Abstract: Leistung wird als fundamentales Prinzip sozialer Ordnung verhandelt, ihre Bedeutung scheint dabei vielfach als selbstverständlich. Mitunter werden bei genauerer Betrachtung jedoch zahlreiche Ambivalenzen augenfällig; divergierende Auslegungen stoßen aufeinander. Daher ist (auch) im Zuge aktueller Diskussionen um Inklusion fraglich, ob bzw. inwiefern ein solcher Leistungstopos zur Vision einer inklusiven Gesellschaft passt. Unklar bleibt beispielsweise, wie die Gesellschaft eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gewährleisten kann. Insofern wird der Topos der „Leistungsgesellschaft“ aus einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive betrachtet. Da oftmals konstatiert wird, Sport als gesellschaftlicher Teilbereich bringe die Prinzipien jener Leistungsgesellschaft in idealer Weise zum Ausdruck, wird hier nach (entsprechenden) Leistungsverständnissen gesucht. Ebensolche Leistungsbezüge werden auch im Hinblick auf das Unterrichtsfach Sport herausgearbeitet. Insgesamt verdeutlichen die Ausführungen, dass Leistung keine Selbstverständlichkeit ist, sondern durchaus divergierende Leistungsverständnisse in den drei ausgewählten Feldern vorliegen. Jene unterschiedlichen Auslegungen von Leistung werden im Beitrag kritisch auf ihre Passung zu „Inklusionsforderungen“ hin beleuchtet.
Stichwörter: Leistung; Leistungsprinzip; Gesellschaft; Sport; Schulsport; Inklusion
Inhaltsverzeichnis
Spätestens seit der Industrialisierung galt Leistung in den westlichen (wie auch in sozialistischen) Gesellschaften als fundamentales Prinzip sozialer Ordnung. Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein bedienten sich industriell kapitalistische Gesellschaften in ihren „Selbstdarstellungen und Selbstrechtfertigungen“ überwiegend kritiklos des Topos der „Leistungsgesellschaft“ (Offe, 1972, S. 7-8). Die Besetzung gesellschaftlicher Positionen wird in dieser Lesart als abhängig von der jeweils individuell erbrachten Leistung erachtet; es geht um einen „offenen Wettbewerb“ um „Rollen und ihre Belohnungen“ (Seibel, 1989, S. 399). Im Zuge aktueller Diskussionen um Inklusion ist jedoch fraglich, ob bzw. inwiefern ein solcher Leistungstopos zur Vision einer inklusiven Gesellschaft passt, die Chancengleichheit, Nichtdiskriminierung, Teilhabe, Achtung und Akzeptanz der Vielfalt von Menschen (UN, 2008, § 3) als zentral für gesellschaftliches Zusammenleben erachtet. Unklar bleibt beispielsweise, wie die Gesellschaft eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben oder auch an Bildung – so eine weitere zentrale Forderung (ebd.) – gewährleisten kann, hat es derzeit bezüglich gesellschaftlicher Positionierung doch den Anschein, dass der faktische Erfolg stärker im Vordergrund steht als sein Zustandekommen (Neckel, 2008). Das inhaltliche Verständnis von Leistung gerät damit unweigerlich auf den Prüfstand. Entsprechend wird im Beitrag das Spannungsfeld zwischen „Inklusionsforderungen“ und dem Leistungstopos näher beleuchtet.
Insbesondere bedarf es hierzu einer Klärung dessen, was unter Leistung gefasst wird. Zwar scheint dieser terminus technicus allgegenwärtig zu sein, Auffassungen von Leistung sind jedoch oftmals geprägt durch gesellschaftliche Veränderungen oder auch fachimmanente Diskurse (u.a. Reich, 2016). In einem ersten Schritt wird daher aus einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive der Topos der „Leistungsgesellschaft“ und seine Auslegungen betrachtet (Absatz 2). Dabei fokussieren die Ausführungen u.a. darauf, wie das Erziehungssystem nachfolgende Generationen für zukünftige Aufgaben qualifiziert und sie gleichsam – anhand von Leistung – bezüglich weiterer Qualifikations- und Bildungschancen selektiert. Da nicht selten konstatiert wird, Sport bringe als gesellschaftlicher Teilbereich die Prinzipien der Leistungsgesellschaft in idealer Weise zum Ausdruck (u.a. Krockow 1974a), wird dieser im zweiten Schritt beleuchtet (Absatz 3). Hier gelte schließlich „ein Maßstab, der in einer relativierenden Welt einen eindeutigen, objektiven Anspruch setzt, ein scheinbar absolutes Vergleichsmaß, was für viele den Sport als Wettbewerb so faszinierend macht“ (Reich, 2016, S. 14). Insofern wird danach gefragt, welches spezifische Verständnis von Leistung im Sport zu Grunde gelegt wird und in welcher (wechselseitigen) Beziehung dies zu gesellschaftlichen Entwicklungen steht. Zweifellos lassen sich auch im Unterrichtsfach Sport – in einem dritten Schritt (Absatz 4) – Leistungsbezüge nachzeichnen. Hier konfundieren mitunter pädagogische Intentionen mit einer Orientierung am Vorbild des außerschulischen Sports (z.B. Prohl, 2010). Im sportpädagogischen Diskurs besteht dabei weitgehender Konsens, der Unterricht dürfe nicht „auf das festgelegt oder auch nur konzentriert werden, was im Wettkampfsystem der Sportverbände Sport ist“ (Kurz, 2000, S. 18).
Die soziologische Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Leistungsgesellschaft geht auf Weber (1905) zurück, der Zusammenhänge zwischen der vorherrschenden Leistungsethik des „asketischen Protestantismus“ und dem „Geist des Kapitalismus“ identifizierte (auch Hartfiel, 1977, S. 14-15).[1] In der soziologischen Diskussion taucht die Bezeichnung „Leistungsgesellschaft“ jedoch erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts auf (Stoff, 2014, S. 280). In Zeiten innenpolitischen Legitimationsdrucks in den USA gegen Ende des zweiten Weltkrieges (Seibel, 1989, S. 399) entwickeln Davis und Moore (1945) die prominente funktionalistische Schichtungstheorie und charakterisieren die amerikanische Gesellschaft als Leistungsgesellschaft. Ausgehend von gleichen Chancen finde eine soziale Differenzierung auf Grundlage der individuellen Leistung statt. Die ungleiche Verteilung wertvoller Güter motiviere dazu, knappe Fähigkeiten für funktional wichtige Rollen – versehen mit entsprechenden Belohnungen – bereitzustellen. Der eigene Platz in der Gesellschaft gilt demnach als verdient und die hergestellte soziale Ordnung als gesellschaftlich funktional. Vor diesem Hintergrund prägt in den 1950er Jahren ein unmittelbar an Arbeit gebundener, ökonomischer Leistungsbegriff den Wirtschaftsliberalismus, der die Politik – auch in der neu gegründeten Bundesrepublik – bestimmt (Stoff, 2014, S. 283); das Leistungsprinzip gilt als „Grundbestand der modernen Wettbewerbsgesellschaft“ (ebd., S. 285). Für die Bundesrepublik fungiert gar „die an Eigentum, Wettbewerb und Markt gebundene ‚Leistung freier und tüchtiger Menschen‘ als Hauptkriterium des Grundgesetzes“ (ebd.). Nicht erst im Kontext der Vision einer inklusiven Gesellschaft ist fragwürdig, inwiefern dieser ökonomische Leistungsbegriff, der unsere Gesellschaft z.B. über das Grundgesetz nach wie vor maßgeblich prägt, als gerecht gelten kann, wenn nicht alle Gesellschaftsmitglieder per se die Chance haben, „frei“ und „tüchtig“ in diesem Sinne zu sein.
So dient das Leistungsprinzip im Laufe der Geschichte, neben der Legitimation der kapitalistischen Gesellschaftsordnung und der Motivation zu Arbeitstätigkeit, auch immer wieder einer mehr oder weniger bewussten Reproduktion sozialer Ungleichheiten. Für sozial schwächer gestellte Menschen bleibt die „Errungenschaft“ des Leistungsprinzips bezüglich der Chance auf soziale Mobilität bis ins 20. Jahrhundert hinein weitgehend wirkungslos (Klafki, 1974, S. 75). Dass das Leistungsprinzip auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach wie vor dafür sorgt, soziale Ungleichheiten eher zu zementieren als zu überwinden, zeigen u.a. Bourdieu und Passeron (1971) in ihren Studien zum französischen Bildungswesen.[2]
Auch über das Bildungswesen hinaus entfacht sich aufgrund einer mehr und mehr als fragwürdig empfundenen Leistungs-„Gerechtigkeit“ in den 1970er Jahren in Deutschland ein breiter Diskurs um das Leistungsprinzip (zusammenfassend Stoff, 2014). So reklamiert z.B. Dreitzel (1974, S. 31), der Begriff Leistung sei semantisch derart aufgeladen, dass sich seine wissenschaftliche Verwendung beinahe verbiete; gleichwohl sei der Begriff aber von solch hoher gesellschaftlicher Relevanz, dass seine soziologische Reflexion durchaus Sinn mache. Letztlich schaffe jedoch das ambivalent ausgelegte Leistungsprinzip, in dem es stets der Herrschaft von Menschen über Menschen diene, „entgegen seiner ursprünglichen Funktion neue Ungleichheit“ und festige die bestehende (ebd., S. 36). Selbst unabhängig von – de facto zweifellos vorhandenen – sozialisatorisch erworbenen Bildungsbarrieren würde eine konsequent zu Ende gedachte „Herrschaft des Leistungsprinzips eine natürliche Ungleichheit“ erzeugen, gegen die es dann letztlich keine Berufungsinstanz mehr gäbe (ebd., S. 36-37). Dies wäre – schaut man auf die aktuelle Situation – spätestens in einer inklusiven Gesellschaft sicherlich hoch problematisch.
Der zweite zentrale Kritikpunkt Dreitzels ist, dass mit der Rede von der Leistungsgesellschaft keineswegs geklärt sei, „worin denn eigentlich der sachliche Kern einer individuellen Leistung liege“ (ebd., S. 38). Dies führt ihn zur Unterscheidung von Leistung und Erfolg; eine Differenzierung die auch Krockow (1974b, S. 12) vornimmt. Dessen Ansicht nach könne die Industriegesellschaft niemals ernsthaft als Leistungsgesellschaft, sondern allenfalls als Erfolgsgesellschaft charakterisiert werden. Zunehmende gesellschaftliche Differenzierung führe zu immer größerer „Undurchschaubarkeit“, weswegen im Grunde die Bewertung erbrachter Leistung nur am jeweiligen Erfolg abzulesen sei. Damit rückt bei Krockow die Darstellung und Präsentation vermeintlicher Leistung zur Erzeugung von Anerkennung in den Fokus (dazu bereits Gebauer, 1972).
Im „Leistungsstreit“ der 1970er Jahre zeigt Offe (1972, S. 161-165) zudem prominent, dass der scheinbar eindeutige Beurteilungsmaßstab der individuellen Leistung nicht zuletzt anhand diverser staatlicher Subventionierungsmaßnahmen – z.B. um eine Mindestversorgung sicherzustellen – außer Kraft gesetzt wird.[3] Auch Heckhausen (1974b, S. 186-191) identifiziert diese Paradoxie als gesellschaftliches Hauptproblem, müsse doch in einer Leistungsgesellschaft zunächst ein gewisses „Sockelniveau“ im Sinne gleicher Startchancen hergestellt werden, um eine Voraussetzung für die Anwendung des Leistungsprinzips zu schaffen. Die Definition und Bildung des Sockelniveaus zur Herstellung von Leistungsgerechtigkeit gilt als eine sich daraus ergebende, zentrale gesellschaftliche Aufgabe (Stoff, 2014, S. 286) – wie sie auch im Kontext einer inklusiven Gesellschaft höchst bedeutsam ist.
Fragen nach Leistungsgerechtigkeit und Chancengleichheit in der Leistungsgesellschaft werden seitdem immer wieder vehement diskutiert. Äußerst prominent stellen die Arbeiten Bourdieus (u.a. 1983) das Versprechen sozialer Mobilität durch Leistung in Frage, machen sie doch deutlich, dass die Lebenschancen Einzelner erheblich von ihrem individuell verfügbaren Kapital abhängen. Ähnliche Disparitäten zeigen insbesondere zahlreiche Untersuchungen im Bereich des Bildungssystems (z.B. Fölling Albers, 2005; Hopf, 2010). Im Zusammenhang mit dem Diskurs um ein inklusives Bildungssystem greift z.B. Reich (2012) diesen Faden ebenso auf und moniert die international kaum übertroffene Reproduktion sozialer Ungleichheiten im deutschen Bildungssystem.
Auch historisch gesehen wird das Leistungsprinzip vor allem in der gesellschaftlichen Funktion des Bildungssystems zum Kernproblem. So resümiert Klafki (1974, S. 76-77) aus Sicht des Erziehungswesens:
„Das Leistungsprinzip, das im Zusammenhang mit der Entwicklung des schulischen Berechtigungswesens im Schulwesen seit dem 19. Jahrhundert wirksam wurde, hatte zunächst keinen spezifisch innerpädagogischen Sinn, sondern war einerseits Ausdruck gesellschaftlicher und politischer Interessen, nämlich der Interessen des Bürgertums bzw. bestimmter Gruppen des sich entwickelnden Bürgertums, andererseits Ausdruck der Interessen des sich mehr und mehr zentralistisch-bürokratisch organisierenden modernen Obrigkeitsstaates.“
Allerdings müsse rückblickend das „fortschrittliche Moment“ des Leistungsprinzips (also ein Berechtigungswesen anstatt überkommener feudaler Privilegien) relativiert werden, wäre dies doch bis weit ins 20. Jahrhundert nur in sehr begrenztem Umfang zur Geltung gekommen (ebd., S. 77-81). Als diesbezügliche Gründe führt Klafki die geringe Wirksamkeit des liberalen Impulses des Leistungsmoments, die hochgradige Schematisierung schulischer Allgemeinbildung und einen statischen, biologistischen Begabungsbegriff an (ebd.). Mit Blick auf die „Rede von der Leistungsgesellschaft“ stimmt er in die oben skizzierte Forderung nach Chancengleichheit mit ein (ebd., S. 84).[4] Seine konstruktive Neukonzeption des Leistungsprinzips (ebd., S. 87-99), mit der Kernthese, dass eine „Leistungsschule“ die „Bewältigung der Aufgaben und Lernprozesse“ ermöglichen und fördern soll, „die zur Mündigkeit, Selbst- und Mitbestimmungsfähigkeit führen können“ (ebd., S. 90), hat sich in der gängigen Schulpraxis bislang jedoch allenfalls bedingt durchgesetzt. So kann auch aktuell die rechtsverbindliche Forderung nach einem inklusiven Bildungssystem (UN 2008) zwar als Stärkung des liberalen Impulses des Leistungsmoments gesehen werden (möglichst gerechte Bildungschancen als Zugang zu möglichst gerechten Lebenschancen), zu kämpfen haben die Umsetzungsbemühungen dieser Forderungen jedoch zweifellos auch heute mit einer hochgradig schematisierten schulischen Bildung und einem biologistischen Begabungsbegriff (Reich, 2012, S. 12-23) – also denselben Problemen, die Klafki seinerzeit zu lösen suchte.
Die zentrale Bedeutung des Bildungssystems fällt in der Diskussion um Leistungsgerechtigkeit immer wieder ins Auge. Ein elementarer Grund hierfür ist sicherlich die Allokationsfunktion der Schule, die als „wichtiges Bindeglied zwischen dem Erziehungssystem und der Gesellschaft“ gehandelt wird (Fend, 1980, S. 29). Mit Blick auf diese grundlegende Funktion werden Schulsysteme gerne als „Zuteilungssysteme für Lebenschancen“ begriffen (ebd., S. 31). Ist die tatsächliche Zuteilung innerhalb einer Gesellschaft jedoch diskriminierend, so läge es nahe, „Schulsysteme als wichtige Instrumente der Sozialreform zu verstehen und benützen zu wollen“ (ebd.). Stützen lässt sich diese Interpretation auch durch den Tatbestand, dass es in der außerschulischen Umwelt im Grunde keine weiteren Institutionen gibt, die Zugang zu Familien und Erziehung haben und zugleich universalistisch orientiert sind (Heckhausen 1974a, S. 126).[5] Dass der Inklusionsdiskurs sich in Deutschland stark auf das Bildungssystem fokussiert, ist vor diesem Hintergrund sicherlich kein Zufall.[6]
Gewissermaßen pointiert unsere Leistungsgesellschaft die Allokationsfunktion der Schule. Der Qualifikationsfunktion hingegen – also dem Ausstatten von Lernenden mit wichtigen gesellschaftlichen Qualifikationen – kommt offenbar eine weniger zentrale Rolle zu (Schäfer & Thompson, 2015, S. 15-16). Eine mögliche Begründung hierfür liefert Fend (1980, S. 22), wenn er mit Blick auf die politische Ökonomie folgert, dass Kapitalisten daran gelegen sein müsste, Ausbildungskosten nur für „die für profitable Produktion unbedingt notwendige Qualifizierung“ zu tragen. Wenn nun aber „ein erheblicher Teil dessen, was in der Schule [...] als ‚Leistung‘ gefordert und honoriert wird“ aus wirtschaftlicher Sicht „sehr unökonomisch“ ist (Klafki, 1991, S. 220), scheint nachvollziehbar, dass die Reputation der schulischen Qualifikationsfunktion leidet.[7] Ein Versuch, die Anschlussfähigkeit des Bildungssystems an unsere kapitalistische Leistungsgesellschaft hinsichtlich der Qualifikationsfunktion wieder herzustellen und damit diese Funktion des Bildungssystems gewissermaßen zu rehabilitieren, kann seit den 2000er Jahren in der Hinwendung zu Bildungsstandards und kompetenzorientierten Lehrplänen gesehen werden (Buhren, Meier & Ruin, 2016). Ob diese jedoch zu einer größeren Chancengerechtigkeit beitragen, muss insbesondere vor dem Hintergrund inklusiver Settings kritisch hinterfragt werden.
Wie an einigen Stellen bereits angeklungen, ist der Leistungsbegriff seit jeher in unterschiedlicher Weise gesellschaftlich relevant. In der aktuellen Diskussion um die Ausgestaltung einer sich als inklusiv begreifenden Gesellschaft scheinen jedoch bestimmte mit Leistung verwobene Konnotationen besonders fragwürdig. Zunächst muss in Anlehnung an Dreitzel sicherlich grundsätzlich problematisiert werden, ob das Leistungsprinzip in seinen gängigen Auslegungen auch aktuell nicht primär ein Prinzip ist, das der Legitimation von Ungleichheiten und Machtstrukturen dient und, das konsequent zu Ende gedacht zu einem Zustand quasi natürlicher Ungleichheit führte, gegen den sich Benachteiligte im Grunde nicht auflehnen können. Neben diesem Einwand scheint die Frage nach dem sachlichen Kern individueller Leistung vor dem Hintergrund einer zunehmenden Konfusion von Leistung und Erfolg eine drängende zu sein. So betont etwa Neckel (2008), dass aktuell gesellschaftlicher Erfolg zur wichtigsten Ressource des „Kennens“ und „Anerkennens“ werde, die vor allem am materiellen Status einer Person abzulesen sei. Erfolg – meist verengt auf offensichtlichen materiellen Erfolg – werde damit zum Stellvertreter von Leistung, womit „tiefgreifende Verwerfungen in der Sozialstruktur“ und ein „sozialmoralischer Wandel“ einhergehen (ebd., S. 49). Mit Blick auf eine angestrebte Leistungsgerechtigkeit gilt es, derartige Verschiebungen zweifellos zu berücksichtigen. In zentraler Weise stellt sich daher die Frage, wie Chancengleichheit oder auch Chancengerechtigkeit hergestellt werden soll bzw. kann; ein Aspekt der aktuell – nicht nur im Zuge des Inklusionsdiskurses – in den Erziehungswissenschaften von großer Bedeutung ist (z.B. Reich, 2012; Dietrich, Heinrich & Thieme, 2013). Auch zeigen die bisher skizzierten Diskurse um Leistung, dass dem Schulsystem vermeintlich eine zentrale Rolle zukommt, gegebenenfalls identifizierte, gewinnbringende Auslegungen von Leistung für eine (inklusive) Gesellschaft in diese hineinzutragen. Die Frage nach der Gewichtung der Selektions- und der Qualifikationsfunktion ist dabei sicherlich bedeutsam, scheint doch ein zu starker Fokus auf die Selektionsfunktion inklusiven Ansprüchen nicht unbedingt gerecht zu werden (Becker, 2016).
Spätestens seit den angesprochenen Diskursen der 1970er Jahre, in denen er oft als vermeintliches Idealbild einer Leistungsgesellschaft herhielt, ist der Sport ein zentrales Feld für Diskussionen um Bedeutung und Stellenwert von Leistung und Erfolg. Man mag zwar streiten, ob Sport als gesellschaftliches Teilsystem, in dem es um die „Kommunikation körperlicher Leistungsfähigkeit“ geht (Stichweh, 1990, S. 378) hinreichend definiert ist. Die Zentralität von „Leistung“ ist jedoch unzweifelhaft. Das zeigt sich sowohl in der Präsenz des Begriffs in den diversen Teildisziplinen der Sportwissenschaft als auch in seiner, wenn auch unterschiedlich ausgeprägten, Bedeutsamkeit für alle Teilbereiche des Feldes (z.B. „Spitzen“-, Schul- oder Freizeitsport) (Franke & Prohl, 2003, S. 332ff.). So geht es im Sport – ebenso wissenschaftlich – erwartungsgemäß auch um Leistung. Aber zugleich ist – entgegen dem Selbstverständnis mancher Akteure – höchst umstritten, was genau der Begriff meint und welche Rolle die Sache für den Sport spielt und spielen sollte (Krüger, 1990; Palm, 1993, S. 143ff.; Güldenpfennig, 1996, S. 180ff.). Das macht insbesondere eine historische Perspektive auf den sport(wissenschaft)lichen Leistungsdiskurs deutlich.
Als der englische Sport sich ab Ende des 19. Jahrhunderts auch in Deutschland verbreitete, stieß er bei den Turnern, den Protagonisten der hiesigen Körperkultur und Leibeserziehung, insbesondere auch wegen seiner Leistungsorientierung auf Kritik: Er sei letztlich Ausdruck individualistischer Ruhmsucht, zu sehr an spezialisierten Höchstleistungen und Rekorden ausgerichtet. Zwar hatten Leistungsmessung und -vergleich auch im Turnen ihren Platz (schon die Philanthropen hatten Meritentafeln mit den Leistungen ihrer Zöglinge geführt); es wurde jedoch stets betont, dass nicht absolute Höchstleistung und Erfolg, sondern (ganzheitliche) persönliche Verbesserung und mithin eine Stärkung des Kollektivs im Vordergrund stehen müsse (Krüger, 1990, S. 344ff.). Aus Sicht des Arbeitersports war an sportlicher Wettkampf- und Leistungsorientierung nicht per se etwas auszusetzen, als Problem wurde jedoch die Übertreibung des Leistungsprinzips, seine kapitalistische Pervertierung („Rekordfimmel“) gesehen (ebd., S. 349f.). Das offensive Bekenntnis zum Streben nach individueller Höchstleistung blieb so zunächst dem bürgerlichen Sport vorbehalten, allerdings sollten den damit verbundenen moralischen Gefahren durch den Wertekanon des Olympismus ebenfalls Grenzen gesetzt werden – das Amateurideal galt als „Gegengift“ des vermeintlich allzu ernsten, berufsmäßigen Leistungsstrebens (ebd., S. 347f.). In (West-)Deutschland wurde allerdings dieses enge Verständnis von Sport, seine Ineinssetzung mit Leistung, Höchstleistung und Rekord (Carl Diem) – bei gleichzeitiger Betonung seines spielerischen Charakters und moralischer Prinzipien – erst nach 1945 dominant (Krüger, 2005, S. 172ff.).
Die „herrschende nachkriegsdeutsche (DSB-)Sport-Ideologie“ (Krüger, 1990, S. 354) betonte u.a. Vorbildcharakter und Bildungswert des Sports (was bis dahin wie gesagt stets Leistungssport meinte): „Sport ist ein exemplarischer Bereich für freiwillig erbrachte Eigenleistung“ (Lenk, 2002, S. 43). „Die Prinzipien der Leistung und des unbestechlichen Leistungsvergleichs, der Konkurrenz und der Chancengleichheit lassen sich im sportlichen Wettkampf annähernd rein verwirklichen (…)“ (ebd., S. 206). „Der Sport bringt die Prinzipien der Industriegesellschaft besser zum Ausdruck als diese selbst“ (Krockow, 1974a, S. 96). Spätestens in den 1970er Jahren wurde dieser vermeintlich ideale Leistungs-Sport jedoch massiv in Frage gestellt, und zwar sowohl als Resultat der allgemeineren gesellschaftlichen Umbrüche und Diskussionen der Zeit (Stoff, 2014, S. 285ff.) als auch aufgrund genuin sportlicher Entwicklungen. Zum einen ging es seinen Kritikern um den Sport per se; weil er letztlich auf Disziplinierung und Zurichtung des Körpers (vor allem für die Arbeit) gerichtet sei, gehöre er „ins Reich der Unfreiheit, wo immer man ihn auch organisiert“ (Adorno, 2003, S. 80). Zum anderen stellten aber auch spezifischere, aktuelle Entwicklungen des Leistungssports seine Bedeutung als Ideal der „Leistungsgesellschaft“ in Frage. Angesichts umfassender Professionalisierungstendenzen (Kommerzialisierung, staatliche Interventionen) verschärften sich manche Problemfelder des Sports (Doping, Manipulation, Korruption) – die Vereinbarkeit von Höchstleistungsstreben mit einer amateurhaften, wertgebundenen Haltung und der Autonomie der Sportler schien zunehmend zweifelhaft (Krüger, 2005, S. 181ff.). So nähere sich der Leistungssport zulasten des spielerischen Elements der Arbeit an (Rigauer, 1969, S. 13ff) und die vermeintlich freiwillige Leistung verkehre sich zum Zwang: „Leistungssport betreiben heißt Leisten müssen“ (ebd., S. 18; Herv. d. Verf.). Diese Kritik war in weiten Teilen eine an bestimmten Bereichen und Tendenzen, aber keine (mehr) am Sport per se; entsprechend lehnte sie auch nicht jegliches Leistungsstreben ab, wohl aber den Anspruch des Leistungssports, dieses in idealer Form zu verkörpern (auch Güldenpfennig, 1996, S. 186f.). Ein zentrales Resultat dieser Diskussionen war somit eine Relativierung und „Flexibilisierung des Leistungsbegriffs“ (Stoff, 2014, S. 304) bzw. das Ende der fraglosen Gleichsetzung von Sport und Leistungssport.
Vor allem praktische Prozesse begünstigten diese Entwicklungen: Jener eng gefasste Leistungssport, der die Nachkriegszeit geprägt hatte, wurde ab den 1960er Jahren zunehmend um neue Formen des Sporttreibens ergänzt. Der Deutsche Sportbund begann mit dem „Zweiten Weg“ zunächst, traditionelle (Leistungssport-) Angebote für mehr Menschen zu öffnen, ehe mit den „Trimm Dich“-Kampagnen dezidiert Sportpraktiken jenseits des Wettkampfsportbetriebs propagiert wurden, die sich eher an Gesundheit, Ausgleich und Geselligkeit orientierten (Dieckert, 2002, S. 26ff.; Hartmann-Tews, 1996, S. 149ff.; Wopp, 1995, S. 36ff.). Ob diese Tendenzen emphatisch als „Befreiung des Sporttreibens von traditionellen Normen und Standards“ (Wopp, 1995, S. 55) zu deuten sind, sei dahingestellt. Zweifellos jedoch trafen die neuen Sportangebote exakt die Interessen vieler Menschen: Die Zahl der Mitgliedschaften im DSB verdreifachte sich zwischen den Jahren 1960 und 1980 (DSB, 2003, S. 77). Zweifelsfrei ging mit dieser Vervielfachung der Aktiven auch eine „Pluralisierung“ der Deutungen einher – die dominante Vorstellung vom Sport als Leistungssport wurde in Frage gestellt. Die lange als „selbstverständliche Wahrheit“ (Krüger, 2005, S. 178) erachtete Pyramidentheorie, wonach Spitzen- und Breitensport sich wechselseitig ergänzten, letzterer im Grunde dasselbe sei wie ersterer, nur auf niedrigerem Leistungsniveau, wurde als unbrauchbares Einheitsmodell kritisiert, das die vielfältigen Differenzen nicht berücksichtige: „Der Hochleistungssport ist etwas anderes als der sogenannte Freizeitsport. Die Unterschiede sind in idealtypischer Sicht nicht lediglich gradueller, sondern struktureller Art“ (Dieckert, 1974, S. 67).[8]
Wohlgemerkt ging mit dieser Distanzierung keineswegs die Propagierung eines „leistungslosen“ Sports einher, weshalb der neue „Freizeitsport“ auch schwerlich als Ausdruck eines vermeintlichen allgemeinen Wertewandels interpretiert werden kann (Krüger, 1990, S. 361). Vielmehr wurde zum Teil explizit an das Lenk’sche Bild vom Menschen als (Eigen-)Leistendem angeknüpft: „Eine Sportwelt ohne Leistung (…) ist nicht realisierbar (…), auch weil es im Wesen menschlichen Handelns angelegt ist“ (Palm, 1993, S. 144).[9] Zentrale Orientierungen im Freizeitsport seien zwar Freude, Geselligkeit oder Gesundheit, das mache Leistung jedoch keineswegs irrelevant. Wettbewerbe und Leistungsvergleiche seien auch hier auf vielfältige Weise präsent (ebd., S. 145ff.), nur wäre das Leistungsverständnis dabei ein relatives: „kein Streben nach absoluter Höchstleistung und irgendwelchen Rekorden“ (Kuhlmann, 2002, S. 263), sondern an sehr unterschiedlichen Kriterien (ebd., S. 264ff.), vor allem personalen und situativen Normen orientiert. Eben diese andere Ausrichtung relativierte die Differenzierung nach Alter, Geschlecht und körperlichen Voraussetzungen (Dieckert, 1974, S. 70), die – Chancengleichheit intendierend – den Leistungssport prägt.
„War es auf der einen Seite die Auslese (Selektion), so war es auf der anderen Seite die Einbeziehung (Inklusion). War es auf der einen Seite die Angleichung (Adaptation) der inhaltlichen, organisatorischen, wirtschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen, so war es auf der anderen Seite eine Ausdifferenzierung (Diversifikation) der Programme, Zuständigkeiten, Förderungen, Erscheinungsweisen in eine für das System Leistungssport undenkbare Vielfalt“ (Palm, 2002, S. 34).
Diese recht enthusiastisch klingende Bewertung der sportlichen Öffnungstendenzen ist in mancherlei Hinsicht durchaus zutreffend. Der bereits angesprochene Trend zur steigenden Sportaktivität setzte sich in Deutschland auch in den 1980er und 1990er Jahren fort, so dass heute gut zwei Drittel der Bevölkerung in irgendeiner Form sportlich aktiv sind (Rohrer & Haller, 2015, S. 65f.[10]). Die Zuwächse können dabei insbesondere auf die steigende Beteiligung von Frauen und Älteren zurückgeführt werden, insbesondere in Sportarten, die mit einem individuell frei wählbarem Leistungsniveau betrieben werden können. So ist neben den eng gefassten, stark an Wettkampf und absoluter Leistung orientierten „Sport für manche“ (insbesondere jüngere, Männer, mittlere und höhere Schichten) ein offenerer „Sport für alle“ getreten, der durch die Relativierung des Leistungsanspruchs weitere und neue Personenkreise einschließt (Haut & Emrich, 2011). Allerdings ist diese inklusive Tendenz in mehrfacher Hinsicht einzuschränken bzw. zu präzisieren.
Erstens wurde das traditionelle Verständnis von Sport als wettkampfmäßigem Leistungsvergleich eben nicht ersetzt, sondern vielmehr um ein offeneres ergänzt. Zweitens ist auch dieser offenere Sport noch längst keiner „für alle“, soziale Ungleichheiten (insbesondere vertikale Merkmale) strukturieren nach wie vor die Partizipation (Rohrer & Haller, 2015; Haut & Emrich, 2011). Drittens fand der massive Anstieg der Sportbeteiligung zu weiten Teilen außerhalb der Sportvereine im informellen oder kommerziellen Bereich statt (heute treiben ca. zwei Drittel der Deutschen Sport, aber „nur“ ein Drittel ist Mitglied in einem Sportverein), weshalb die Tendenzen in Richtung eines inklusiveren „Sports für Alle“ natürlich nicht nur den entsprechenden sportpolitischen Strategien zugeschrieben werden können (Hartmann-Tews, 1996).
Der Sport der Menschen mit Behinderungen, der in den jüngeren Inklusionsdiskussionen im Mittelpunkt steht, spielte übrigens für die geschilderten Öffnungsprozesse lange Zeit kaum eine Rolle. In der Nachkriegszeit war zunächst der Versehrtensport prägend und entwickelte sich parallel zum damals herrschenden Modell, d.h. er war stark an Wettkampf und Leistung orientiert und ähnlich exklusiv. Ab den 1970er Jahren weitete sich auch der Behindertensport auf weniger stark leistungsbezogene Sportformen und somit weitere Personenkreise aus (Wedemeyer-Kolwe, 2015, S. 98ff.). Die Mitgliedschaften im Deutschen Behindertensportverband (DBS) versechsfachten sich zwischen 1980 und heute.[11] Dass diesbezüglich ein unmittelbarer Zusammenhang mit der gestiegenen Popularität des Leistungssports der Menschen mit Behinderung besteht (insbesondere aufgrund größerer medialer Aufmerksamkeit für die Paralympics; zur jüngeren Entwicklung vgl. Eisenstein & Steven, 2012, S. 159ff.), ist indes höchst unwahrscheinlich: Fast die Hälfte der DBS-Mitglieder ist über 60, ein weiteres Drittel über 40 Jahre alt (zum Vergleich: in den olympischen Sportverbänden machen diese Personengruppen lediglich 20 bzw. 25% aus) – die leistungssportaffinen, jüngeren Altersgruppen sind dagegen in den letzten Jahren leicht rückläufig geblieben. Deutlich ist jedoch, dass diese leistungssportliche Orientierung eben keineswegs deckungsgleich mit der Entwicklung eines an der Vielfalt der Interessen und Möglichkeiten orientierten Sportangebots ist.[12] Vielmehr verlaufen auch im Behindertensport die Diskussionen um die Bedeutung von Leistung analog zu den allgemeinen Entwicklungen im Sport und bedienen sich insofern ähnlich exklusiver Mechanismen.
Resümierend macht der Blick auf die dargestellten Entwicklungen der letzten Jahrzehnte mithin deutlich, dass Leistung auch im Sport keineswegs eine selbsterklärende Selbstverständlichkeit ist. Die Gleichsetzung von Sport mit Leistungssport bzw. die Vorstellung eines Spitzensports als Leitmodell für einen Breitensport wird seit den 1970er Jahren nicht mehr fraglos akzeptiert, sondern sie ist eine (zweifellos wichtige) Position unter anderen. Gerade die Relativierung und Flexibilisierung (nicht: Abschaffung) der Leistungsorientierung ermöglichte einen Einschluss weiterer sozialer Gruppen. In der Sportwissenschaft wurden diese Prozesse auf die Formel „Versportung der Gesellschaft – Entsportung des Sports“ (Grupe, 1988) gebracht. Sport ist daher nicht erst seit Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention mit einem „Inklusionsdilemma“ (Schimank, 1992) konfrontiert, in dem sich das Festhalten an einem leistungssportlichen Identitätskern und die Öffnung für andere, Leistung relativierende Sportkonzepte nicht gleichzeitig realisieren lassen. Die Vorstellung eines Einheitssports, der nach dem immer gleichen Muster auch alle gesellschaftlichen und pädagogischen Funktionen auf einmal erfüllt, mag organisatorisch gewünscht sein, ist aber praktisch obsolet.
Die beschriebenen gesellschaftlichen und sportlichen Deutungskämpfe um den Leistungsbegriff schlugen sich auch im Schulsport nieder. Noch in den 1960er Jahren war die damalige Pädagogik der Leibeserziehung klar an Leistung orientiert, ganz selbstverständlich war etwa „Die Leistung“ Titelthema eines Kongresses des „Ausschusses Deutscher Leibeserzieher“ (ADL, 1964). Nach 1945 wurde auch die schulische Leibeserziehung reorganisiert, wobei man auf die reformpädagogischen Ideen rekurrierte, welche durch die Nationalsozialisten verdrängt worden waren (Prohl, 2010, S. 67-69). Im Zentrum stand nunmehr der ganze Mensch in seiner leiblichen Verfasstheit und weniger zweckrationale (oder instrumentelle) außerschulische Bezüge. Schulische Leibeserziehung in den 1950er und 1960er Jahren legitimierte sich insofern als ein notwendiger Teil der Gesamterziehung, in dem Leisten, Spielen, Gestalten und Wohlbefinden als Themen verhandelt wurden, die eine philosophisch-anthropologische Bedeutung für die Erziehung und Bildung von Menschen haben und gleichsam als konstitutiv für das Schulfach galten (Grupe, 1969; Schmitz, 1967).[13] Explizit wurde damit auch dem Leisten ein „Bildungswert“ (Grupe, 1964, S. 55; Krüger, 2005, S. 177ff.) innerhalb der Leibesübungen zugeschrieben, der hinausgehe „über den Status eines Dienstleistungsgeschäftes für biologische, soziale, politische oder andere Zwecke“ (Schmitz, 1967, S. 148). Leistung wurde als individuelle Erfahrung gedeutet, der ein Bildungspotential innewohne: „Wenn die Leibesübung in dieser Weise der Bildung dienstbar gemacht wird, dann unterrichte ich im Turnen nicht [nur, die Verf.] für den Leib, sondern ich unterrichte für die gesamt Bildung“ (Grupe, 1964, S. 127).[14]
Ab den 1970er Jahren entwickelten sich jedoch Spannungen und Brüche innerhalb der Leibeserziehung. Die ausdifferenzierte, kommerzialisierte und popularisierte Welt des realen Sports führte auch hier zu entsprechenden Veränderungen, welche zudem mit einer Expansion des Faches auf wissenschaftlicher Ebene einherging (Krüger, 2005, S. 181ff.). Im umkämpften Feld des Sports war gerade der Schulsport ein Bereich divergierender Sportvorstellungen, die sich auch maßgeblich darin niederschlugen, was unter Leistung subsummiert werden sollte. Die vormalig starke philosophisch-anthropologisch begründete gesamterzieherische Fokussierung wurde vom sprunghaft gestiegenen Stellenwert sowie der Ausdifferenzierung des Sports als gesamtgesellschaftlich bedeutendes Kulturphänomen relativiert – die Formulierung eines allgemein gültigen ganzheitlichen Sport-Erziehungskonzepts schien obsolet (ebd.). Neben der Entwicklung verschiedener Konzepte für den schulischen Sportunterricht etablierten sich stärker sozialwissenschaftliche Zugänge zur Thematik, die sich vor allem am (Hoch-)Leistungssport orientierten und den Leistungsbegriff u.a. mit der Einrichtung von Sportgymnasien oder auch des Leistungskurses Sport monothematisch begriffen. Daneben favorisierte der sogenannte „Zweite Weg“ die Orientierung am Breiten- und Freizeitsport mit einem wesentlich weniger engen Fokus auf sportmotorische Höchstleistungen. Insgesamt führten diese Spannungen auch zu einer Ausweitung des Leistungsbegriffs, der nunmehr eher als ein System begriffen wurde, in dem messbare Leistungen nur eine Auslegung unter anderen waren wie z.B.:
„zuschauen lernen, sich entspannen können, nachdenken lernen über sich und was man im Sport tut; sich konzentrieren auf eine Sache oder Tätigkeit; sich üben an einer Aufgabe, die man gut lösen möchte; einander bei schwierigen Aufgaben helfen, Schwächere unterstützen; alleine in einem Wald laufen u. a. m“ (Grupe, 1982, S. 186).
Begleitet und entfacht von den vielfältigen gesellschaftlichen Umbrüchen und sportlichen Entwicklungen wurde im Rahmen der Erneuerung des so bezeichneten Sportcurriculums stärker auf gesellschaftliche Erfordernisse und Entwicklungen des außerschulischen Sports rekurriert – primär sportlich-motorisch (Ballreich, Becker & Kayser, 1971) und rekreativ-freizeitorientiert (Dieckert, 1972). Daher rückten im Sportcurriculum solche Lernziele in den Fokus, welche einerseits gut operationalisierbar waren (hier: erfassbar und zugleich in Niveaustufen einteilbar) und andererseits auch (vermeintlich) im Sinne einer Unterrichtstechnologie anvisiert werden konnten. Leistung im Sportunterricht wurde demnach technokratisch ausgelegt, eingedenk der Gefahr sportlich-motorische Lernziele wegen ihrer besseren Passung zu diesen Prämissen zu fokussieren und weniger persönlichkeitsbildende Ziele[15] – letzteres schiene jedoch aus heutiger Perspektive besonders gewinnbringend im Kontext von (inklusivem) Unterricht.
Diese euphorische, jedoch kurze Phase provozierte in der Folge erheblichen Orientierungsbedarf hinsichtlich der pädagogischen „Sinn-Normen“ (Lange, 1975, S. 237) von Sportunterricht, welche in den 1980er und 1990er Jahren Gegenstand der Fachdiskussion waren. Grundsätzlich standen sich hier (bis heute) zwei Strömungen gegenüber (zusammenfassend Prohl, 2010), die mit ihrem grundlegenden Verständnis von Bewegung und Sport ein je typisches Leistungsverständnis implizierten. Auf der einen Seite die pragmatisch-qualifikatorische Strömung, die sich über das gesellschaftliche Phänomen des Sports im engeren Sinne legitimiert. Hier zementiert z.B. das „Sportartenkonzept“ mit dem Ziel „körperliche Leistungsfähigkeit möglichst verlustfrei in messbare Leistung umzusetzen“ (Söll, 1996, S. 36), die schulsportliche Orientierung am (Hoch-)Leistungs- und Wettkampfsport. Auch Kurz‘ (1990) prominenter Entwurf einer pragmatischen Sportdidaktik sieht Leistung ähnlich als eine zentrale Sinnrichtung, die die Lernenden auf das Feld des Sports vorbereiten soll (ebd., S. 61). Zentral für Leistung ist in diesem Kontext eine inhaltliche Aufladung aus dem gesellschaftlichen Handlungsfeld Sport. Schülerinnen und Schüler werden im pragmatisch-qualifikatorischen Sinne primär auf und für die gesellschaftliche Sache Sport vorbereitet: „Eine sozialhistorisch orientierte Reflexion der eigenen Erkenntnisposition wird ersetzt durch das, was sich im Lager des Sports als herrschendes Bewusstsein ausgebildet hat“ (Dietrich & Landau, 1990, S. 75). Dem gegenüber hinterfragt die kritisch-emanzipatorische Strömung das erzieherische Potential des Sports. Ähnlich wie bereits in der Theorie der Leibeserziehung werden philosophisch-anthropologische Begründungsmuster herangezogen und um historische sowie gesellschaftliche Betrachtungen ergänzt. So verstanden ist Leistung (auch) eine sportlich-motorische Größe, die es jedoch um weitere Bedeutungsdimensionen wie z.B. Kommunikation (Brodtmann et al., 1977) zu ergänzen gilt. In Ehnis (1977) Entwurf einer Sportdidaktik wird entsprechend das Anliegen verfolgt, den Lernenden ihre aktuelle Wirklichkeit des gesellschaftlichen Sports zu zeigen, um diese anschließend mit ihnen interpretativ zu deuten. Demnach wird Leistung innerhalb dieser Strömung stärker subjektseitig aufgelöst, in dem die Schülerinnen und Schüler z.B. gesellschaftliche Inszenierungen von Sport reflektieren und Distanz hierzu gewinnen (ebd., S. 107).
Auch seit den 2000er Jahren wird Leistung weiterhin als eine der zentralen pädagogischen Perspektiven im Rahmen des sogenannten „Erziehenden Schulsports“ gehandelt. Wenngleich hier sowohl die Verbesserung individuellen Könnens als auch das Thematisieren und Reflektieren von Leistungen im gesellschaftlichen Sport grundlegend zu sein scheinen (Kurz, 2000, S. 37-39), ist eine gewisse Engführung auf sportlich-motorische Leistungen tendenziell in den aktuellen kompetenzorientierten Lehrplänen zu erkennen (Ruin & Stibbe, 2014).
Zusammenfassend verdeutlichen die Darlegungen, dass Leistung im Schulsport seit jeher ein zentraler Aspekt ist, jedoch aufgrund unterschiedlicher Konnotationsmöglichkeiten auch hier – wie ebenso aus gesellschaftlicher Perspektive und mit Blick auf das Handlungsfeld Sport gesehen – keineswegs eine selbsterklärende Selbstverständlichkeit. Galt der (Hoch-)Leistungs- und Wettkampfsport zeitweise als alleinige Vorlage für Leistung im Schulsport – mit sicherlich deutlich exklusivem Potential –, scheint dies, ausgelöst durch die kritischen Auseinandersetzungen in den 1970er Jahren, die den Sport insgesamt betrafen, so nicht mehr tragfähig. Die Ausdifferenzierung des außerschulischen Sports geht einher mit einer Vielfalt an Fachkonzepten für den Sportunterricht, die Leistung in unterschiedlicher Weise von (Wettkampf-)Sport distanzieren bzw. relativieren und mitunter Anknüpfungs- oder auch Ansatzpunkte bieten, Leistung zielführend für inklusiven (Sport-)Unterrichts zu begreifen.
Vor dem Hintergrund dieser Vielfalt ist nun für die schulische Praxis von Sportunterricht aber die Frage virulent, was Lehrkräfte tatsächlich unter Leistung im inklusiven Schulsport verstehen. Schließlich sind sie maßgeblich für die Inszenierung von Sportunterricht verantwortlich. Ist Leistung für sie etwas, dass sich aus dem gesellschaftlichen Handlungsfeld des Sports ableitet und zu dem sie ihre Lerngruppe per se befähigen wollen? Oder berücksichtigt Leistung die individuellen Voraussetzungen der Lernenden und meint Selbsterfahrungen im Prozess des Bewegens, welche reflektiert werden können und sollten? Dies ist insbesondere interessant, da Sportlehrkräfte zum Großteil auf eine Sozialisation im Sportverein zurückblicken (Meier, 2015, S. 137), die wiederum im Sinne biographischer Prägung (z.B. Volkmann, 2008) die Auslegung des Unterrichtsgegenstands vielfach beeinflusst. Sportlehrkräfte scheinen sich gerne als Sportler zu inszenieren (Ernst, 2014), was durchaus auch als Ausdruck ihres Leistungsverständnisses interpretiert werden kann. Spannungen zwischen eigenen sportbezogenen Prägungen und fachwissenschaftlichen Ansprüchen sind offenbar vorprogrammiert.
Entsprechend zeigt sich beispielsweise in aktuellen Interviewstudien (Meier & Ruin, 2015; Ruin & Meier, 2015), dass Sportlehrkräfte vielfach ein stark verengtes Leistungsverständnis aufweisen, in dem sie es z.B. häufig begrüßen, sich an Tabellen zu orientieren, die bestimmte Punkte für Zeiten vorsehen: „[...] ok der ist dann jetzt 20 min gelaufen und das ist jetzt in der Altersstufe sind das 15 Punkte oder 14“ (Meier & Ruin, 2015, S. 92). So wird Leistung von einer „Benchmark“ (ebd.)[16] abgelesen, die dem gesellschaftlichen Sport entlehnt ist. Wenn Lernende diesen Leistungsnormen jedoch nicht entsprechen und ihnen auch nicht „angepasst“ werden können, birgt eine solche Orientierung an Leistung hochgradig exkludierendes Potential. Auch über (inklusiven) Schulsport hinaus entsteht hier das Bild, dass Individuen homogenisiert werden sollen.
„Dieser Raubbau an der Jugend ist mehr als bedenklich, aber der Imperativ der bildungsintensiven Erwerbsintegrationspräparation setzt weitgehend ungebremst seinen triumphalen Zeitfraß fort. Aber nicht alle sind geneigt, fähig oder ausreichend vom Elternhaus gestützt, um sich diesem sportiven Wettbewerb zu fügen. Er produziert Verlierer, die Bildungsverlierer“ (Becker, 2016, S. 126).
Ein reflexives Sich-ins-Verhältnis-setzen zu gesellschaftlichen Inszenierungen von z.B. Sport scheint für diese Lehrkräfte offenbar kein (leistungs-)bedeutsamer Aspekt zu sein.[17] Dem gegenüber gibt es aber auch Sportlehrkräfte, die angeben, individuelle Voraussetzungen zu berücksichtigen und Leistung als vielfältig zu deutendes Konstrukt zu verstehen (Ruin & Meier, 2015, S. 140):
„Letztlich definiert sich das für mich immer über Einsatzwille, Motivation, Teamgeist und da kann ich auch als leistungsstarker Schüler [...] keine eins abräumen, sondern einfach auch sagen, ne, wer meint, er ist hier der Beste und Stärkste und macht hier alles alleine und vergisst halt, dass er ein Team hat, der hat halt einen Teil vergessen.“
Leistung wird dann wesentlich breiter definiert als (ausschließlich) über objektiv messbare Aspekte. Es wird als essentiell verstanden, individuelle Voraussetzungen mit zu berücksichtigen und die eigenen Bewegungserfahrungen zu reflektieren. Ein solches Leistungsverständnis scheint insgesamt gewinnbringender für (inklusiven) Sportunterricht zu sein (Meier & Ruin, 2015).
Mitentscheidend für das inklusive Potential von Sportunterricht dürfte daher sein, welches Verständnis von Leistung Lehrkräfte zu Grunde legen, bzw. ob ihnen dieses eigene Leistungsverständnis überhaupt bewusst ist. Schließlich handelt es sich hierbei vor allen Dingen um ein pädagogisches Setting, in dem es nicht (absehbar) von vornherein um die Exklusion bestimmter Personengruppen gehen kann. Die verschiedenen Möglichkeiten, Leistung im Sportunterricht zu begreifen, sind daher kritisch zu reflektieren, auf ihre Passung für inklusiven Sportunterricht zu hinterfragen und ggf. zu modifizieren. Vermutlich ist es gewinnbringend, Leistung als individuell bestimmbares Konstrukt mit Schülerinnen und Schülern zu verhandeln sowie sportliche oder auch gesellschaftlich transportierte Leistungsverständnisse kritisch zu hinterfragen.
Leistung ist sowohl ein gesellschaftlich, sportlich und schulsportlich außerordentlich bedeutsamer Aspekt. Die Betrachtung dieser drei Felder fördert jedoch bisweilen sehr unterschiedliche Auffassungen von Leistung zu Tage, die einander inhaltlich tangieren, dies aber offenbar nicht zwingend müssen. Insbesondere vor dem Hintergrund des Inklusionsdiskurses scheint eine kritische Reflexion dieser Leistungsverständnisse interessant.
So ist z.B. danach zu fragen, ob oder inwiefern das Leistungsprinzip, welches gesellschaftliche Ordnung auf individuelle Leistungen zurückführt, überhaupt geeignet für eine sich als inklusiv begreifende Gesellschaft sein kann. Fragwürdig hieran erscheint u.a., dass dies offenbar in seiner gängigen Form eher Ungleichheiten zementiert und keine grundsätzliche Offenheit oder Veränderbarkeit gegenüber dem, was als Leistung begriffen wird, vorsieht. Dies spitzt sich weiterhin zu durch biologistische Vorstellungen vom Menschen (bzw. dessen Begabungen), welche scheinbar „naturgegebene“ (Leistungs-)Wertigkeiten zwischen Individuen anzuzeigen vermögen – eine quasi natürliche Ungleichheit wird damit zum „Normalzustand“; gegen den sich Benachteiligte im Grunde nicht auflehnen können. Problematisch am Festhalten des Leistungsprinzips scheint darüber hinaus, dass individuelle Leistungen als ursächlich für z.B. Selbstverwirklichung angesehen werden und damit ein gewisser Zwang zur Selbstoptimierung einhergeht, wie mitunter aktuell zu erkennen ist. So liefert z.B. ein Fitness-Lifestyle (Andreasson & Johansson, 2014) Referenzen, an denen Leistungen vermeintlich festgemacht werden können. Jedoch darf bezweifelt werden, dass derartige Leistungs-Selbstoptimierungen zur Vielfalt einer inklusiven Gesellschaft passen, zumal jene Zielrichtungen vermutlich weniger gemeinschaftlich verhandelt und von daher vielfach als fremdbestimmt wahrgenommen würden. Unter dem Deckmantel des Leistungstopos würde so letztlich verschleiert, dass es sich nicht um einen offenen auf individuellen Leistungen beruhenden Wettbewerb handelt, dem auch die Konfusion von Leistung und Erfolg zuträgt.
Da wir es aktuell mit „Marktgesellschaften zu tun haben, die nicht in erster Linie Leistungsbeiträge, sondern Markterfolge prämieren“ (Neckel, 2013, S. 47), wird ein Festhalten am Leistungsprinzip ohnehin fragwürdig. Wird gesellschaftlicher Erfolg, egal wie dieser zustande gekommen ist, als Prädiktor sozialer Ordnung gehandelt, rückt die individuell erbrachte Leistung in den Hintergrund. In diesem Sinne mag es auch nicht wundern, dass z.B. gedopt wird, um Erfolge zu erzielen; wobei dies sinnbildlich für eine Entkopplung von Anstrengung und Erfolg steht, die sicherlich nicht günstig für eine anzustrebende Leistungsgerechtigkeit (in einer inklusiven Gesellschaft) ist. Hier wird zweifellos die Vorstellung pervertiert, dass die „Prinzipien der Leistung und des unbestechlichen Leistungsvergleichs, der Konkurrenz und der Chancengleichheit [...] sich im sportlichen Wettkampf annähernd rein verwirklichen“ (Lenk, 2002, S. 206) lassen. Besonders prominent stellt sich demnach an dieser Stelle die Frage nach Chancengerechtigkeit: „Wenn ein Manager das tausendfache Gehalt von anderen Beschäftigten seines Unternehmens erhält, so bildet dies ein weiteres Beispiel dafür, dass die eigene ‚Leistung’ und der (bezahlte) Erfolg sich gegeneinander verselbständigt haben“ (Schäfer, 2015, S. 157). Fragwürdig ist dabei sicherlich die Verselbständigung von Leistung – sofern diese überhaupt noch auf eine einzelne Person zurückführbar ist – und Erfolg, aber auch der Umstand, dass nicht alle Personen einer Gesellschaft gleichermaßen die Möglichkeit haben, eine solche gesellschaftliche Position überhaupt einzunehmen.
In einer Gesellschaft, die sich als inklusiv versteht, gilt es entsprechend Leistung weniger in vorab definierter Form zu begreifen, als stärker von individuellen Gegebenheiten auszugehen, die es ermöglichen, das eigene Handeln als Leistung zu begreifen oder eben auch nicht. Eine Vielfalt dessen, was als Leistung verstanden werden kann, ist dann die Konsequenz. In einem solchen Verständnis kann über die Leistung einer Person keine allgemeingültige Aussage getroffen werden; letztlich gilt es zu berücksichtigen, was „leisten und leisten können“ (UN, 2008, S. 9) für ein Individuum bedeutet. Sicherlich ist diese Perspektive auf Leistung auch unabhängig vom Inklusionsdiskurs schon immer denkbar gewesen, spätestens in diesem Diskurs wird jedoch offensichtlich, dass es (in einer inklusiven Gesellschaft) grundsätzlich problematisch ist, soziale Ordnung über vollbrachte Leistungen herstellen zu wollen.
Bislang tragen Schulsysteme als „Zuteilungssysteme für Lebenschancen“ (Fend, 1980, S. 31) allerdings stark über die Anwendung des Leistungsprinzips zur Herstellung sozialer Ordnung bei. Das Bildungssystem als gegenwärtiger „Selektionsweltmeister“ (Becker, 2016, S. 128) scheint dabei jedoch kaum kompatibel, eine individuelle Auslegung von Leistung zu befördern. Hier wäre eine stärkere Betonung der Qualifikationsfunktion wünschenswert, um individuelle (auch als solche empfundene) Leistungen anzubahnen und zu würdigen. Wenngleich in der Hinwendung zu Bildungsstandards und kompetenzorientierten Lehrplänen ein Ansatz gesehen werden kann, die Qualifikationsfunktion wiederzubeleben, so muss hier kritisch eingewandt werden, dass festgelegte Bildungsstandards letztlich wenig Spielraum für individuelle Leistung im oben genannten Sinne lassen (Sturm, 2015), wie es für inklusive Settings wünschenswert wäre.
Ein derartiger Spielraum ist im Feld des Sports durch die historisch entstandene Relativierung und Flexibilisierung des Leistungsverständnisses zwar möglich geworden[18], jedoch gilt dies in erster Linie für einen Teilbereich (Freizeit), der für die Herstellung sozialer Ordnung vermutlich weniger Relevanz besitzt. Hier aber geht es eben nicht mehr nur um „ein System der Gleichheit, sondern der Verschiedenheit“ (Palm, 2002, S. 35).
Im Schulsport kam eine solche Relativierung bislang allerdings nur bedingt an. So legen beispielsweise Lehrplananalysen nahe, dass Leistung im Fach Sport erstens stark betont und zweitens vielfach eher in traditionell enger Weise ausgelegt wird (Ruin, 2015), Interviewstudien mit Sportlehrkräften zeigen ein ähnliches Bild (Meier & Ruin, 2015). Dies könnte einerseits darin begründet liegen, dass der Schulsport sich auf konzeptioneller Ebene wie auch auf der Ebene der Lehrkräfte traditionell am außerschulischen Leistungs- und Wettkampfsport orientiert (Prohl, 2010). Andererseits ist aber auch auffällig, dass die vielschichtigen Debatten um Leistung in den Erziehungswissenschaften (z.B. Schäfer & Thompson, 2015; Sturm, 2015) im sportpädagogischen Diskurs bislang wenig Beachtung finden und zudem entsprechende eigene Debatten nur zaghaft geführt werden.
Resümierend lässt die Beleuchtung des Leistungstopos für Inklusion demnach vielfältige diskussionswürdige Ansatzpunkte erkennen, wobei hier besonders ein Blick in die Felder Schule, Sport und Sportunterricht (Konflikt-)Potenziale zum Vorschein bringt. Inwiefern solche Ansatzpunkte auch geeignet sind, zur Ausdeutung jenes allgegenwärtigen terminus technicus in weiteren (Fach-) Kontexten beizutragen gälte es im Einzelnen zu prüfen. Zweifellos ist Leistung aber keine Selbstverständlichkeit.
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[2] Insbesondere das höhere Bildungswesen setze nämlich immer schon voraus, was es zu vermitteln vorgebe – beispielsweise die Beherrschung gehobener Sprachcodes oder ein bestimmtes ästhetisch kulturelles Verständnis – und fordere damit Kompetenzen ein, die primär im sozialen (familiären) Umfeld erworben werden. Somit werde die inszenierte Auslese (anhand allgemeiner Leistungskriterien bei formell hergestellter Chancengleichheit) zum Schein und die stattfindende Reproduktion sozialer Ungleichheit letztlich nur verschleiert (Bourdieu & Passeron, 1971).
[3] Offe (1972, S. 165-171) kommt des Weiteren – ähnlich zu Krockow (1974b) – zu dem Schluss, die fortschreitende Differenzierung der Arbeitsorganisation mache den Beitrag eines Einzelnen zum Arbeitsprozess immer weniger identifizierbar, weswegen seiner Ansicht nach das Leistungsprinzip eher zum Stabilisierungsfaktor bestehender Verhältnisse als zum Motor sozialer Mobilität wird.
[4] Klafki (1974, S. 84; ebenso 1991, S. 221) schließt hier allerdings ausdrücklich schwer körperlich oder geistig „geschädigte“ Menschen aus.
[5] Heckhausen (1974a, S. 127-160) verleitet dies dazu, zum Schluss seiner Motivationspsychologischen Studie zu Leistung und Chancengleichheit in unserer Gesellschaft zehn Dilemmata der Gleichheit der Bildungschancen aufzuzeigen und sich daranzumachen diese positiv zu wenden.
[6] Aktuell wird diskutiert, ob weiterhin explizit das Bildungssystem die Allokationsfunktion übernehmen müsse oder ob dies nicht auch außerhalb geschehen könne. Eine diesbezügliche Kontroverse ist u.a. ob jene Funktion dann nicht weniger transparent und mit einer deutlich geringeren pädagogischen Intention vonstatten ginge (u.a. Ahrbeck, 2014).
[7] Klafkis pädagogischer (und emanzipatorischer) Entwurf von der Leistungsschule (s.o.) scheint für derart funktionalistisch-kapitalistische Gesellschaftsentwürfe, wie sie Fend paraphrasiert, jedoch ebenso wenig geeignet; viel zu gering ist die Steuerbarkeit der zu erwerbenden Qualifikationen.
[8] Aus Perspektive mancher „Leistungsapologeten“ waren daher nun nicht mehr vermeintliche „Sportfeinde“ das größte Problem, sondern „bekennende“ Sportler, die als Funktionäre, Wissenschaftler oder Pädagogen z.T. durchaus relevante Positionen im System bekleideten und durch ihre interne Kritik den Sport vermeintlich zu spalten drohten (Wopp, 1995, S. 63f.), was „heftige und z.T. polemische Auseinandersetzungen in der sportwissenschaftlichen und sportpolitischen Diskussion“ (Dieckert, 2002, S. 29) nach sich zog.
[9] Zur grundsätzlichen Problematik solcher (und anderer) anthropologischen Annahmen für eine inklusive Sportpädagogik vgl. Giese (2016).
[10] Vgl. auch die dortigen Anmerkungen zur Problematik der Erfassung von „Sportaktivität“.
[11] Diese und nachfolgende Zahlen stammen aus den Statistiken zu den Bestandserhebungen des DBS, siehe http://www.dbs-npc.de/dbs-downloads.html (Zugriff 05.07.2016).
[12] Daher ist es wohl kein Zufall, dass der Präsident des Internationalen Paralympischen Kommittees Philip Craven noch vor einigen Jahren der Ansicht war, der Inklusionsbegriff gehöre in den „litterbin of history“ (Eisenstein & Steven, 2012, S. 161).
[13] Die hier genannten Aspekte werden auch in späteren Grundlegungen noch als essentiell berücksichtigt (z.B. Kurz, 2000, S. 21-23).
[14] Zeithistorisch wäre es interessant zu prüfen, in welchem Verhältnis dieses Leistungsverständnis zum damals auf gesellschaftlicher Ebene prominenten ökonomischem Leistungsbegriff stand.
[15] Entsprechende Kritik ließ daher auch nicht lange auf sich warten (u.a. Grupe, 1982).
[16] Bemerkenswert ist hier zudem, dass Leistung durch einen primär in der Wirtschaft gebrauchten Begriff umschrieben wird und dadurch signalisiert, dass einige Schülerinnen und Schüler diesen (Leistungs-) Zustand wohl nicht oder niemals in dem Maße erreichen können wie andere (hierzu auch Meier & Ruin, 2015, S. 92-93).
[17] An dieser Stelle wäre es interessant der Frage nachzugehen, inwiefern gerade das Leistungsverständnis von Sportlehrkräften eine bestimmte fachkulturelle Prägung bzw. ein solches Selbstverständnis anzudeuten oder auch zu begünstigen vermag (z.B. Volkmann, 2008).
[18] Die These, dass Sport per se exkludierendes Potential aufweise, muss also dahingehend differenziert werden, dass es zwar bestimmte, durchaus auch dominante Verständnisse von Sport und Leistung gibt, die dieses Potential sicherlich besitzen – dies aber nicht die einzig mögliche Auffassung von Sport und Leistung ist.