Abstract: Inklusion ist mindestens in den drei bildungswissenschaftlichen Themenfeldern Behinderung, Armut und Migration in den letzten vier Jahrzehnten zum zentralen Schlagwort geworden. In seiner kritischen Variante steht es für einen grundlegenden Paradigmenwechsel. Trotz des Unbehagens, mit dem folgenden Überblick in der „Zeitschrift für Inklusion“ möglicherweise Eulen nach Athen zu tragen, werde ich kurz einige zentrale Aspekte des mit Inklusion verbundenen Paradigmenwechsels darstellen. Dabei geht es mir an dieser Stelle nicht um die didaktische Umsetzung und Schwierigkeiten der Realisierung. Ziel meines Beitrags ist es, einige theoretische Grundlagen des Begriffs zu reflektieren und einige Überlegungen zu einer Weiterentwicklung eines kritischen Begriffs von Inklusion zu skizzieren. Dafür werde ich im Anschluss an die Darstellung des Paradigmenwechsels den Begriff Citizenship einführen und die Forschungsperspektive Inclusive Citizenship[1] vorstellen. Ziel ist es, mit dem Ansatz von Inclusive Citizenship einen Impuls für einen herrschaftskritischen, dynamischen und hegemonietheoretisch fundierten Begriff von Inklusion herauszuarbeiten.
Stichworte: Inklusion, Citizenship, Exklusion, Macht, soziale Bewegungen, Migration, Behinderung, Armut, Gender, Heteronormativität, Staatsbürgerschaft
Inhaltsverzeichnis
In bildungspolitischen und bildungswissenschaftlichen Kontexten ist „Inklusion“ in aller Munde. Dabei bleibt oft unbestimmt, was mit diesem Begriff genau gemeint ist. Kerstin Hazibar und Paul Mecheril formulieren treffend und polemisch die mit der Omnipräsenz des Begriffs verbundene Gefahr:
„‘Inklusion‘ ist mithin eine ganze Menge, beispielsweise: ein leerer, multipel instrumentalisierbarer Signifikant; eine modische Formel, die (wissenschafts-)kulturell mittlerweile in bestimmten Feldern bedient werden muss; ein professionelles Karrierefeld; eine aktuelle Möglichkeit, die eigene (wissenschaftliche) Expertise wirksam und öffentlich werden zu lassen.“ (Hazibar / Mecheril 2013)
Inklusion – als Label auf einem Markt – kann auch zur Verstetigung von segregativen Praxen und institutionellen Exklusionsmechanismen, also dem Gegenteil des Intendierten, beitragen. Um solchen Prozessen vorzugreifen und eine Ausweitung des kritischen Potenzials des Ansatzes von Inklusion zu gewährleisten, erscheint eine grundlagentheoretische Auseinandersetzung geboten. In den letzten zwei Jahrzehnten sind in den Themenbereichen Behinderung, Migration und Armut eine Reihe von solchen kritischen Ansätzen entwickelt worden, an deren Paradigmenwechsel der hier vorgestellte Ansatz von Inclusive Citizenship anschließen will, ohne sich jedoch dabei auf diese Themenbereiche zu beschränken.
Im Themenbereich Migration grenzt sich das Konzept der Inklusion vom Ansatz der Integration ab (Viola 2015). Integration wurde in den politischen Auseinandersetzungen um die Migrationsgesellschaft in der Regel als Anpassung von der undifferenzierten Gruppe von Menschen mit Migrationshintergrund an eine als homogen vorgestellte nationale Gemeinschaft verstanden. Integration versprach zwar Teilhabe, fungierte jedoch zugleich häufig als Exklusionsmechanismus. (Castro Varela 2013) Vor diesem Hintergrund wurde Migration tendenziell als Ausnahme, als Abweichung vom Normalfall angesehen. Dieser Haltung setzen VertreterInnen des Inklusionsansatzes die migrationsgesellschaftliche Realität entgegen, in der Migration eher die Regel als die Ausnahme darstellt. Im Fokus dieser Ansätze stehen auch die Konsequenzen für die Betroffenen, die im Integrationsparadigma als Problem erscheinen. Integration erscheint so als einseitiger Forderungskatalog an sogenannte Menschen mit Migrationshintergrund. Mit Inklusion werden statt dieser personalisierenden Perspektive vielmehr gesellschaftliche Strukturen, die Nicht-Zugehörigkeit und gesellschaftliche Marginalisierung verursachen, in den Blick genommen. Während einige die Kategorie der Integration aus den genannten Gründen in toto für obsolet erklären, schlagen andere vor, sie als wissenschaftlich-analytische Kategorie zu verwenden und führen ihre deskriptiven Vorteile gegenüber Inklusion an. Während der Begriff Inklusion einen Einschluss des Individuums in die Gesellschaft nahelegt, können mit Integration als wissenschaftlich-analytischer Kategorie differenziertere Analysen von temporärer oder dauerhafter Teilhabe und Nicht-Teilhabe von Subjekten in spezifischen, gesellschaftlichen Teilsystemen vorgenommen werden. Dies ändert nichts daran, dass die gesellschaftspolitische Realität des Integrationsparadigmas aus beiden Perspektiven als höchst problematisch erscheint. In jedem Fall geht die Auseinandersetzung um Inklusion mit einem Paradigmenwechsel im Themenbereich Migration einher. Eine Schwierigkeit besteht zusätzlich darin, dass die Bezeichnung Migration für diesen Themenbereich möglicherweise irreführend bzw. unzutreffend ist, denn von den Exklusionsmechanismen sind auch Menschen betroffen, die nie an einem anderen Ort oder Landelebt haben und aufgrund verschiedener Merkmale von Exklusion betroffen sind, wie etwa Schwarze, Jüd_innen, Sinti, Roma oder die Nachkommen von Arbeitsmigrant_innen der x-ten Generation. Möglicherweise wäre die Bezeichnung Migrationsgesellschaft oder Rassismus hier treffender, um das Ensemble an Exklusionsmechanismen in diesem Bereich zu beschreiben. Außerdem suggeriert die Verwendung von Migration, dass das ‚Problem‘ auf Seite der Migrant_innen liegt. Diese Klärung bleibt an dieser Stelle aber offen, da die Theoretisierung der Exklusionsmechanismen im Ansatz Inclusive Citizenship in den folgenden Abschnitten noch diskutiert wird.
Der wissenschaftliche Diskurs um Behinderung hat wie kein anderer das Thema Inklusion in den Fokus gerückt. Nachdem der Ansatz von Inklusion in den 1960er Jahren in den USA erstmals formuliert wurde, ist der Ruf nach Inklusion – spätestens seit der Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention 2006 in zahlreichen Ländern – zum allgegenwärtigen Credo geworden. Behinderung wird in dieser Perspektive nicht mehr als etwas gesehen, das im Wesentlichen als medizinisches Problem behandelt und im besten Fall therapiert werden kann (Köbsell 2012; Mürner / Sierck 2009; Waldschmidt 2007). Mit einigen Umwegen und Vorläufern – wie etwa der durch Skandinavien inspirierten Diskussion, wo zuerst durch die Aufhebung segregierender Strukturen als behindert angesehen Menschen in die normalen gesellschaftlichen Abläufe und Institutionen einbezogen werden sollten – wurde das Inklusionsparadigma hier zum zentralen normativen Bezugspunkt. Kritische Ansätze von Inklusion – sowohl innerhalb der Sonderpädagogik als auch in den Disability Studies – stellen heraus, dass nicht eine Person behindert ist, sondern durch gesellschaftliche Strukturen behindert wird. Aufgrund der Notwendigkeit die Separation durch gesellschaftliche Einrichtungen, wie Schulen, und die Normalisierungsprozesse in der kapitalistischen Leistungsgesellschaft insgesamt infrage zu stellen, um dem Anspruch von Inklusion gerecht zu werden, steht die Sonderpädagogik vor der paradoxen Aufgabe das ‚Sonder‘ aus ihrer eigenen Fachbezeichnung zu streichen und die aus dem 19. Jahrhundert stammende Konzeption der allgemeinen Pädagogik neu zu erfinden (Hazibar / Mecheril 2013).
Ebenfalls zentral wurde der Ansatz der Inklusion in der wissenschaftlichen Debatte um Armut. So strukturierte sich in den 1990er Jahren der Diskurs neu. Insbesondere ausgehend von französischen Auseinandersetzungen fand – dies steht hier exemplarisch für eine Vielfalt von hegemonialen Diskursen – eine Neu-Etikettierung von Bildungs-, Sozial- und Forschungsprogrammen in der EU statt, in der insbesondere der Gegenbegriff von Inklusion, soziale Exklusion den Begriff Armut ersetzte (Kronauer 2013). Kritische VertreterInnen des Ansatzes der sozialen Exklusion sehen hier sowohl Chancen als auch Gefahren. Die Gefahr wird hier im Wesentlichen darin gesehen, dass die Debatte und Policies in Bezug auf soziale Ungleichheit durch das Label der sozialen Exklusion nicht mehr auf die Minderung sozialer Ungleichheit zielen, sondern die durch die Betroffenen zu erbringende und zu unterstützende Leistung der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben trotz Armut als Lösungsweg angesehen wird. Gegenwärtig ist hier das Konzept der ‚Aktivierung’ als ein Dominantes hervorzuheben, das auch die sozialgesetzlichen Verschärfungen durch die Hartz-Reformen charakterisiert. Diesen Fallstrick des Exklusionsansatzes lässt sich bereits bis zu seiner ersten größeren Mainstreaming durch René Lenoir beobachten. In seinem wirkmächtigen Buch Les Exclus (1974) erweitert der spätere sozialpolitische Berater der Regierung Chirac zwar die Gruppe der Ausgeschlossenen stark auf bis zu sechs Millionen, indem er alle dazu zählt, die – „körperlich und geistig Behindert, erwerbsunfähige alte Menschen, sozial Unangepasste“ (Castel 2008: 76) – eine Unfähigkeit aufweisen, so wie alle zu leben. Exklusion wird hier, wie so oft, ausgehend von einer persönlichen Schwäche, also vom Defizit der Ausgeschlossenen aus gedacht. Ein weiterer Fallstrick des Begriffs der sozialen Exklusion ist die seit den 1990er Jahren beobachtbare einseitige Fokussierung des Ansatzes der sozialen Exklusion auf die Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Exklusion findet häufig nicht durch die Absenz von Arbeit, sondern durch die Realität der Arbeit selbst statt, die oft durch Prekarität und Diskriminierung geprägt ist. Andere Ausgrenzungsfaktoren jenseits von Erwerbslosigkeit werden hier häufig dethematisiert. Die Chance wird darin gesehen, dass die Perspektive der sozialen Exklusion – verstanden als Ausschluss in der Gesellschaft – die Möglichkeit eröffnet, verschiedenste Exklusionsprozesse und Möglichkeiten ihrer Überwindung zusammen und in ihren Überschneidungen zu denken (Kronauer 2013: 22).
In den drei Themenbereichen Migration, Behinderung und Armut wurde der Begriff Inklusion auf verschiedene Weise geprägt. Dennoch lassen sich einige Gemeinsamkeiten feststellen, deren Gesamtheit ich als Paradigmenwechsel bezeichne. Eine Anmerkung, um Missverständnisse zu vermeiden: Der mit dem Ansatz Inclusive Citizenship verbundene Begriff von Inklusion und Exklusion ist dabei keineswegs auf diese drei Themenbereiche beschränkt. Zum einen lässt sich das analytische Instrument der Inklusion/Exklusion auf andere Themenbereiche erweitern, zum anderen lassen sich ähnliche Paradigmenwechsel in anderen Themenbereichen feststellen. Beispiele hierfür stellen die Themenbereiche Gender und Sexualität dar, die beide spätestens mit dem Aufkommen der queer theory einen ähnlichen Prozess der Ent-Essentialisierung und der Umdrehung der Perspektive durch die Analyse von Gender und Heteronormativität als machtvolle gesellschaftliche Konstruktionen durchliefen und -laufen.[2] Der Versuch der gemeinsamen Theoretisierung von Exklusionsprozessen durch den Ansatz Inclusive Citizenship bietet die Möglichkeit, Parallelen und Unterschiede von Exklusionsmechanismen und inklusiven Praxen aufzuzeigen, aber auch die Verwobenheit, also eine nicht additionale Perspektive von Intersektionalität zu entwickeln.
Inklusion ist sowohl eine analytische als auch eine normative Kategorie. Insbesondere aus einer systemtheoretischen Perspektive werden regelmäßig bildungswissenschaftliche Ansätze dafür kritisiert, dass sie den Begriff rein normativ verwenden würden und stellen diesem eine vermeintlich nicht-normative und ‚wertneutrale‘ Verständnis von Inklusion entgegen.
„Aus dem Blickwinkel der Systemtheorie bzw. der gesellschaftlichen Funktionssysteme beschreibt Inklusion […] kein (positives) gesellschaftliches Ziel, das auf der Grundlage gemeinsamer Handlungsperspektiven oder Solidaritätserwartungen angestrebt wird, sondern charakterisiert wertneutral das moderne Passungsverhältnis von Individuum und Gesellschaft bzw. die Voraussetzung für die Entstehung und Aufrechterhaltung der differenzierten Gesellschaftsstruktur.“ (Wansing 2007: 278)
Die Konstruktion dieser Dichotomie von analytisch und normativ und der damit einhergehenden Konstruktion von Inklusion als ‚wertneutralem‘ Analyseinstrument muss aus mehreren Gründen problematisiert werden. Volker Schönwiese macht zurecht stark, dass aus einer solchen Perspektive beispielsweise „Kinder in Sonderschulen als in moderne Gesellschaften inkludiert“ (Schönwiese 2009: 288) zu bewerten seien. Inklusion bedeutet nicht – auch wenn dies etymologisch naheliegt – Einschluss. Vielmehr ist Einschluss eines der zentralen Mittel der Exklusion, wie an Institutionen wie Gefängnissen, Abschiebegefängnisse, Flüchtlingslager, Psychiatrien, Konzentrationslager Waisenhäuser, Arbeitshäuser usw. deutlich wird. Exklusion bedeutet also nicht einfach Ausschluss im Sinne einer Aussperrung, sondern bezeichnet eine Vielfalt von Prozessen, die eine Ungleichheit begründen und zu einer ungleichen Teilhabe an gesellschaftlichen Ressourcen führen. Kerstin Hazibar und Paul Mecheril (2013) markieren den Begriff der Inklusion dementsprechend als ein „politisches Begehren nach Ausweitung von Rechten“ und Teilhabe, das theoretisch vielfältige Ausprägungen haben kann und je nach Kontext transformierbar ist. Das Spannungsverhältnis von der normativen und der analytischen Ebene wird mit diesem Verständnis nicht zugunsten des Einen aufgehoben, sondern bleibt vielmehr notwendigerweise in allen Auseinandersetzungen um Inklusion und Exklusion präsent. Mit dem hier vertretenen Ansatz von Inclusive Citizenship ist dies zwangsläufig so, da die Analyse von Inklusion und Exklusion unweigerlich und grundlegend mit der Frage der Macht verknüpft ist.
Im Folgenden sind noch einmal schlaglichtartig die zentralen Punkte aus den emanzipatorischen Debatten um Inklusion aufgeführt, an denen der Ansatz der Inclusive Citizenship anknüpft:
Die Komplexität wird zusätzlich dadurch gesteigert, dass die bezeichneten Gruppen, die als normal/unnormal, Mehrheit/Minderheit, usw. nicht einfach existieren und dann mit bestimmten Attributen und Wertungen belegt werden. Vielmehr werden diese Gruppen selbst erst im Kontext von Inklusions- und Exklusionsprozessen hervorgebracht, ob als Fremd- oder als Selbstzuschreibung. Sowohl eine analytische als auch eine pädagogische Praxis kann aber gar nicht anders, als trotzdem auf diese Begriffe zu rekurrieren. Eine kritische Haltung zeichnet sich dementsprechend nicht zuletzt dadurch aus, die dadurch entstehenden Widersprüche zu reflektieren und das Spannungsverhältnis selbst zum Ausgangspunkt der Reflexion zu machen. Dieser Problematik versucht auch der Ansatz Inclusive Citizenship gerecht zu werden.
Citizenship ist ein schillernder Begriff. Er ist mit Staatsbürgerschaft nur unzureichend und je nach Kontext sogar irreführend übersetzt, weswegen hier am englischen Begriff festgehalten wird. In gängigen Lexika wird Citizenship zunächst als eine juristische Kategorie definiert, ganz im Sinne von der deutschen Übersetzung Staatsbürgerschaft. In diesem Sinne bezeichnet Citizenship gegenwärtig die Zugehörigkeit zu einer nationalstaatlich verfassten Gemeinschaft. Die meisten Lexikoneinträge dazu definieren Citizenship auf diese Art. Exemplarisch sei hier der erste Satz der Stanford Encyclopedia of Philosophy angeführt, in dem Citizen auf folgende Art definiert wird: „A citizen is a member of a political community who enjoys the rights and assumes the duties of membership.” (Leydet 2014) Unterschieden wird häufig zwischen einem republikanischen und einem liberalen Verständnis von Citizenship. Als das zentrale Prinzip des republikanischen Verständnisses wird die zivile Selbstverwaltung (civic self-rule) einer Gemeinschaft ausgemacht, deren Citizens im Anschluss an Aristoteles fähig sind, zu regieren und regiert zu werden. Das liberale Modell hat seine Wurzeln im römischen Imperium. Die Ausweitung des römischen Imperiums und die damit einhergehende Ausweitung von Citizenship auf Teile der eroberten Bevölkerungen brachte ein anderes Verständnis von Citizenship hervor. Citizenship bedeutete hier, dass Individuen qua Citizenship-Status vom Recht geschützt sind. Es zielt also weniger auf politische Beteiligung als auf einen legalen Status (ebd.). Diese populäre Unterteilung in liberal und republikanisch ist jedoch nur eine unter vielen möglichen Modellierungen der Bedeutungsdimensionen von Citizenship – mit dem Ansatz Inclusive Citizenship schlagen wir einen anderen vor. Bevor dieser vorgestellt wird, möchte ich noch einen kurzen Blick in einige Momente der Debatte um Citizenship werfen.
Einschlägig für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Citizenship ist der Text von Thomas H. Marshall „Citizenship and Social Class“ (1950), der die Debatten für Jahrzehnte bestimmte und bis heute als zentraler Ausgangspunkt ausgemacht wird. Dieser Text wird auch als Gründungsdokument moderner Citizenship Studies bezeichnet (Isin / Wood 1999: 25). Auch wenn es hier um die Grenzen von – und die Abgrenzung zu – dem Ansatz von Marshall geht, bauen doch gegenwärtige Ansätze der Citizenship Studies auf seinem Konzept auf (Isin / Turner 2009: 5) In der britischen Nachkriegszeit skizzierte Marshall eine historische Entwicklung von Citizenship von zivilen über politischen bis zu sozialen Rechten. Wie es bei einem inoffiziellen Gründungsdokument einer Disziplin (Citizenship Studies) zu erwarten ist, kommt kaum ein Ansatz dieser Disziplin ohne einen expliziten oder impliziten Bezug zu Marshall aus. Ich werde im Folgenden dementsprechend nicht den aberwitzigen Versuch unternehmen, die Rezeption seines Werkes nachzuzeichnen. Stattdessen werde ich sechs, in den Citizenship Studies formulierte Kritikpunkte herausarbeiten, die für die Konzeption des Ansatzes Inclusive Citizenship wichtige Ausgangsüberlegungen darstellen, an die angeknüpft wird.
(i) Wer sind die Citizens? Wessen Bürgerrechte?
Eine häufig formulierte Kritik am Konzept von Marshall ist, dass sein Begriff und die von ihm formulierte Geschichte von Citizenship sich als universell darstellt, allerdings auf einem partikularen Subjekt basiert, nämlich auf dem Bild des männlichen, heterosexuellen, vollbeschäftigten, nicht von Rassismus betroffenen, nicht als behindert geltenden, im globalen Norden. Die Kritik der falschen Universalisierung und der damit einhergehenden Ausblendung anderer Differenzlinien und des postkolonialen Kontextes gelten auch für aktuellere Typologien von Citizenship, wie beispielsweise die sehr einflussreiche von Bryan Turner von 1990 (Yuval-Davis 1997: 5). In der Regel wird die Ausblendung zahlreicher anderer Herrschafts- und Exklusionsformen durch die Kontextualisierung in die britische Nachkriegszeit erklärt. Seit damals habe sich viel verändert, weswegen die Ausblendungen Marshalls nicht mehr zeitgemäß seien. So beispielsweise der besagte Bryan Turner einige Zeit später: „The underlying assumption behind the Marshallian citizen – the white, male, fully employed, heterosexual father – are increasingly globally irrelevant.“ (Turner 2014: 591) Die wesentliche Veränderungen werden in der Literatur insbesondere im Prozess der Globalisierung und im massiven Abbau des Wohlfahrtstaates im Rahmen der Neoliberalismus ausgemacht. Marshalls Konzept zielt auf die Etablierung von sozialen Rechten als Grundlage des Ausbaus des Wohlfahrtsstaates und basiert auf dem Glauben an die Fähigkeit des Staates den Einzelnen vor sozialer und ökonomischer Unsicherheit zu schützen (Jones / Gaventa 2002: 3). Nach Marshall haben sich sukzessive im 18. Jahrhundert die zivilen Rechte, im 19. Jahrhundert die politischen Rechte und im 20. Jahrhundert die sozialen Rechte entwickelt. War die Etablierung der zivilen Rechte eine Voraussetzung des Kapitalismus mit seiner marktbasierten Ökonomie (Marshall 1950: 33), stellten ihre Durchsetzung für große Teile der Bevölkerung keine substanzielle Veränderung ihrer Lebenssituation dar: „A property right is not a right to possess property, but a right to acquire it, if you can, and to protect it, if you can get it. But, if you use these arguments to explain to a pauper that his property rights are the same as those of a millionaire, he will probably accuse you of quibbling.” (ebd.: 35) Dieser Situation stellt Marshall das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard entgegen, der durch den Staat – insbesondere das Bildungssystem und den sozialen Bereich – gewährleistet werden soll (Marshall 1950: 11). Der Wohlfahrtsstaat wird also für die Eindämmung sozialer Ungleichheit sorgen. Für Marshall stellte die soziale Klasse die wesentliche, wenn nicht einzige Dimension dieser Ungleichheit dar. Er erwähnt – allerdings ohne daraus Schlussfolgerungen für sein Konzept zu ziehen – Geschlechterunterschiede, hier insbesondere den Ausschluss von Frauen aus dem Arbeitsmarkt und von politischen Rechten, andere Dimensionen von Ungleichheit kommen nicht zur Sprache (Roach Anleu 2000: 215). Allerdings basierte auch die soziale Klasse in den 1950er Jahren in Großbritannien bereits auf einer Vielzahl von verschränkten Herrschaftsstrukturen, die in der sozialdemokratischen Sicht ausgeblendet wurden. Der reduktionistische Fokus von Marshall und vieler seiner Zeitgenoss_innen ist also nicht einfach auf das Problem der Unvorhersehbarkeit des Neoliberalismus zu beschränken (ebd.). Hier zeigt sich vielmehr ein grundsätzliches Problem, das die etablierten Gewerkschaften und die sozialdemokratische Theorie an den Universitäten damals und teilweise auch heute durchzieht; nämlich die Privilegierung des Bildes des weißen, vollbeschäftigten, im Facharbeitersektor oder der Verwaltung tätigen, nicht von Rassismus betroffenen, männlichen usw. Subjekts, das implizit das Subjekt des Citizenshipkonzepts von Marshall darstellt. In den Citizenship Studies wurde dieser Fokus zu einem zentralen Kritikpunkt, der nicht durch eine einfache Erweiterung gelöst werden konnte, da das Konzept als solches auf dieser Prämisse aufbaute.
(ii) Citizens eines Nationalstaats?
Eine weitere häufig formulierte Kritik an Marshalls Konzept ist, dass sein Konzept von Bürgerrechten an den Nationalstaat gebunden ist. Durch die Nicht-Reflexion des Nationalstaats als Denkvoraussetzung bleiben eine Vielzahl von Phänomenen unberücksichtigt, die in den letzten Jahrzehnten der Citizenship Studies zentral geworden sind. Citizenship gerät hier als ein Regime (Guillaume 2014: 151) in den Blick. Dieser nationskritischen Perspektive zufolge beschreibt Citizenship nicht in erster Linie die Rechte und Pflichten der Citizens, sondern markiert die Grenzen einer Gemeinschaft. Citizenship wird so zur Institution, die in Citizens und Non-Citizens eines Nationalstaats unterscheidet – es wird zum zentralen Element eines Zugehörigkeitsregimes. Angesichts der Allgegenwärtigkeit von Migration stellt Citizenship als Regime nicht nur (und vielleicht nicht mal in erster Linie) eine Beschränkung von Migration dar, sondern ist vielmehr als eine Ausweitung der Grenze als stratifizierende, verschiedenste gesellschaftliche Bereiche strukturierende und das Alltagsleben von der Reproduktion bis zur Arbeit durchziehende Institution zu begreifen (Mezzadra / Neilson 2013). So werden – um zwei Beispiele zu nennen – sowohl Abschiebungen als staatliche Praxis von Citizenship (Guillaume 2014: 153) begriffen, als auch die Strukturierung von Arbeitsmärkten nur vor dem Hintergrund von nationalen Zugehörigkeitsregimen verstehbar. Mezzadra und Neilson prägten hierfür den Begriff der „differential inclusion“ (2013: 181, 249), der der Annahme von Marshall des universellen Status von Citizenship widerspricht. „Citizenship is a status bestowed on those who are full members of a community. All who possess the status are equal with respect to the rights and duties with which the status endowed.” (Marshall 1950: 28) Differenzielle Inklusion bezeichnet den Vorgang der abgestuften Teilhabe; Zugehörigkeit regelt sich in der gegenwärtigen Welt nicht primär nach dem Schema ja oder nein, sondern es erfolgt eine Abstufung, die in Bezug auf Migration beispielsweise von der Illegalität über eingeschränkte Rechte via Aufenthaltstitel bis zu Alltagsrassismus trotz formeller gleicher Rechte reicht. Zwar führte Marshall die kategoriale Unterscheidung von formellen und substanziellen Rechten ein, ignoriert aber zugunsten seiner Privilegierung des weißen, festangestellten citizen-workers systematisch andere Herrschaftsdimensionen (Crowley 1998). Diese Dimensionen der Stratifizierung innerhalb eines Nationalstaats und Bürger_innenschaft ließen aber auch die von Marshall durch die Durchsetzung der sozialen Bürgerschaft angestrebte Gleichung von Bürger_in und Arbeiter_in zu einer Farce werden (Mezzadra / Neilson 2013: 249). Ebenfalls an Marshall kritisiert wird die konstitutive Bindung der nationalen Bürgerschaft an ein Arbeitsregime, das Arbeit als Opfer, Pflicht und zentrales Kriterium der Mitgliedschaft der nationalstaatlichen Gemeinschaft erklärt (ebd.). Étienne Balibar zeigt, wie die Entwicklung sozialer Bürgerschaft nicht zuletzt in der Nachkriegszeit nur unter der „Verstärkung der Gleichung Bürgerschaft = Nationalität“ (Balibar 2001: 265) verwirklicht wurde. Dabei stehen sowohl der Nationalstaat als ein diskursiv konstruiertes Zugehörigkeitsregime im Fokus der Analyse als auch der Nationalstaat als eine institutionelles Gefüge, das durch administrative, regulierende und Rahmen setzende Struktur maßgeblich die Konturen des Citizenshipregimes prägt.
(iii) Citizenship als Orientalismus?
Marshalls Konzept von Citizenship hat – mindestens in der Rezension seins Werks – einen universalen Anspruch; dabei ist es ein Konzept, das auf einer partikularen – der ‚britischen‘ oder ‚westlichen‘ – Perspektive beruht. Damals wie heute wird Citizenship dann als ‚europäisch‘/‘westlichen‘ Ursprungs dargestellt. Dies ist einerseits historisch falsch und andererseits vielmehr als (post‑)koloniales Manöver der Legitimierung von Herrschaft anzusehen (Kalny 2008). Diese Eskamotage der Menschenrechte als genuin ‚europäisch‘/‘westlich‘, die dann in den Rest der Welt hinausgetragen wurde bzw. noch werden muss, wirkt bis heute als kolonialer Distinktionsmechanismus, der nicht zuletzt gegenwärtige Diskurse um ‚Entwicklung‘ und kulturelle Differenzen prägt. Engin Isin fasst dies folgendermaßen zusammen:
„In a nutshell, the occidental tradition has constituted the Orient as those times and places where peoples have been unable to constitute themselves as political precisely because they have been unable to invent that identity the occident named as the citizen. The figure of the citizen that dominated the occidental tradition is the figure of that sovereign man (and much later woman) who is capable of judgment and being judged, transcending his (and much later her) tribal, kinship, and other primordial loyalties and belongingness.” (Isin 2005: 31)
Wenn hier von ‚Orient‘ die Rede ist, geht es nicht um die tatsächlichen Vorgänge in einer wie auch immer definierten Weltregion. Die Ideologie des Orientalismus bringt vielmehr ihr Objekt erst hervor bzw. genauer gesagt zwei. Der ‚Okzident‘ erschafft sich im Zuge der Erfindung des ‚Orients‘. Eine Tradition – ‚wir‘ stammen vom antiken Griechenland, Rom, dem sogenannten ‚Mittelalter‘ ab – wird als ‚westlich‘ gekennzeichnet und als dem des ‚Orient‘ überlegen inszeniert (ebd.; Said 1978). Zentral dabei ist die Dimension von Citizenship. Exemplarisch für die orientalistische Wissenschaft buchstabiert Engin Isin dies im Werk von Max Weber nach: Weber zufolge fehlten im ‚Orient‘ die Städte, die für ihn der Entstehungsort von Citizenship selbst sind und die Voraussetzung für Kapitalismus und Modernisierung (Isin 2005: 35). Weber widmet große Teile seines Werks dieser Frage der Städte und der damit verbundenen unterschiedlichen Entwicklung im ‚Orient‘ und ‚Okzident‘. Die Ballungen von Bevölkerungen in allen Teilen der Welt stellen für ihn dabei aus mindestens zwei Gründen keine Städte im eigentlichen Sinne dar. Die Herrschaftsstruktur im nicht-europäischen Rest der Welt sei anders, da dort die zentralisierende Macht von Königen und Kaisern vorherrsche. Dieses als ‚orientalischer Despotismus‘ bekannte Ideologem begründet er im Anschluss an Hegel und andere, die ihr Wissen wiederum auf koloniale Reiseberichte in Indien stützen, in der Wasserfrage. Eine zentrale Verwaltung der Wasserversorgung habe die Entwicklung unabhängiger Städte unmöglich gemacht. Dieses auf den nicht-europäischen ‚Rest‘ der Welt verabsolutierte Argument wird von der ‚europäischen‘ Entwicklung kontrastiert, wo innerhalb der unabhängigen Städte ein Gemeinschaftsgefühl, ein Gefühl der Brüderlichkeit unter den Bürgern (ohne weibliche Form) ermöglichte. Neben der Figur des orientalischen Despotismus ermöglichte die – damit teilweise in Verbindung stehende – vermeintliche Omnipräsenz von Magie und Irrationalität sowie die Vorherrschaft von ‚Clan‘- und ‚Stammeszugehörigkeit‘ in nicht-okzidentalen Teilen der Welt die Entwicklung einer städtischen Sphäre, in der eine Gruppenbindung auf der Grundlage rationaler Verträge möglich war (ebd.: 36, 38). Aus dieser Assemblage an kolonialen, orientalistischen Ideologemen wurde und wird bis heute Citizenship und damit verbunden ‚Demokratie‘ als ein ‚europäisch‘/‘westliches‘ Exportprodukt und ihr Fehlen als eine genuine Eigenschaft ‚orientaler‘ Gesellschaften verstanden.
(iv) Citizenship als Teleologie? Überlegungen zum Denken in Spannungsfeldern und Kräfteverhältnissen
Die koloniale Abgrenzung im Raum (Orientalismus) korrespondiert mit der Abgrenzung in der Zeit (eurozentrische Teleologie), an deren Spitze der konstruierten, eurozentrischen Weltgeschichte die Durchsetzung von (‚europäisch‘/‘westlicher‘) Citizenship und ‚Demokratie‘ steht. Die sukzessive Durchsetzung von Citizenship und ‚demokratischer‘ Gesellschaften wird als sukzessive durch den Fortschritt selbst imaginiert. Fand dies in Zeiten des historischen Kolonialismus politischen Ausdruck in der ‚zivilisatorischen Mission‘, findet sich diese Ideologie heute im Entwicklungsparadigma und hegemonialen Identitätskonstruktionen wieder. Bei Marshall wird die Annahme einer sukzessiven Durchsetzung universeller Bürgerrechte durch sein Schema der zivilen Rechte im 18. Jahrhundert, der politischen Rechte im 19. Jahrhundert und der sozialen Rechte im 20. Jahrhundert (Marshall 1950: 21) zumindest nahegelegt, wie beispielsweise feministische Kritikerinnen anmerken:
“In most accounts these stages represent progressive, linear stages of citizenship, encompassing the period between the ‘age of democratic revolutions’ and the rise of twentieth-century welfare states, as paradigms of western history. Marshall’s implicitly teleological model has been the frequent target of feminist critiques that point to the impossibility of mapping the struggles of minorities, women or colonized peoples for citizenship onto Marshall’s model of progressive stages.” (Canning / Rose 2001: 427 f.)
Marshall führt aus, dass Citizenship als Institution eine ideale Citizenship – das Ideal der Gleichheit – darstellt, an der Errungenschaften gemessen und auf der sich Hoffnungen ausrichten können (Marshall 1950: 28 f.). Die damit in der Regel einhergehende Annahme einer sukzessiven Ausweitung von Bürgerrechten auf weitere Lebensbereiche und andere, bisher ausgeschlossene Gruppen ist weit verbreitet (Roach Anleu 2010: 215). Die telelogische Sicht lässt mindestens drei zentrale Dimensionen außer Acht, die ich im Folgenden kurz skizzieren werde:
(a) Einbettung von Citizenship in Herrschaftsverhältnisse: Vorsichtig formuliert könnte man sagen, dass die Einsetzung von Rechten neue Exklusionsmechanismen stärken und als Disziplinierungs- und Herrschaftsmechanismen fungieren kann.
“The possession of some citizenship rights can weaken others, for example social rights based on family membership and actual or potential motherhood accorded to women in the workplace undermined their civil rights, especially their restriction from certain kinds of jobs, or paid employment altogether.” (Roach Anleu 2000: 215)
Eine schärfere Kritik analysiert die Durchsetzung von neuen Formen von Citizenship als Ausdruck neuer Herrschaftsverhältnisse. Um bei diesem Beispiel zu bleiben, führte die Durchsetzung des Wohlfahrtsstaats zu einer Neuorganisation patriarchaler Arbeitsteilung; das Familienernährer- und Hausfrau-Modell wurde hegemonial.
(b) Citizenship und ihr Anderes: Ein teleologisches Verständnis von Citizenship muss Isin zufolge ins Leere laufen, da die Verwobenheit von Citizenship mit ihrem Anderen dabei außer Acht gelassen wird. Isin zufolge stellt die Andersheit die Bedingung von Citizenship selbst dar, da sie immer gleichzeitig entstanden und sich gegenseitig konstituierten (Isin 2002: 4). Im antiken Griechenland wurden die Frauen nicht etwa einfach von der Citizenship ausgeschlossen, sondern sie wurden als ihr Anderes, als immanente Gruppe von Anderen der Citizens konstituiert. “The alterity of citizenship, therefore, does not preexist, but is constituted by it.” (ebd.) Die Exklusionstheorien von Citizenship, die Citizenship als den privilegierten Raum einiger Weniger definieren, die Andere ausgrenzen, neigen Isin zufolge zu einer Vereinfachung. Sie nehmen an, dass es die Gruppe der ‚Frauen‘ oder ‚Sklaven‘ als Identität so schon vor der Konstitution von Citizenship gegeben habe. Isin zufolge sind diese Kategorien aber nicht einfach gegeben.
“The problem with the logics of exclusion and enclosure is that they assume that such identities as ‘woman’ and ‘immigrant’ preceded citizenship and were excluded from it. Becoming political involves questioning such essential categories as ‘woman’ and ‘immigrant’ as given and assumes that they were produced in the process of constituting citizenship and that they are internally, not externally, related to it.” (ebd.: 4)
Eine gegenwärtige Analyse von Citizenship, die diese auf ihre Alterität hin untersucht, wird dabei zu einem anderen Ergebnis kommen als der virulenten Apologie von gegenwärtigen Strukturen von Demokratie und Citizenship im globalen Norden.
(c) Umkämpfte Citizenship: Die konstruierte Tradition von Citizenship prägt das Verständnis von ihr; Bilder, wie der heroische Krieger-Bürger der griechischen Polis, der Patrizier-Bürger der römischen Civitas, der Händler-Bürger des sogenannten Mittelalters und der Bourgeois-Bürger der Metropolen (ebd.: 1). Doch hinter diesen scheinbar zeitlosen Bildern toben Kämpfe, Konflikte und Gewalt um die Frage wer das Recht hat Teil der Citizens zu sein, mitzureden, einen Teil abzukriegen, anerkannt zu werden, das Recht auf Rechte zu haben. Diese sozialen Kämpfe (struggles) bestimmen den Inhalt (also die Rechte und Pflichten) und die Ausdehnung (also das Kriterium der Inklusion/Zugehörigkeit) von Citizenship.
„What the peasants demanded, the plebeians dreamed, the artisans claimed, and the workers sought have been of less concern. For good reasons. We have been given these images by the victorious citizens themselves, who established narrative continuities and affinities between themselves and historical forms of citizenship.” (ebd.: 1 f.)
Vielleicht ist es sogar die Institution von ‘Citizenship’ selbst, die unser Denken, unsere Erfahrung und unser politisches Handeln bestimmt, die uns von den Siegern erzählt wird:
“Similarly, such associations are so deeply etched in our bodies that perhaps we do not recognize the bourgeoisie’s triumph as its claim of ‘citizenship’ as a historical entitlement: a class whose name inherits the institution. This is not an instance of traditions weighing like a nightmare on the living, as Marx (1852, 300) wrongly thought, but the appropriation of traditions by the victors, who sought to establish themselves as legitimate inheritors.” (ebd.: 3)
Diese Frage unbeantwortet lassend, ist aber deutlich geworden, dass sich in den Citizenship Studies die Perspektive durchsetzt, die Formen von Citizenship als Ergebnis von Kämpfen anzusehen und, dass sie dementsprechend den Veränderungen Kräfteverhältnissen unterworfen sind. Der massive Abbau des Wohlfahrtsstaates seit den 1970ern in Großbritannien beispielsweise zeigt, dass erstrittene Rechte auch zurückgenommen oder ausgehöhlt werden können (Roach Anleu 2000: 215). Der Annahme einer teleologisch ausgerichteten Geschichtsschreibung, dessen Anlage sich mehr und mehr im Sinne eines Fortschritts entfaltet, wird so eine andere gegenübergestellt. Statt der herrschaftlichen Erzählung der Aufklärung, der sich ausbreitenden Vernunft und dem Bild von Geschichte als – mit Hegels Worten – Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit wird statt dessen eine Geschichte der Brüche, der Widersprüche, der Hegemonie und der Kämpfe erzählt, in denen Citizenship beides, sowohl ein Ort der Auseinandersetzung, des Kampfs um Rechte, sowie der Versuch der Institutionalisierung von (exkludierenden) Machtstrukturen darstellt.
(iv) Citizenship als Bürgerrechte? Ein Ausblick auf eine erweiterte Perspektive auf Habitus, Praktiken, Subjektivierung, Normalisierung und Acts
Schon bei Marshall findet sich die Unterscheidung von formeller und substanzieller Citizenship. Das erste erscheint als Voraussetzung des Zweiten. Während das liberale Verständnis Citizenship als Mitgliedschaft eines Individuums zu einem Staat definierte, war für Marshall Citizenship „a status bestowed on those who are full members of a community“ (Marshall 1950: 14). Diese auf die Gemeinschaft und nicht ausschließlich auf den Staat zielende Definition ermöglicht Citizenship als Werkzeug zu verwenden, um eine vielschichtige, mehrdimensionalere Analyse der Mitgliedschaften in verschiedenen, auch auf nicht-formalen Mitgliedschaften basierenden Gruppen und auf verschiedenen Ebenen in den Blick zu nehmen (Yuval-Davis 1997: 5). Doch dieses Potenzial wurde lange nicht ausgeschöpft. Marshalls Begriff von Citizenship bleibt letztlich doch auf die formalisierten Bürgerrechte und -pflichten des Einzelnen beschränkt und vernachlässigt eine Theoretisierung von substanzieller Citizenship; und dies obwohl auch Marshall schon Citizenship als den Ort sah, an dem sich neue Formen von Ungleichheit bildeten: „Differential status, associated with class, function and family, was replaced by the single uniform status of citizenship, which provided the foundation of equality on which the structure of inequality could be built.“ (Marshall 1950: 34) In den Citizenship Studies der letzten drei Jahrzehnte lässt sich in diesem Sinne eine Verschiebung oder Erweiterung feststellen. Citizenship wurde auf viele verschiedene Weisen auf seine exklusiven Wirkungen hin untersucht. Painter und Philo (1995) fassten Citizenship in diesem Zusammenhang als ein diffuses Verhältnis einer „’social-cultural’ form of becoming wrapped up in questions about who is accepted as a worthy, valuable and responsible member of an everyday community of living and working” (115). Citizenship wurde also jenseits ihres formalen Status der Zuschreibung oder Nicht-Zuschreibung von Bürgerrechten untersucht. Ausgangspunkt war hier der klaffende Kontrast von durch das Setting von Citizenship gegebene Anspruch von Gleichheit auf der einen und die real existierende Ungleichheit auf der anderen Seite. Diese Ansätze gingen davon aus, dass dieses Spannungsfeld kein Zufall war und die Realisierung der Gleichheit nicht nur eine Frage der Zeit war, sondern dass die Ungleichheit mit der Konzeption von Citizenship selbst verbunden war. Für die feministische Analyse von Citizenship beispielsweise war insbesondere Nicole Pateman in den 1980er Jahren diskursbestimmend. Sie kritisierte unter anderem das Konzept von Citizenship dafür, die Trennung von Privatem und Öffentlichem mit zu konstituieren und die damit verbundenen Machtwirkungen unreflektiert zu lassen. Das liberale Verständnis von Citizenship basiert ihr zufolge auf dem Begriff eines abstrakten Individuums, dessen Prototyp das männliche Individuum darstellt, während Frauen in den Bereich der Natur und des Häuslichen positioniert wurden (Canning / Rose 2001: 429; Siim 2000: 1, 31). Ruth Lister hat gezeigt, dass Citizenship verstanden als Status und Praktiken ein nützliches Framework für die Analyse von Genderungleichheiten darstellt. So haben häufig auch Frauen, die den Status von Citizens innehaben, nicht die Möglichkeit das Potenzial dieses Status zu nutzen, da sie durch den ihnen – zumindest symbolisch – zugewiesenen Ort der häuslichen oder care-Arbeit aus der politischen Welt ausgeschlossen werden (Lister 1997). Daran anschließend argumentieren beispielsweise auch Pnina Werbner und Nira Yuval-Davis, die Citizenship als ein Verhältnis verstehen, in dem die formale Gleichheit von Identität, sozialer Positionierung, institutionellen Praktiken und einem Zugehörigkeitsgefühl gebeugt (inflect) wird (Werbner / Yuval-Davis 1999: 2). Ein anderer, ebenfalls daran anknüpfender Ansatz ist ein Verständnis von Citizenship als Subjektivierung. Beispielsweise der Begriff von cultural citizenship von Aihwa Ong führt Citizenship als gleichzeitig individuell und sozial ein. Sie versteht Citizenship als Prozess des self-making und des being made in Machtnetzen von Nationalstaat und Zivilgesellschaft (Ong 1999). Ebenfalls in den Blick genommen wurde die Verknüpfung von Citizenship mit Formen des Habitus (Isin 2008: 17; Isin / Wood 1999: 39 ff.). Mit dem Konzept von Bourdieu können die „Parameter jener sozialen Voraussetzungen genauer formulieren, die den Kampf um die formale Einführung und lebensweltlich-substantielle Aneignung des legalen Status einer Bürger_innenschaft bestimmen“ (Köster-Eiserfunke et al 2015: 183). Mit einem das Habituskonzept verwendenden Citizenshipkonzept lassen sich Exklusionsmechanismen und Auseinandersetzungen um Inklusion beschreiben, die jenseits eines formalen Verständnisses von Citizenship verortet sind. Das gleiche trifft auch auf Normalisierung zu. Beispielsweise arbeitet Julienne Corboz die Verwobenheit von Citizenship mit der Hegemonie von Heterosexualität und die daraus resultierenden normalisierenden – und damit disziplinierende, identitätsbildende und exkludierende – Wirkungen dieser Form von Citizenship heraus (Corboz 2009: 2).
Der Ansatz Inclusive Citizenship geht von der Kritik am Citizenshipbegriff und den Debatten um Inklusion aus, um daraus eine neue Perspektive zu gewinnen. Inclusive als Rekurs auf Inklusion steht hier sowohl für das politische Begehren nach Ausweitung von Rechten und Teilhabe als auch für den oben skizzierten Paradigmenwechsel. Im Zentrum der Perspektive steht aber das Spannungsverhältnis, das sich aus zwei Bedeutungsdimensionen des Citizenshipbegriffs ergibt: Citizenship als Status und Citizenship als Act, als das Aufscheinen der Dimension des Politischen, das genau das Zugehörigkeitsregime des Status unablässig infrage stellt.
Inclusive Citizenship als Spannungsverhältnis |
|
Citizenship als Status |
Acts of Citizenship |
Ausschluss |
Unterlaufen der Grenzen des Zugehörigkeitsregimes |
Institutionalisierung sozialer Ungleichheit |
Kampf um die Ausweitung von Teilhabe |
Normalisierung |
Infragestellung von Normierungen |
Im Folgenden werde ich dieses Modell erläutern. Das Spannungsverhältnis zwischen Status und Act steht dabei im Zentrum. Die drei untergeordneten Bereiche leiten sich nicht zwangsläufig daraus ab und ließen sich auch mit den theoretischen Voraussetzungen anders konstruieren; sie stellen aber den Versuch dar, das Feld zu strukturieren.
Citizenship als Statuszuschreibung steckt selbst bereits tief im Spannungsfeld von Inklusion und Exklusion (Lister 2008: 3 f.). Als die zwei entscheidenden Bestimmungsmomente moderner Staatsbürgerschaft werden in den Citizenship Studies Staatszentriertheit und nationale Identität ausgemacht (Mackert/ Müller 2007: 10). Ausgehend vom intrinsischen Zusammenhang von Bürgerschaft und Nationalität stellt Citizenship auch ein konstitutives Exklusionskriterium dar, das die Unterscheidung von Bürgern und Nicht-Bürgern bzw. Bürgern zweiter Klasse ermöglicht (Balibar 2003). Ein komplexes System der gestaffelten Teilhabe und Rechte in der EU führt zu einer Hierarchisierung und ist beispielsweise auch als Ermöglichungsbedingung der gegenwärtigen Stratifikation des Arbeitsmarktes anzusehen (Mezzadra/ Neilson 2013). Wobei hier Hierarchien sowohl zwischen Staatsbürgerschaften zwischen EU-Staaten sowie besonders von Rassismus betroffenen Gruppen wie etwa Roma als auch von EU-Staatsbürgerschaften zu sogenannten Drittstaaten zu vermerken sind (Bauböck/ Guiraudon 2009: 445). Aus der Perspektive des Ansatzes von Global Justice und den Citizenship Studies wird das herrschende Prinzip der hierarchisierten Rechte aufgrund von Staatsbürgerschaft als ‚Geburtsrechtslotterie‘ bezeichnet (Shachar 2009), in der die geographische Frage des Geburtsortes und der Abstammung quasi feudal die Möglichkeiten und Einschränkungen von Individuen und Gruppen weitgehend determiniert (Bauböck/ Guiraudon 2009: 442). Voraussetzung ist die für nationale Citizenship konstitutive Unterscheidung von Mensch und Bürger. Dramatischen Ausdruck findet diese Hierarchisierung von Leben durch Citizenship Regime beispielsweise in der durch die EU-Migrationspolitik massenhaft verursachten Tode von Geflüchteten – allein 2016 wurden 5022 Tote im Mittelmeer registriert.
Gleichzeitig institutionalisiert die moderne Staatsbürgerschaft das Spannungsverhältnis von formaler Gleichheit und realer Ungleichheit zwischen den Bürgern innerhalb eines Nationalstaats. Während die Umsetzung der formalen – rechtlichen und politischen – Gleichheit der als Bürger anerkannten Individuen seit der französischen Revolution zur Realisierung des modernen Nationalstaats gehörte, wurden soziale Rechte erst mit der Entwicklung der Wohlfahrtsstaaten Teil der Bürgerschaft. Ziel der wohlfahrtsstaatlichen Absicherung war es dabei nicht, absolute Gleichheit herzustellen; soziale Rechte werden von zahlreichen Autor_innen ebenso als eine Struktur zur Regulierung von Arbeitskraft betrachtet (Dean 2014: 6).
„The fine-tuning of social rights provides a mechanism for 'civic stratification' and the relative advantages or disadvantages citizens might experience depending on their social status. In this way [sic!] social citizenship was subordinated to a process whereby a market economy was embedded in a market society (Polanyi, 1944).” (Dean 2014: 6)
Im Selbstlegitimierungsprozess moderner Demokratien spielt die Chancengleichheit eine zentrale Rolle, die insbesondere durch gleiche Bildungschancen hergestellt werden soll. Die so auf der Ebene der Legitimation hergestellte Gleichheit ist auf ihre Substanz hin zu befragen, also die Frage inwiefern die formelle Gleichheit mit tatsächlicher Chancengleichheit korrespondiert und inwiefern exkludierende Strukturen die Umsetzung von formeller in reale Gleichheit verhindern. Mit der Durchsetzung kapitalistischer Gesellschaften und dem Aufkommen einer proklamierten Gleichheit aller Mitglieder einer Gesellschaft durch Citizenship entstanden eine Vielzahl neuer Formen der Legitimierung von Ungleichheit, wie etwa der moderne Rassismus, die Rechtfertigung von sozialer Ungleichheit durch Leistung oder Naturalisierung von Geschlecht, usw. Die Proklamierung der vermeintlich durch die Form von Citizenship selbst realisierte Gleichheit wird durch ihren Beitrag zur Zementierung von Ungleichheit karikiert. Oder, wie es der Schriftsteller Anatole France sehr viel schöner formulierte: „[...] unter der majestätischen Gleichheit des Gesetzes, das Reichen wie Armen verbietet, unter Brücken zu schlafen, auf den Straßen zu betteln und Brot zu stehlen.“ (France 1894: 116)
Außerdem korreliert die Statuszuschreibung des Bürgers auch mit einer Normalisierung. Demnach geht ein ‚guter‘ Bürger einer Erwerbsarbeit nach, ist gesellschaftlicher Leistungsträger, ist gesund, beteiligt sich an gesellschaftlich erwünschten Partizipationsformen, wird in vielen Kontexten als männlich und heterosexuell gedacht usw. Diese Norm der Bürgerschaft ist ebenso eng mit der Herstellung des Nationalstaats und dem biopolitischen Zugriff auf die Citizens des Nationalstaats verbunden. Abweichende Lebensrealitäten werden als zu kompensierende Formen verstanden. Feministische Ansätze kritisieren diese Normalisierungsformen, beispielsweise indem sie aufzeigen, wie die Abwertung und Unsichtbarmachung von (entlohnter und nicht-entlohnter) Care-Arbeit die gesellschaftliche Position von Frauen und ihren Status als Citizens abwertet (Siim 2001). In der normalisierenden Funktion der Figur des Bürgers ist auch Rassismus eine zentrale Dimension. Schwarze Deutsche mit und ohne Migrationshintergrund beispielsweise berichten unentwegt über ihre alltägliche Erfahrung des diskursiven Ausschlusses aus der imaginierten nationalen Gemeinschaft. Auch die gesellschaftlich virulente und wesentlich mit dem Erstarken des Rechtspopulismus verknüpfte Frage, ob der Islam zu Deutschland gehöre, ist Ausdruck dieser Logik der machtvollen Einsetzung einer inkludierenden und exkludierenden Norm (El Tayeb 2015). Eine normalisierende Bürgerschaft schlägt sich so in der Abwertung und der potenziellen Exklusion von beispielsweise Behinderten, Erwerbslosen, Muslima und anderen nieder. Diese Exklusionsformen werden dabei von der Forschungsperspektive der Inclusive Citizenship nicht nur additiv nebeneinander, sondern in ihrer Verschränkung – also der Dimension der Intersektionalität – in den Blick genommen (Urbanek 2013; Yuval-Davis 2010).
Mit Citizenship ist auch oft Beteiligung der Citizens an politischen Entscheidungen gemeint. Während ein klassisch republikanisch-liberales Verständnis Citizenship als die Selbstregierung einer Gruppe versteht, wurde in den letzten Jahren in den Citizenship Studies der Fokus immer weiter auf die Formen von Citizenship verschoben, in denen Gruppen – Citizens und Non-Citizens – um ihre Rechte, um Teilhabe und um Anerkennung kämpfen (Isin 2008: 17). Dies muss jedoch deutlich von einem affirmativen Begriff von Partizipation unterschieden werden. Mahmood Mamdani zufolge müssen Kämpfe um Rechte immer im Zusammenhang des angeprangerten Unrechts gesehen werden: „Without the experience of sickness, there can be no idea of health. And without the fact of oppression, there can be no practice of resistance and no notion of rights.“ (Mamdani 1993: 172) Unter Citizenship wird mit der Perspektive der Inclusive Citizenship also keineswegs eine Beteiligung der formal anerkannten Bürger an staats- oder markttragenden Institutionen verstanden. Vielmehr wird auf der Analyse der exkludierenden Momente vom Konstrukt der Citizenship aufgebaut.
„[…] different mechanics of exclusion which consign certain groups within a society to the status of lesser citizens or of non-citizens, and in the struggles by such groups to redefine, extend and transform ‘given’ ideas about rights, duties and citizenship. They therefore shed light on what inclusive citizenship might mean when it is viewed from the standpoint of the excluded.” (Kabeer 2005: 1)
John Gaventa zufolge wird so ein liberales Verständnis von Bürgerschaft herausgefordert, das Bürgerschaft als ein vom Staat gewährtes Set von Rechten und Pflichten versteht. Stattdessen plädiert er dafür, den Begriff von Citizenship in der alltäglichen Erfahrung der Menschen zu verankern. Dies ermögliche ein differenzierteres Verständnis von Citizenship als einem multidimensionalen Konzept, das die Handlungsmacht (agency), Identitäten und Handlungen der Menschen selbst in den Mittelpunkt stellt. Zentral für ein solches Verständnis von Citizenship ist dabei auch die (umkämpfte) Frage der Rechte (Gaventa 2005: xii). Statt eines vertikalen Verständnisses von Citizenship, das auf das Verhältnis vom Individuum zum Staat fokussiert, wird hier eine horizontale Perspektive auf das Verhältnis der Bürger_innen untereinander stark gemacht, die die Frage nach Machtverhältnissen stellt. Engin Isin beschreibt den veränderten Fokus der Citizenship Studies auf struggles und claim-making so:
„This is not to say that there has been less emphasis on status but, rather, to suggest that most critical studies on citizenship focus on how status becomes contested by investigating practices through which claims are articulated and subjectivities are formed. The effect of this shift to practices has been the production of studies concerning routines, rituals, customs, norms and habits of the everyday through which subjects becomes citizens.” (Isin 2008: 17)
Allerdings wirft eine solche Perspektive auf Citizenship zahlreiche Fragen auf. Was ist der von Naila Kabeer eingebrachte ‚Standpunkt der Exkludierten‘? Hat jede Geltendmachung von Rechten qua Geltendmachung gleich viel Gewicht? Wer stellt an wen und in welchem Rahmen Ansprüche auf Rechte?
Ich schlage vor, den Begriff ‚Acts of Citizenship‘ zur Theoretisierung dieser Probleme zu fassen. In früheren Konzeptionen von Inclusive Citizenship haben wir den Begriff Praxen verwendet (Kleinschmidt / Lange 2017, 2016, 2016). Dies erscheint uns heute missverständlich zu sein, da Citizenship als Status auch Praxen umfasst. Acts of Citizenship verstehen wir als die andere Seite des Spannungsverhältnis zum Status und insofern theoretisch präziser und eindeutiger. Der Begriff wurde insbesondere von Engin Isin (2008) geprägt, den ich im Folgenden kurz skizzieren werde:
„Acts of citizenship are understood as deeds that contain several overlapping and interdependent components. They disrupt habitus, create new possibilities, claim rights and impose obligations in emotionally charged tones; pose their claims in enduring and create expressions; and, most of all, are the actual moments that shift established practices, status and order. Acts of citizenship should be understood in themselves as unique and distinct from citizenship practices in the sense they are also actively answerable events, whereas the latter are institutionally accumulated processes.” (Isin / Nielsen 2008: 10)
Isin entwickelt seinen Begriff von Acts ausgehend von der philosophy of acts von Michael Bachtin. Im Folgenden beziehe ich mich nur auf Isins Interpretation und lasse die Differenzen und Mehrdeutigkeiten in Bachtins Text außer Acht. Bachtin unterscheidet zwischen acts und actions. Menschen vollführen Handlungen in der Welt; dies tun sie mit Gründen und Motiven – oder um es mit Weber zu sagen, sie schreiben ihren Handlungen subjektive Bedeutungen zu. Aber können diese Handlungen erklärt werden, indem die Bedeutungen, Gründe und Motive dargelegt werden? (Isin 2008: 28) Nach Bachtin schlägt aber eine Theoretisierung von Acts fehl, wenn sie entweder einfach eine Handlung als Ausdruck eines existierenden Konzepts oder, im Gegenteil, schlicht als einzigartig betrachtet:
“What Bakhtin seems to be getting at is the difficulty of interpreting what actors do when they act: if interpreting with already existing concepts (by assuming calculable, responsible and intentional actors) the act is already folded into an event and thus into an order. Yet, if one resists the temptation of this kind of interpretation, one may have nothing at all to say about the act. This is the paradox of acts.” (ebd.: 29)
Die Theoretisierung von Acts geht also immer über die Beschreibung der Handlung (action) hinaus, indem sie ihre transformatorische Beziehung zur kontextuellen Ordnung herstellt, ohne dabei die Einzigartigkeit der Handlung (act) zu übersehen. Insofern sind Acts nicht aus sich selbst heraus exklusiv oder inklusiv, homogenisierend oder diversifizierend, positiv oder negativ. Diese Qualitäten entstehen nach bzw. durch die Handlung (act). Tatsächlich schreiben wir als Interpretierende diese Qualitäten dem Akt zu. Erkenntnistheoretisch formuliert wird also die Beobachtung und die Beobachtende bzw. Interpretierende Teil des Acts. Das heißt auch, dass die Handlung (act) die Qualitäten als seine Effekte und nicht als seine Ursachen produziert. Es kann dabei durchaus sein, dass eine Handlung (act), die explizit auf bestimmte Wirkungen zielt (Inklusion, Diversität, Toleranz) dadurch andere und sogar entgegengesetzte (Exklusion, Homogenisierung, Intoleranz) hervorbringt (ebd.: 38). In der Theoretisierung von Acts (ungleich action) spielt dabei für Isin Gerechtigkeit eine zentrale Rolle:
“Acts cannot happen without motive, purpose, or reasons, but those cannot be the only grounds of interpreting acts of citizenship. While acts of citizenship involve decisions, those decisions cannot be reduced to calculability, intentionality and responsibility. But because they are irreducible to those qualities they can be enacted without subjects being able to articulate reasons for becoming activist citizens. Acts of citizenship do not need to originate in the name of anything though we as interpreters will always interpret how acts of citizenship orient themselves towards justice. The second principle of theorizing acts of citizenship recognizes that acts produce actors that become answerable to justice against injustice.” (ebd.: 39)
Isin unterscheidet dementsprechend zwischen ‘activist citizens’ und ‘active citizens‘: “Thus, we contrast ‘activist citizens’ with ‘active citizens’ who act out already written scripts. While activist citizens engage in writing scripts and creating the scene, active citizens follow scripts and participate in scenes that are already created.” (ebd.: 38)
Eine weitere wichtige Unterscheidung nimmt Isin im Anschluss an Bachtin und vor allem Lacan und Derrida zwischen responsibility und answerability vor. “I suggest using responsibility to specify the calculable (ontic) orientation towards others and answerability to specify the incalculable (ontological) orientation towards the Other.” (ebd.: 31) Acts sind per Definition nie reduzierbar auf responsibility, also das ethische Verhältnis zwischen Seienden in einer gegebenen Szene, sondern das ethische Verhältnis von Seienden zum Sein (ebd.: 31-34). Es gibt kein Subjekt ohne die soziale Welt; um es mit Heidegger zu sagen: Ein Seiendes ist immer ein Mitseiendes (ebd.: 34). Die Anerkennung des sich durch den Akt konstituierenden Handelnden (actor) ist ein weiteres Bestimmungsmerkmal von Acts. (ebd.: 39) „The actor is produced through the scene and is constituted by the act itself.” (ebd.: 34)
Vor diesem Hintergrund erscheint die Formulierung von Naila Kabeer problematisch, den Standpunkt der Exkludierten als Ausgangspunkt nehmen zu wollen; nicht nur deswegen, weil es ‚die Ausgeschlossenen‘ als solche nicht gibt und die Alterität von Citizenship im Zuge ihrer Konstituierung entsteht, (s. Abschnitt 3.iv; Isin 2002: 3 ff.) sondern vielmehr weil das Subjekt von Acts erst durch diese entsteht. Acts sind dabei keinesfalls auf den Bereich der Politik beschränkt, ebenso wenig wie Subjekte von Acts nur diejenigen sind, die sich selbst als politisch bezeichnen:
“We have considered acts of citizenship as political in so far as these acts constitute constituents (beings with claims). But they are also ethical (as when answerable and responsible), cultural (as in the carnivalesque), sexual (as when pleasurable) and social (as in acts of affiliation, solidarity or hostility): in these ways they actualize or perform ways of becoming political. We define acts of citizenship as those acts that transform forms (orientations, strategies, technologies) and modes (citizens, strangers, outsiders, aliens) of being political by bridging into being new actors as activist citizens (claimants of rights and responsibilities) through creating new sites of struggle.” (Isin 2008: 39)
In den Worten Ranabir Samaddars geht es hier nicht um die Identität des Selbst, sondern um die Identität der Handlung (Samaddar 2010: xviii). Dabei macht er auch auf die Ambivalenzen bzw. Widersprüche des zugrundeliegenden Begriffs von Politik aufmerksam: „Political subjects exceeds rules of politics.“ (ebd.) Es ist das Spannungsverhältnis von Citizenship, das auch dem Begriff des Politischen sowie der Demokratie innewohnt, wie ich im Folgenden kurz anhand von den Arbeiten Jacques Rancières und Étienne Balibars umreißen werde (Turner 2016: 141; Rancière 2008: 37; 2002: 24; Balibar 2010: 25; Balibar 2012). Für Rancière stellt die Auseinandersetzung um die Frage der Zugehörigkeit den Kern des Politischen selbst dar. Er unterscheidet dabei zwischen Polizei und dem Politischen und führt einen anderen Begriff von Demokratie ein. Im Gegensatz zur gegenwärtig herrschenden Auffassung ist für Rancière die Demokratie keine „Staatsform“ (Rancière 2010: 87), „Regierungsform“ oder „Gesellschaftsform“ (Rancière 2012: 90). Demokratie und das Politische bezeichnen für Rancière vielmehr das Durchbrechen der polizeilichen Ordnung, die hierzulande gemeinhin als Demokratie bezeichnet wird. Das landläufig als ‚Politik‘ bezeichnete Feld der postdemokratischen Repräsentation ist dabei zunächst als Teil der polizeilichen Ordnung anzusehen. Polizei meint dabei nicht – zumindest nicht nur und nicht in erster Linie – die uniformierte Sicherheitsbehörde des Staates, sondern einen Modus der Verwaltung und Zuordnung der Teile und Anteile der Gesellschaft, der den Ausschluss des Politischen betreibt. Das Vorhandensein von Politik verweist auf die Kontingenz von Herrschaft, die in keiner Natur der Dinge oder göttlichem Gesetz gegründet ist (Rancière 2002: 28). Die Unterbrechung der polizeilichen Verwaltung des Status Quo bezeichnet Rancière als das Politische. Es ist also nicht alles politisch, sondern vielmehr ist alles potenziell politisch. Politisch wird es genau dann, wenn die scheinbar natürliche Ordnung durch die Logik der Gleichheit unterbrochen wird. Die gemeinhin als Demokratien bezeichneten Staatsformen zeichnen sich durch den „Keil der Gleichheit“ aus, „der objektiv und subjektiv im Herrschaftskörper steckt und verhindert, dass sich Politik in bloße Polizei verwandelt.“ (Rancière 2002: 93) Das beschriebene Spannungsverhältnis im Begriff von Citizenship zwischen Status und Act korreliert mit dem Spannungsverhältnis in Rancières Theorie zwischen Polizei und dem Politischen.
Zentral für Rancières Verständnis des Politischen ist dabei der Anteil der Anteillosen:
„Es gibt Politik, wenn es einen Anteil der Anteillosen gibt, einen Teil oder eine Partei der Armen gibt. Es gibt nicht einfach deshalb Politik, weil die Armen den Reichen gegenübertreten oder sich ihnen widersetzen. Man muss eher sagen, dass es die Politik ist – das heißt die Unterbrechung der einfachen Wirkungen der Herrschaft der Reichen –, die die Armen als Entität zum Dasein bringt. [...] Die Politik existiert, wenn die natürliche Ordnung der Herrschaft unterbrochen ist durch die Einrichtung eines Anteils der Anteillosen.“ (Rancière 2002: 24)
Ein politisches Subjekt leitet sich also nicht einfach vom Sozialen ab; es existiert nicht vor dem Erscheinen des Politischen. Für Rancière gibt es vor dem Streit kein Subjekt. Die Frage ist also nicht, wer die Anteillosen sind, sondern, wo die Logik der Gleichheit in Anschlag gebracht wird, um einen Anteil der Anteillosen einzufordern. Die Anteillosen erscheinen vor dem Hintergrund der Sichtbarwerdung eines Unrechts. Es gibt also kein politisches Subjekt vor der Politik:
„Ein politisches Subjekt ist keine Interessen- oder Ideengruppe. Es ist der Ausführende eines besonderen Dispositivs der Subjektivierung des Streits, durch den es Politik gibt. Die politische Demonstration ist somit immer punktuell, und ihre Subjekte sind stets prekär.“ (Rancière 2008: 37)
Dementsprechend sieht Rancière in der Politik „die Sache der Subjekte oder vielmehr der Subjektivierungsweisen“ (Rancière 2002: 47). Unter Subjektivierung ist nach ihm unter anderem eine „Reihe von Handlungen“ zu verstehen, die „eine Instanz oder eine Fähigkeit zur Aussage erzeugen, die nicht in einem gegebenen Erfahrungsfeld identifizierbar waren“ (ebd.) und die dadurch dieses Erfahrungswelt neu ordnen. Die Identitäten, die eigentlich einen Platz innerhalb der natürlichen bzw. polizeilichen Ordnung zuweisen, werden durch die Subjektivierung zu einem Ort des Streits. „‘Frau‘ ist in der Politik das – entnatürlichte, entweiblichte – Subjekt einer Erfahrung, das den Abstand zwischen einem anerkannten Anteil – dem der geschlechtlichen Ergänzung – und der Abwesenheit eines Anteils misst.“ (ebd.: 47 f.) Politik arbeitet immer mit diesem Abstand, der „die Gleichheit nur in der Gestalt des Unrechts bestehen lässt“ (ebd.: 74). Für Rancière ist dabei jede Subjektivierung eine „Ent-Identifizierung, das Loßreißen von einem natürlichen Platz, die Eröffnung eines Subjektraums“ (ebd.: 48). Im Prozess gegen den Revolutionär Auguste Blanqui im Jahre 1832 fragt ihn der Richter, welchen Beruf er habe. Er antwortete: ‚Proletarier‘. Der Staatsanwalt wendete sofort ein, dass dies kein Beruf sei, woraufhin er dem Angeklagten die Möglichkeit gab zu erwidern, dass das „der Beruf von Millionen Franzosen sei, die jedes politischen Rechts beraubt sind“ (Rancière 1996a: 91). Am Konflikt über die unterschiedliche Benutzung des Begriffs des Berufs scheint wieder der Konflikt zwischen Polizei und Politik auf. Mit Blanquis Auftritt verliert der Begriff Beruf seine Bedeutung von Gewerbe und er seine Stellung als individueller Staatsbürger. Das Proletariat als politische Subjektform konstituiert sich, indem Blanqui sich als Teil eines Kollektivsubjekts deklariert. Dieses Kollektivsubjekt ist keine „soziale Gruppe“, sondern stellt die offene Menge jener dar, die nicht einberechnet sind, die „sich gerade in der Bestätigung dieser Ausschließung mit einrechnen“ (ebd.: 92) und durch diese Durchbrechung der polizeilichen Logik die Frage von Zugehörigkeit, Gleichheit und Teilhabe stellen und im Zuge dessen ein – prekäres – politisches Subjekt konstituieren.
Ähnlich und doch anders argumentiert Étienne Balibar, von dem ich an dieser Stelle nur ein Argument anführe. Er entwickelt den Begriff von Demokratie als „Differential von Aufstand und Verfassung“ (Balibar 2010: 24). Er zeichnet die konfliktive Geschichte von Demokratie und Citizenship anhand des Prinzips der Gleichfreiheit (égaliberté) nach. Gleichfreiheit ist das der Logik von Citizenship eingeschriebene Streben nach Gleichheit und Freiheit. Dabei stellt er wie Rancière den Streit in den Mittelpunkt. „Der mit dem Prinzip von Gleichfreiheit verbundene aufständische Moment ist nicht nur Begründer, sondern auch Feind von stabilen Institutionen.“ (Balibar 2010: 24) Mit dem Begriff des Differentials von Aufstand und Verfassung lässt sich verdeutlichen, dass das Spannungsverhältnis in Citizenship nicht ein einfacher Gegensatz, sondern vielmehr ein verwobener, widersprüchlicher, sich bedingender, ständig mit sich ringender Komplex ist. Citizenship als Status stellt auch schon eine geronnene – oder vielleicht gar institutionalisierte – Form von Auseinandersetzungen um Teilhabe dar; Citizenship als Status ist ein Resultat von Acts of Citizenship und die Szene auf der sich die Acts ereignen. Das heißt, dass es nicht so ist, dass es eine einfach – durch das System gegebene – Ordnung gäbe, sondern vielmehr ist jede Ordnung und die dazugehörige ungleiche Verteilung durch Citizenship bereits Resultat von Kämpfen, von Kräfteverhältnissen. Dies ist die Grundidee des Operaismus. Es gibt kein überhistorisches System, das die Unterdrückten wie Spielbälle vor sich hertreibt. Es sind die Exkludierten, Ausgebeuteten, Marginalisierten und Entrechteten die immer wieder Wege suchen und finden, die bestehende Ordnung zu durchbrechen, zu unterlaufen, zu verschieben, sich ihr zu entziehen. Diese Acts treiben die Ordnung vor sich her und zwingen sie, sich immer wieder neu und anders zu erfinden. Für den Bestand einer Ordnung mit all seinen Hierarchien, Ausschlüssen und Ungleichheiten ist es hingegen zentral, diese Macht unsichtbar werden zu lassen, ein Gefühl von Ohnmacht zu schaffen oder die Macht in postdemokratische Bahnen zu lenken (Rancière 2002).
Inclusive Citizenship nimmt dieses Moment des Politischen als Ausgangspunkt. Mit dieser Perspektive wird nach der Unterbrechung der polizeilichen Logik, also dem Aufscheinen des Politischen gefragt; oder genauer: Das Spannungsverhältnis von Citizenship als Status und Acts of Citizenship ist Ausgangspunkt der Reflexion, Analyse und Bildungskonzeption. Es gilt, das Alltagsbewusstsein von Menschen – im Fall der politischen Bildung insbesondere von Lernenden oder Lehrenden – zu erforschen. Dabei wird dieses Bewusstsein nicht als falsches Bewusstsein gedeutet, das durch richtiges Wissen ersetzt bzw. dessen Leere aufgefüllt werden müsse, wie es ein Bildungsverständnis als Vermittlungswissenschaft nahelegt (Lange 2008). Alltagsbewusstsein ist zunächst funktionierendes Wissen. Es ermöglicht Individuen, sich im Alltag zu orientieren, sich in der globalisierten Welt, der Migrationsgesellschaft, den Geschlechterverhältnissen, der heteronormativen Matrix, dem Leistungszwang, einer in ‚Normale‘ und ‚Behinderte‘ aufgeteilten oder der durch soziale Ungleichheit strukturierten Gesellschaft zu Recht zu finden. Das Konzept von Citizenship als Spannungsverhältnis bietet einen theoretischen Rahmen, um dieses Alltagsbewusstsein für voll zu nehmen und gleichzeitig im Rahmen von Inclusive Citizenship auf seine demokratisierenden Potenziale zu befragen.
Acts of Citizenship werden im Rahmen von unserer Perspektive auf mehreren Ebenen analysiert. ‚Streit‘ und Auseinandersetzungen (struggles) rufen Assoziationen hervor, die oft weit weg von den alltäglichen Lebensrealitäten vieler Menschen sind, wie beispielsweise Streiks, Demonstrationen, Proteste, Blockaden, Besetzungen – kurz: die Kämpfe von sozialen und politischen Bewegungen. Diese Kämpfe sind natürlich auch gemeint. Es ist eine entscheidende Frage inwiefern Lernende heute darüber denken; ob beispielsweise in der Reflexion von Behinderung heute die umkämpfte Geschichte der Krüppelbewegung oder der Kämpfe um Selbstbestimmung durch Assistenz (Köbsell 2012) mitgedacht wird. Es ist eine entscheidende Frage für die subjektive Sicht auf die Migrationsgesellschaft, ob oft viktimisierte und paternalisierte Geflüchtete als politische Subjekte wahrgenommen werden, die beispielsweise in den Kämpfen ab 2012 rund um die Besetzung des O-Platzes in Berlin für fundamentale Rechte stritten und die Entrechtung durch das Migrationsregime infrage stellten. Es ist eine entscheidende Frage in den aktuellen Debatten um Homophobie und sexuelle Gleichstellung ihre umkämpfte Geschichte mitzudenken, vor allem wenn auf einmal die ehemalige Vorkämpfer für die Kriminalisierung von Homosexualität zu Vorkämpfern der (partiellen) Gleichstellung werden – zumindest solange dies gegen Muslime in Anschlag gebracht werden kann. Diese Dimension der Geschichte und Gegenwart sozialer Bewegungen spielt auch für die Analyse von Acts of Citizenship im Alltagsverständnis eine wichtige Rolle.
Acts of Citizenship sind jedoch keinesfalls auf diese Dimension beschränkt. Ní Mhurchú arbeitet mit dem Begriff der „unfamiliar acts of citizenship“ (2016: 156) heraus, dass auch in den Citizenship Studies eine Priorität auf die als ‚politisch‘ verstandenen Kämpfe stattfindet. Dabei wird implizit ein Konzept des Politischen reproduziert, das mit dem Begriff Acts überwunden werden sollte. Sie plädiert dafür, die die herrschende Ordnung durchbrechenden Acts auch in anderen, zunächst ungewohnten Bereichen als politisch anzuerkennen und als solche zu analysieren; in ihrem Fall das Politische in den Praxen von Sprache und Musik. Sie analysiert Verlan und Hip-Hop in Frankreich als hochpolitische Praxen, die den mono-linguistischen Anspruch und ethnische Kategorisierungen nationaler Citizenship stören und unterlaufen. In diesen kulturellen Praxen finden sich die Erfahrungen von Prekarisierung und Exklusion mehrerer Generationen migrantischer Communities wieder, die durch ihre hybriden Identifikationspraxen das nationalstaatliche Zugehörigkeitsregime subvertieren (eher als aktiv entgegenstellen) und andere Felder der Identifikation und der Zugehörigkeit jenseits des Nationalstaats eröffnet. In ihrer Analyse vermeidet sie einfache Binaritäten und sieht die Spannungen – beispielsweise im französischen Rap zwischen subversivem Potenzial und patriarchalem und kommerziellem Charakter – als Ausdruck der Ambivalenzen innerhalb der Auseinandersetzungen um Citizenship (Ní Mhurchú 2016: 160). Acts of Citizenship können also auch auf einer weniger ‚politischen‘ Bühne stattfinden, beispielsweise etwa in sozialen, kulturellen oder alltäglichen Praxen. So können beispielsweise die kollektiven Erstürmungen der Grenzzäune in Ceuta und Melilla oder allgemeiner die Überwindung bzw. Unterwanderung der europäischen Außengrenze als Praxis angesehen werden, die die Frage von Zugehörigkeit, die Frage von Citizenship als Status stellt, und können somit als Abstimmung mit den Füßen gegen neokoloniale Herrschaftsverhältnisse gesehen werden. Auch ganz alltägliche Verortungspraxen in der Migrationsgesellschaft können Acts of Citizenship sein, wenn beispielsweise das Integrationsparadigma karikiert wird. Diese Liste relativ beliebiger Beispiele ließe sich lange fortsetzen, denn Acts of Citizenship lassen sich in allen Bereichen finden, in denen Ungleichheit und Exklusion nicht widerspruchslos hingenommen wird. Auch der Vorschlag das Untersuchungsfeld von Acts of Citizenship in soziale Bewegungen und kulturelle sowie Alltagspraktiken zu unterscheiden, ist noch ausbaufähig, weiter differenzierbar und operationalisierbar, stellt jedoch eine für den Moment gangbare Arbeitshypothese dar.
Inclusive Citizenship ist ein Ansatz der neue Perspektiven in der politischen Bildung und in der Diskussion um Inklusion ermöglicht. Mit Inclusive Citizenship kann die auf die Ausweitung von Inklusion zielende Wissenschaft noch stärker die Frage der Macht mit einbeziehen. Macht bedeutet in diesem Konzept aber nichts Statisches oder Universelles; mit Inclusive Citizenship liegt der Fokus immer auf der Dimension der Auseinandersetzung. Im Zuge der Diskussion um diesen Artikel kam die Frage auf, warum es angesichts der Zentralität der Spannungsverhältnisse nicht Inclusive-Exclusive Citizenship heißen sollte. Der Grund liegt darin, dass dem Ansatz das klare Begehren nach Ausweitung von Rechten und Teilhabe – kurz: Inklusion – zugrunde liegt. Im Sinne dieses Begehrens stellt der Ansatz Inclusive Citizenship einen theoretischen Rahmen für Reflexion, Konzeption und empirische Forschung dar. Der Ansatz Inclusive Citizenship ist ein work in progress; wir stecken selber noch im Diskussions- und Entwicklungsprozess. Wir erhoffen uns Impulse anderer Disziplinen, um den Ansatz weiterzuentwickeln und interdisziplinär seine Potenziale auszuloten. Statt eines Fazits findet sich deswegen nun hier ein ebenso abruptes, wie offenes Ende, das als Einladung zur Diskussion zu verstehen ist …
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[1] Der Ansatz Inclusive Citizenship wurde und wird in einem interdisziplinären Arbeitszusammenhang an der Leibniz Universität Hannover erarbeitet und wurde bereits unter anderen Perspektiven in einigen Publikationen diskutiert, siehe Kleinschmidt/ Lange 2017, 2016a, 2016b.
[2] Um den Text an dieser Stelle nicht zu überfrachten, wird auf eine detailliertere Darstellung verzichtet, die die Vorläufer dieser Theorien, wie beispielsweise durch Simone de Beauvoir seit den 1940ern, und anderen feministischen oder queeren Autor_innen berücksichtigen müsste. An dieser Stelle geht es ja vielmehr darum, wann ein solcher Paradigmenwechsel in der akademischen Sphäre hoffähig geworden ist.