ausbildung genossen.
Die Zusammensetzung der Gruppen für die Gruppendiskussionen geschah nach Selbstwahl der Kinder: Sie wurden von der Diskursleiterin (Monika Wagner-Willi) ohne jegliche Vorgabe gebeten, sich nach eigenem Belieben in den Gruppen zusammenzufinden, in denen sie die Gruppendiskussionen führen möchten. Es bildeten sich in dieser Klasse hierauf sofort zwei Jungen- und zwei Mädchengruppen, d.h. die Geschlechtszuordnung war in dieser, wie auch in allen anderen Klassen, ein wirksames Differenzkriterium der klassenübergreifenden Peergroupkultur. Ein Junge dieser Klasse (Mm[4] in der Gruppendiskussion) blieb jedoch außen vor, er stand nicht von seinem Platz auf und legte seinen Kopf in die Arme auf den Tisch. Er blieb zunächst allein, bis ein Junge (Cm der Gruppendiskussion) aus einer der beiden Jungengruppen nach ihm rief, ob er nicht bei ihnen mitmachen wolle, woraufhin er zu dessen Gruppe stieß, deren Gruppendiskussion nachfolgend vorgestellt wird. Fünf der sechs Jungen dieser, mit dem Namen „Familie“ bezeichneten[5], Gruppe sind 12 Jahre alt, ein Diskursteilnehmer ist 14 Jahre alt, drei der sechs Jungen haben jeweils ein Elternteil mit Migrationserfahrung (englischer, türkischer und US-amerikanischer Herkunft).
Gemäß den reflexiven Prinzipien des Gruppendiskussionsverfahrens stellt die Diskursleitung in einer offenen Form eine Eingangs- und im späteren Verlauf thematische Nachfragen, nimmt insgesamt jedoch eine zurückhaltende Zuhörerrolle ein. Das heißt, sie überlässt der Gruppe selbst die Art und Weise der inhaltlichen Bearbeitung der Frage und die Verteilung der Redebeiträge. Auch wenn die Gruppe eine Verschiebung des von der Frage berührten Themas vornimmt, interveniert die Diskursleitung nicht, da das Verfahren darauf gerichtet ist, die Relevanzsetzungen der Gruppe selbst rekonstruieren zu können (vgl. Bohnsack 2010, S. 207ff.). Thematisch waren die in den Gruppendiskussionen gestellten Fragen auf die gemeinsamen Erfahrungen, Wahrnehmungen und Praktiken in der Schule bezogen. Im Diskurs der Gruppe Familie gibt es zwei Passagen, die einen selbstläufigen, interaktiv dichten Charakter haben. Die eine Passage dreht sich um die damals aktuelle, von den Jungen praktizierte peerkulturelle Aktivität des „Paninibilder“-Sammelns und -Tauschens, also vom Hersteller „Panini“ im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft angefertigte handgroße Karten, welche Fotos von Spielern oder Wappen der verschiedenen Nationalmannschaften zeigen. Die andere Passage wird durch ein Diskursmitglied initiiert, der sich an Mm wendet, welcher sich während knapp der ersten halben Stunde der Gruppendiskussion weder in der Passage zu den Paninibildern noch in anderen Abschnitten äußerte[6]:
Gruppe Familie, Passage Schulbesuch, Zeilen 1-7



Zur Erleichterung des Verständnisses der Dialektwendung des Schweizerdeutschen erfolgt jeweils nach den Transkriptauszügen eine Übersetzung der wörtlichen Rede ins Hochdeutsche unter Auslassung von Pausen, Lachen etc., gleichzeitige Äußerungen werden entsprechend der Abfolge ihres Auftretens nacheinander dargestellt:
Jm: Markus, willst Du noch etwas sagen? / Mm: Eh hä hä eigentlich bi- eigentlich bin ich der Längste i dieser Schule / Yw: Ahaa okay /Mm: Ja also ich bin schon dort in der ersten Klasse gewesen / Dm: Markus (muss jetzt)
Mit Jms Erkundung von Mms Redewunsch wird mehreres deutlich: Erstens, Mm hat nicht oder kaum am bisherigen Diskurs als Redner teilgenommen. Zweitens, die Redezuweisung erfolgt nicht nach den selbstverständlich eingespielten Basisregeln von Alltagsgesprächen, wie sie von der Gruppe bisher praktiziert wurde, denn dann würde Mm durch körperliche und/oder sprachliche Ausdrucksmittel einen von ihm gewünschten turn anzeigen und übernehmen. Vielmehr verläuft die Redezuweisung explizit, d.h. auf Grund einer kommunikativen Verständigung. Auf performativer Ebene zeigt sich damit, dass Mm nicht als Akteur des eingespielten Diskurses eines gemeinsamen konjunktiven Erfahrungsraumes wahrgenommen und behandelt wird, sondern mit besonderer Höflichkeit bedacht wird, wie sie eher außenstehenden Interaktionspartnern zuteil wird, worin sich eine eher reflexive, kommunikative Beziehung (vgl. Mannheim 1980) dokumentiert. Hier reproduziert sich die einbeziehende Geste, als Mm im Vorfeld der Gruppendiskussion explizit zur sich ansonsten spontan und umstandslos formierenden Jungengruppe eingeladen wurde. Mit der ausdrücklichen Einbeziehung von Mm in den aktualen Diskurs wird seinem Redebeitrag zudem eine besondere Wichtigkeit eingeräumt, da sein potenzieller Redewunsch explizit berücksichtigt wird. Die Art und Weise, wie dies geschieht, lässt jedoch ein asymmetrisches Verhältnis erkennen. Jm übernimmt hier gegenüber Mm eine Rolle, wie sie etwa von der Diskursleitung gegenüber der Gruppe oder von einer Lehrperson in individuell adressierender Gesprächsführung ausgeübt werden könnte. Mm nimmt die kommunikative Zuweisung des nächsten Redebeitrags aktiv an. Er entspricht auf formaler Ebene den an ihn herangetragenen Erwartungen.
Mit der Heraushebung auf formaler Ebene des Diskurses korrespondiert die von Mm präsentierte Selbstsituierung als quasi Alteingesessener der Schule. Als Kontextinformation sei hier erwähnt, dass die anderen Diskursteilnehmer – mit Ausnahme von Em – erst nach dem ersten Schuljahr in die Klasse eingetreten sind: Cm und Jm im laufenden Schuljahr, Dm seit dem fünften und Sm seit dem dritten Schuljahr. Die Dauer des Besuchs dieser Schule wird zu einem alles und alle überragenden Merkmal von Mm. Er weist sich damit selbst einen positiven sozialen Status zu: Alteingesessene genießen mehr implizite Rechte als „Neulinge“ und zeigen eine größere Erfahrung und Verbundenheit mit dem sozialen Ort. Zugleich wertet Mm damit implizit seine Aussagen zum Gegenstand Schule von vornherein auf: Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung, die bis in die erste Klasse der Schule reicht, sind seinen Aussagen eine besondere Gültigkeit beizumessen. Die mit der expliziten Aufnahme in den Gruppendiskurs verbundene Besonderung wird so von Mm inhaltlich durch Selbstaufwertung umgearbeitet.
Im weiteren, hier nicht abgedruckten, Abschnitt (Zeilen 7ff.) erläutert Mm, der von der medizinischen Diagnose „Trisomie 21“ betroffen ist, dass er von der ersten Schule, die er besuchte, „ausgeschlossen“ wurde, woraufhin ihn seine Mutter in die hiesige, gerade im Aufbau befindliche Schule einschulen ließ. Mm verweist also auf die mit der Geschichte der Schule verwobene, im Vergleich mit seinen Mitschülern länger zurückreichende persönliche Geschichte. Dezidiert erläutert er dann seinen Aufstieg innerhalb der hiesigen Schule:
Gruppe Familie, Passage Schulbesuch, Zeilen 23-35



Mm: und dann bin ich doch in die Schule gekommen /Yw: Mhm /Mm: und dann bin ich weiter rauf bis fünfte Klasse herauf / Em: Aber die vierte hast du noch wiederholen müssen und die erste, soweit ich’s weiß. / Mm: Nein ich habe übersprungen / Em: Stimmt, die vierte hast Du die vi- ja die viert hast Du übersprungen aber die erste nicht / Mm: die erste nicht, eben.
Seine weitere schulische Karriere stellt Mm als einen Aufstieg nach oben („ruff“, „uffe“) dar. Das Lachen macht die Freude deutlich, die mit diesem schulischen Aufstieg in die oberen Klassen der Primarstufe verbunden ist. Erkennbar ist eine Orientierung an der Normalität institutioneller Ablaufmuster entlang der Klassifizierung nach Jahrgängen. Diese Darlegung wird nun durch Em eingeschränkt. Er wirft ein, Mm habe zwei Jahrgangsstufen wiederholen müssen. Er bringt damit den Faktor Leistung bzw. Jahrgangsziele und das Scheitern daran ins Spiel und weist somit Mm in seiner positiven, fast euphorischen Darstellung seiner Schullaufbahn in gewisse Schranken. Zugleich zeigt er mit seiner Formulierung „so wit (weit) ich’s weiss“ eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich des darzustellenden Sachverhalts. Hier nun kontert Mm in einer ähnlich positiven Selbstpräsentation wie zu Beginn der Passage mit einer verblüffenden Feststellung: Er habe statt zu wiederholen „übbersprunge“, also nicht die für den betreffenden Jahrgang bestehenden Lernziele verfehlt, sondern genau umgekehrt: übertroffen. Mm begegnet der durch den Mitschüler vorgenommenen Konstruktion von Inkompetenz mit einer antithetischen Konstruktion von überragender Kompetenz.
Hier wiederholt sich dann das interaktive Muster der Korrektur von Sachverhaltsdarstellungen einerseits wie der damit verbundenen Abwertung, andererseits: Mm wird in seiner euphorischen, alles überragenden positiven Darstellung seiner Schullaufbahn in die Schranken gewiesen. Er habe zwar die vierte, aber nicht die erste Klasse übersprungen. Die Reaktion von Mm zeigt zugleich eine gewisse Form der Entproblematisierung der aufgetretenen Deutungsdifferenz, er bestätigt in lachender Rede die Korrektur als etwas, das er ohnehin voraussetzt: „ebbe“ (eben).
Dieser Abschnitt bringt also deutlich eine, auf Ebene der konjunktiven Erfahrungsgemeinschaft bzw. des habituellen Handelns angesiedelte Differenz der Gruppe gegenüber Mm zum Ausdruck. Demgegenüber findet die Gruppe im Hinblick auf das Verhältnis zur institutionalisierten Regelstruktur der Schule eine Gemeinsamkeit mit Mm. Zunächst wird wieder an ihn eine Erzählaufforderung adressiert:
Gruppe Familie, Passage Schulbesuch, Zeilen 67-83



Sm: Markus erzähl einmal von deinen Tricks wenn wir in die Bibliothek gehen (ja) mit dem Siebzehner /Mm: Ja (ich habe) (    ) einen guten Trick / Dm: oder mit dem Zwölfer / Mm: Nein auf den Siebzehner. /Dm: Auf den Zwölfer geht auch /Dm: Ja der Zwölfer geht auch aber der geht weiter. / Dm: Da musst Du aussteigen / Mm: Da muss ich auch noch aussteigen. / Em: Der geht wenn wir zu Fuß gehen geht der mit der Tram. /Sm: (         ) is schon en Schlauer, hä /Yw: mhm / Sm: Wenn’s der Herr Jonas nicht merkt. / Cm: Nein er sagt ihm auch: Ich schaffs schon Herr Jonas und da geht er auf den auf den Zug.
Mit der, diesmal von Sm, formulierten Erzählaufforderung mit inhaltlicher Vorgabe wird Mm und seine „Trickli“ der Zuhörerin bzw. der Diskursleiterin geradezu als Attraktion vorgeführt. Die Beschreibung des Handelns von Mm, das mit dem Begriff des ‚Tricksens’ verbunden wird, löst dabei eine Belustigung der Gruppe, einschließlich Mm, aus (vgl. Z 68-72). Mm nimmt die ihm zugetragene Diskursrolle an und reformuliert amüsiert die Aussage von Sm. Zugleich setzt auch der Diskursteilnehmer Dm belustigt mit der Beschreibung ein und nennt alternativ zu Sm eine Straßenbahnlinie, die Mm für seine Wegbeschreitung nutzt. Die anfängliche Uneinigkeit über die Nutzung der Straßenbahnlinie 12 wird durch Mm synthetisch aufgelöst: Im Unterschied zur Linie 17 muss er bei der Linie 12 „au no uusstiege“ – das verblüfft. Denn dies ist ja auch bei der anderen Linie der Fall. Worauf Mm anspielt, ist, dass er rechtzeitig aussteigen muss, da die Linie 12 weiterfährt (Z 75/76) und nicht, wie die Linie 17, am Endbahnhof angelangt, wo er in aller Ruhe aussteigen kann. Zugleich pointiert die Formulierung von Mm ironisierend die Bequemlichkeit als ein Element dieser Beschreibung. Denn während die Mitschüler den Weg offenbar mühevoll zu Fuß (siehe Zeile 59) bestreiten, wählt Mm die Straßenbahn als ein leichteres Mittel der Fortbewegung. 
Der Diskursverlauf ist hier interessant. Mm wird zwar zur Erzählung aufgefordert, es ist jedoch die Gruppe, die der Diskursleiterin den „Trick“ von Mm vermittelt, nach dem kurzen antithetischen Diskurs zur Möglichkeit der Verwendung der beiden genannten Straßenbahnlinien, bei der Mm gleichsam sein Verhalten erklärt, statt Gelegenheit zu haben, es zu erzählen. Das heißt: Mm wird der nötige Raum zur Erzählung doch nicht geboten, vorübergehend wird der Diskurs gar unter Ausschluss von Mm selbst geführt, indem über ihn erzählt wird (Zeilen 77ff.). Zur beschriebenen Situation gehört zunächst, dass der Lehrer, Herr Jonas, damit rechnet, dass Mm einige Mühe bei der Überwindung des Weges zu Fuß zur Bibliothek hat und sich diesbezüglich bei ihm vergewissert. Der erläuterte „Trick“ von Mm besteht nun darin, den Lehrer zu beschwichtigen und das offenbar bestehende Beobachtungsschlupfloch, das durch den Ausflug der Schüler/-innen mit ihrem Lehrer entstanden ist, zum Straßenbahnfahren zu nutzen. Er widersetzt sich also geschickt den offiziellen institutionellen Verhaltensregeln – und hier mag der Spaß der Gruppe an diesen „Trickli“ liegen. Sie repräsentieren einen positiven Gegenhorizont, eine Distanznahme gegenüber der Rolle des institutionelle bzw. kommunikative Regeln befolgenden Schülers. Auch wenn die Gruppe diese Orientierung in der berichteten Situation nicht in die Praxis umsetzt, so zeigt sich durch den gemeinsamen Spaß gerade die konjunktive Bedeutung dieser informellen Praxis eines schulischen „Unterlebens“. Im Hinblick auf die Mm einschließende Diskursgruppe bewegt sich die Gruppendiskussion hier auf dem dramaturgischen, gemeinsamen Höhepunkt.
Mm wird in diesem Zusammenhang von Sm als „schon en Schlauer“ bezeichnet. Diese Bezeichnung demonstriert wohlwollende Anerkennung, aber zugleich enthält sie eine gewisse Herabsetzung von Mm durch denjenigen, der diese Bewertung ausspricht und sich damit – homolog zur Eröffnung der Passage – gegenüber Mm in eine asymmetrische Beziehung setzt.
Zusammenfassend lässt sich für die Gruppe Familie festhalten, dass sie Mm wiederholt aktiv in den Diskurs einbezieht: zunächst bei der Formierung der Gruppe für die Gruppendiskussion, dann im Diskurs selbst, indem die Gruppe nach dessen langer Zurückhaltung seinen potenziellen Redewunsch in höflich-respektvoller Form erkundet und ihm so einen Raum der Artikulation seiner Perspektive und Erfahrungen bzw. seiner Relevanzsetzungen eröffnet, und schließlich, indem sie ihn ganz konkret zur Erzählung einer für ihn spezifischen Praktik auffordert. Diese reflexive Form der Einbeziehung bewegt sich auf Ebene des expliziten, kommunikativen Sinnzusammenhangs, d.h. der (vermittelnden) Kommunikation an der Grenze zwischen unterschiedlichen konjunktiven Erfahrungsräumen.
Im Hinblick auf die von der reflexiven Ebene zu unterscheidende konjunktive Ebene beobachtbarer Praxis ist damit zugleich ein Fehlen habitueller Übereinstimmung zwischen Mm und den anderen Diskursteilnehmern verbunden. So verweist gerade der explizite Charakter des Einbezugs von Mm (in die Gruppe bei ihrer Formierung, in den Diskurs während der Gruppendiskussion) darauf, dass keine selbstverständliche, habituell eingespielte, gemeinsame (Gesprächs-)Praxis vorliegt. Zudem dokumentieren sich in den kommentierenden Redeäußerungen der Gruppe gegenüber Mm exkludierende Diskursmodi, so etwa dadurch, dass die Gruppe vorübergehend die Darstellung seines Handelns selbst übernimmt und ihm dabei die dritte Person zuweist und indem sie Mms Sachverhaltsdarstellungen wiederholt korrigiert und darin auch Elemente seiner positiven Selbstdarstellung entkräftet werden.
Neben solchen Formen der exkludierenden Differenzmarkierung seitens der Gruppe gegenüber Mm scheint allerdings ein gemeinsames konjunktives Erfahrungsfeld zwischen ihm und der Gruppe dort auf, wo es um den Umgang mit der kommunikativ-institutionellen Schulstruktur, mit der Rolle des Schülers bzw. mit der Rollenbeziehung zum Lehrer geht. Hier teilen die Jungen die Rollendistanz (Goffman 1973), wie sie sich in dem eigenwilligen lustbetonten Bestreiten des Weges zur Bibliothek im Rahmen des Klassenunterrichts durch Mm darstellt.

5. Unterrichtsmilieu und Inklusion in konjunktiver Dimension

Die mit diesem empirischen Beispiel berührte Facette der Schulwirklichkeit betrifft die sozialen Beziehungen der Peers untereinander und interaktive Formen der Einbeziehung und der Differenzbearbeitung bzw. der exkludierenden Differenzmarkierung. Unseres Erachtens verweist dieses Beispiel darauf, wie vielschichtig sich die Praxis schulischer Inklusion darstellt. So kann zunächst der kommunikativ-generalisierte, d.h. institutionelle Sinnzusammenhang betrachtet werden, wie er sich in Konzepten, formalen Regeln und Normen darstellt, welche die Organisation Schule an ihre Mitglieder heranträgt. Kinder und Jugendliche können den an sie herangetragenen normativen Verhaltenserwartungen nachkommen und sie beispielsweise durch Formen expliziter, höflich-respektvoller Einbeziehung anderer Kinder und Jugendlicher in spezifischen sozialen Situationen erfüllen. Diese kommunikativ-reflexive Dimension der Inklusion, welche im Wesentlichen mit explizitem, theoretischem Wissen gekoppelt ist, lässt sich unterscheiden von der konjunktiven, habituellen Dimension der Inklusion. Diese finden wir dort, wo Kinder und Jugendliche an der gemeinsamen und selbstverständlichen Praxis der Peergroup teilhaben und den damit verbundenen erfahrungsgebundenen, impliziten Wissensbeständen. Sie teilen den gemeinsamen Orientierungsrahmen dieses konjunktiven Erfahrungsraums, der sich durch Praxisformen der habituellen Übereinstimmung auszeichnet. Grundlegend für die sozialen Peerbeziehungen der Kinder und Jugendlichen im Kontext der Schulklasse ist, dass diese durch heterogene Peergroups bzw. konjunktive Erfahrungsräume gekennzeichnet sind. Damit elementar verbunden sind Formen der Differenzbearbeitung zwischen den Peergroups sowie zwischen Peergroups und Einzelnen. Diese implizieren sowohl Einschluss- als auch Ausschlussprozesse. Eine Differenzbearbeitung kann dabei exkludierende Formen der Differenzmarkierung zwischen den Kindern beinhalten. Sie kann sich jedoch auch durch explizite reflexive Formen der Kommunikation auszeichnen (wie die anderen der Gruppe gegenüber Mm) – und das bezeichnen wir als die kommunikative Dimension der Inklusion; oder aber sie vollzieht sich in Formen der wechselseitigen Annäherung im Sinne habitueller Abstimmung aufeinander – und das fassen wir begrifflich als die konjunktive Dimension der Inklusion.
Unterricht verstehen wir als ein soziales Interaktionssystem (Caruso, 2011), in dem Erziehungs- und Bildungsprozesse im Kontext formaler Regeln der Schule mit ihren gesellschaftlichen Funktionen im Spannungsfeld von Qualifikation und Selektion (Fend 2008), sozialer Rollen und unterschiedlicher Milieus hervorgebracht, aber auch behindert werden können. In der Unterrichtspraxis sind unterschiedliche Milieus - im Sinne konjunktiver Erfahrungsräume - und institutionalisierte Regeln und Rollen, im Sinne kommunikativer, reflexiver Wissensformen und Beziehungen, miteinander verwoben: (schul-)fachkulturelle, schulformspezifische – die entlang der Stratifizierung der Gesellschaft mit sozio-ökonomischen Milieus ihrer Schülerschaft eng in Relation stehen – und durch Herkunft und Professionserfahrungen bedingte Milieus von Lehrenden sowie ihre institutionalisierten Rollen, die herkunftsbedingten und peerkulturellen Milieus der Jugendlichen und ihre institutionalisierten Rollen als Schüler/-innen. Das in diesem Zusammenspiel entstehende Organisationsmilieu (Nohl, 2007, S. 65ff.) des Unterrichts begreifen wir als Unterrichtsmilieu im Sinne einer spezifischen Kultur des Lernens.
Reflektierte Unterrichtsformen, die insbesondere individualisierende und offene Lernarrangements, ein Lernen am gemeinsamen Gegenstand (Feuser, 1998), Projektarbeit und die Kooperation der Schüler/-innen untereinander einbeziehen, sollten die damit verbundene potenzielle Aktivierung der Peerbeziehungen in Rechnung stellen und berücksichtigen, dass diese nicht nur auf Ebene des sozialen Lernens eine Rolle spielen, sondern auch für gegenstandsbezogene Lernprozesse relevant sind und eine konstruktive Komponente haben  (vgl. Wagner-Willi, 2007). Neben erfahrungsgebundenen Gemeinsamkeiten stellt auch die Divergenz der konjunktiven Erfahrungen und der Verstehensprozesse der Kinder und dieser gegenüber denjenigen der Lehrperson eine zentrale Bedingung des Unterrichts und des Lernens dar. Im Rahmen je konkreter Unterrichtsmilieus ist dabei die Frage von Bedeutung, inwiefern es dort gelingt, an die konjunktiven (Lern-)Erfahrungen der Schüler/-innen anzuknüpfen und auf diesem Wege sowohl individuelle Lernprozesse als auch inklusive Praxisformen im Rahmen der Lernarrangements wie im Rahmen der Klassengemeinschaft und peerkultureller Aushandlungen und Differenzbearbeitungen anzubahnen. Mit Bezug auf solche Fragestellungen konstatieren wir eine große Forschungslücke, hinsichtlich der Praxis von Unterrichtsmilieus in inklusiv ausgerichteten Schulformen der Primarstufe und der Sekundarstufe in ihren unterrichtsfachspezifischen Ausprägungen.

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[1] Mit Bourdieu sind Habitusformen zu verstehen als „Systeme dauerhafter Dispositionen, strukturierte Strukturen, die geeignet sind, als strukturierende Struktur zu wirken, mit anderen Worten: als Erzeugungs- und Strukturierungsprinzip von Praxisformen und Repräsentationen, die objektiv ‚geregelt‘ und ‚regelmäßig‘ sein können, ohne im geringsten das Resultat einer gehorsamen Erfüllung von Regeln zu sein; die objektiv ihrem Zweck angepasst sein können, ohne das bewusste Anvisieren der Ziele und Zwecke und die explizite Beherrschung der zu ihrem Erreichen notwendigen Operationen vorauszusetzen, und die, dies alles gesetzt, kollektiv abgestimmt sein können, ohne das Werk der planenden Tätigkeit eines ‚Dirigenten‘ zu sein“ (1976, S. 165). Bourdieu knüpft mit seinem Begriff des Habitus an den Kunsthistoriker Erwin Panofsky an, der wiederum auf die wissenssoziologische Konzeption des Dokumentsinns von Karl Mannheim verweist. Der Dokumentsinn ist als Träger des Habitus zu verstehen und meint die Sinnebene des konjunktiven Erfahrungsraumes bzw. des konjunktiven Wissens, welche die Dokumentarische Methode der Interpretation herauszuarbeiten sucht (vgl. Bohnsack, 2010, 151f.).

[2] Schulorganisatorisch ist der Begriff der Integration noch gebräuchlich, so auch zum Zeitpunkt der Erhebung bei der im Beispiel angeführten Schule, die ein im Schweizer Kontext vergleichsweise innovatives Konzept verfolgt.

[3] Alle Schulen arbeiteten zum jeweiligen Zeitpunkt der Erhebung bereits seit sieben Jahren mit integrativem Anspruch.

[4] Gemäss den von uns verwendeten Transkriptionsregeln (vgl. Bohnsack, 2010, S. 235) werden Personen anonymisiert und mit Anfangsbuchstaben mit Markierung des Geschlechts (m für männlich und w für weiblich) voneinander differenziert.

[5] Der Name wurde von der Forscherin der Gruppendiskussion assoziativ aus Gründen der Übersicht über das viele Gruppen umfassende Material gegeben. Er impliziert keinen typisierenden Aussagegehalt.

[6] Die von uns verwendeten Transkriptionsregeln sind erläutert in: Bohnsack, 2010, S. 235; einige für das Verständnis wesentliche Regeln seien hier kurz erläutert: @ markiert Lachen bzw. lachend Gesprochenes, fett Gedrucktes ist besonders laut und Unterstrichenes in besonderer Weise betont gesprochen worden. Nicht Verständliches wird in Klammern durch Leerzeichen gekennzeichnet. Die Überlappung mehrerer Redebeiträge oder der unmittelbare Anschluss eines Redebeitrags wird durch das folgende Zeichen markiert: ë; Pausen unter einer Sekunde werden durch (.), solche über eine Sekunde durch die Sekundenzahl benennende Ziffern in Klammern dargestellt.