Kerstin Merz-Atalik:

Von einem Versuch „der Integration der Inklusion in die Segregation“[1]?! Aktuelle Daten und Fakten zur schulischen Inklusion in Baden-Württemberg

Abstract: In Baden-Württemberg haben sich seit der Forderung nach der Entwicklung eines inklusiven Bildungssystems (nach § 24 der UNCRPD 2006) nicht nur die Förderquoten erhöht wie in zahlreichen anderen Bundesländern auch. In den vergangenen Jahren hat sich hier ebenso wie in anderen Bundesländern auch die Segregationsquote (der prozentuale Anteil der Schüler*innen, die eine Sonderschule besuchen) weiter erhöht. Sie ist auch nach dem neuen Schulgesetz und der Einführung des Elternwahlrechtes weitgehend unverändert. Die direkten Einschulungsquoten an Sonderschulen sind bundesweit am höchsten. Der Beitrag gibt einen Einblick in aktuelle Daten und Erkenntnisse und problematisiert eine mangelnde Governance der inklusiven Schulreform.

Stichworte: Inklusive Bildung, inklusive Schulreform, Bildungspolitik, Governance, Baden-Württemberg, Bildungsbericht

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung
  2. Analyse der inklusionsbezogenen statistischen Daten und Erkenntnisse aus Bildungsberichten für das Bundesland Baden-Württemberg
  3. Kritisches Resümee zu den dokumentierten Zahlen und der Governance der inklusiven Schulreform in Baden-Württemberg
  4. Literatur

 

1. Einleitung

In den vergangenen Monaten haben sich diverse nationale und länderbezogene Bildungsberichte und Publikationen erstmals auch explizit mit der Entwicklung der inklusiven Bildung in Deutschland befasst. Damit wird eine Forderung der UNCRPD (UN Convention of the Rights of Persons with Disabilities) umgesetzt: „...der Sammlung geeigneter Informationen, einschließlich statistischer Angaben und Forschungsdaten, die [den Staaten] ermöglichen, politische Konzepte zur Durchführung dieses Übereinkommens auszuarbeiten und umzusetzen. Die [...] gesammelten Informationen werden, soweit angebracht, aufgeschlüsselt und dazu verwendet, die Umsetzung der Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen durch die Vertragsstaaten zu beurteilen und die Hindernisse, denen sich Menschen mit Behinderungen bei der Ausübung ihrer Rechte gegenübersehen, zu ermitteln und anzugehen“ (Art. 31, UNCRPD; Ergänzung der Autorin).
Im Folgenden sollen aktuelle Daten und Fakten für das Bundesland Baden-Württemberg herausgearbeitet werden, um den Stand der Umsetzung der UNCRPD im Hinblick auf die Schaffung eines inklusiven Bildungssystems (Art. 24, UNCRPD) und den gleichberechtigten Zugang zu allgemeinen Grund- und Sekundarschulen und inklusiver Bildung für alle zu ermitteln.

2. Analyse der inklusionsbezogenen statistischen Daten und Erkenntnisse aus Bildungsberichten für das Bundesland Baden-Württemberg

Auf der Basis der Auswertung der aktuellen Bildungsberichte für Deutschland (2016, 2018) und für Baden-Württemberg (2016), sowie den Antworten der Landesregierung auf eine kleine Anfrage im Abgeordnetenhaus (2017), können die folgenden Thesen zur Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf in Baden-Württemberg bestätigt werden:

  1. Trotz dem neuen Schulgesetz von 2015, das sich zum Ziel gesetzt hatte, die „inklusive Bildung zu etablieren“ (Kultusministerium Baden-Württemberg 2014), gibt es einen weiteren Anstieg der Exklusionsquote[2] im Bundesland zu verzeichnen. Darüber hinaus wurde, auch nach der Ratifizierung der UNCRPD (in Deutschland auch Behindertenrechtskonvention/ BRK) durch die Bundesregierung in 2009 und dem ersten Prüfungsbericht der UN zu Deutschland in 2015, in einigen Kreisen Baden-Württembergs das Förderschulangebot sogar weiter ausgebaut (Autorengruppe Bildungsbericht 2018).
  2. Die direkte Einschulungsquote an den SBBZ (Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren; seit 2015) ist so hoch wie in keinem anderen Bundesland. Sie ist erst seit 2015 – mit der stärkeren Gewichtung des Elternwahrechtes auf inklusive Bildung - leicht zurückgegangen (a.a.O.).
  3. Baden-Württemberg weist bundesweit die höchste Quote von Kindern im Tagesstättenbereich (frühkindliche Bildung) mit sonderpädagogischem Förderbedarf bzw. einrichtungsbezogener Eingliederungshilfe auf, die in Förderschulkindergärten segregiert betreut werden (a.a.O.).
  4. Die schulgesetzliche Verankerung der schulischen Inklusion definiert die Aufgabe der inklusiven Bildung vorrangig als `Terrain´ der Sonderpädagogik und der Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (§ 15). Sie wird zudem eingeschränkt als Ansatz der gemeinsamen Erziehung und Unterrichtung von Schüler*innen mit und ohne Behinderung (SchG BW, § 3 Abs. 3) verstanden und nicht als Schulentwicklungsaufgabe für alle allgemeinbildenden Schulen im Schulgesetz grundgelegt. Zudem unterliegt dem Schulgesetz ein `enges´ Inklusionsverständnis, im Sinne der Integration von Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in allgemeine Schulen bzw. in gruppenbezogene Organisationsformen (SchG BW, § 15).
  5. Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind die beiden Bundesländer, in denen im Bundesvergleich prozentual die geringste Anzahl von allgemeinen Schulen bereits Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf inklusiv unterrichten (Autorengruppe Bildungsbericht 2018).

Diese Thesen sollen im Folgenden ausführlich auf der Basis der Bildungsberichte und der vorliegenden statistischen Daten belegt und im Hinblick auf Herausforderungen für die Governance bewertet werden.

These 1: Anstieg der Exklusionsquote und Ausbau des Angebotes segregierter Sonderschulen in Baden-Württemberg (seit der Ratifizierung der UNCRPD in 2009)

Der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen [3] hat in seiner dreizehnten Tagung im März und April 2015 den durch die deutsche Bundesregierung übermittelten Staatenbericht zur Umsetzung der UNCRPD (2011) geprüft und am 13. Mai 2015 „Abschließende Bemerkungen “ an die Bundesregierung übermittelt. In diesen heißt es zum Art. 24, Bildung:
„45. Der Ausschuss ist besorgt darüber, dass der Großteil der Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen in dem Bildungssystem des Vertragsstaats segregierte Förderschulen besucht.
46. Der Ausschuss empfiehlt dem Vertragsstaat,
(a) umgehend eine Strategie, einen Aktionsplan, einen Zeitplan und Ziele zu entwickeln, um in allen Bundesländern den Zugang zu einem qualitativ hochwertigen, inklusiven Bildungssystem herzustellen, einschließlich der notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen auf allen Ebenen;
(b) im Interesse der Inklusion das segregierte Schulwesen zurückzubauen (Hervorhebung durch die Autorin), und empfiehlt, dass Regelschulen mit sofortiger Wirkung Kinder mit Behinderungen aufnehmen, sofern dies deren Willensentscheidung ist;
(c) sicherzustellen, dass auf allen Bildungsebenen angemessene Vorkehrungen bereitgestellt werden und auf dem Rechtsweg durchsetzbar und einklagbar sind.“ (Auszug aus der deutschsprachigen Übersetzung des Deutschen Instituts für Menschenrechte Berlin, Monitoringstelle für die Umsetzung der UNCRPD)
Wenn man sich mit der Frage der quantitativen Inklusionsentwicklung im Bildungssystem aus vergleichender Perspektive befasst, kann man sicherlich vielfältige Indikatoren anlegen. Ein Indikator dürfte jedoch unbestritten – nach den Ausführungen in den Abschließenden Bemerkungen – ein Rückgang der Segregationsquote und damit der Zahl der Schüler*innen die an segregierten Sonderschulen unterrichtet werden sein. Seit dem neuen Schulgesetz von 2015 in Baden-Württemberg erhielten die Sonderschulen[4] und die Förderschulen (Förderschwerpunkt Lernen) eine neue Bezeichnung und firmieren nunmehr unter dem Begriff des Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrums (SBBZ). Ihre Aufgaben haben sich erweitert, indem sie auch die Allgemeinen Schulen bei inklusiven oder kooperativen Organisationsformen[5] unterstützen sollen (z.B. stundenweise im Rahmen des Sonderpädagogischen Dienstes, durch Abordnung mit Teildeputaten von Sonderpädagog*innen an die Regelschulen oder durch Beratung).
In Baden-Württemberg war es ehemals das proklamierte Ziel, die Quote der inklusiv unterrichteten Schüler*innen zu erhöhen und gleichzeitig jene in den Sonderschulen korrespondierend zurück zu fahren (so die Zielformulierungen seitens des Referates für Sonderpädagogik des Kultusministeriums im Expertenrat). Der „Expertenrat für die Weiterentwicklung der Sonderpädagogischen Förderung“ wurde 2009 eingesetzt, um „die Leitidee eines inklusiven Bildungswesens mit einer Priorisierung der gemeinsamen Bildung und Erziehung von Menschen mit und ohne Behinderung, wie sie die VN-Behindertenrechtskonvention ausführt“ (Landtag von Baden-Württemberg 2010, S. 6; Hervorhebung durch die Autorin) zu stärken. Es wurden in der Folge fünf Modellregionen[6] eingerichtet, in denen insbesondere Erfahrungen mit dem geplanten neuen Schulgesetz (z.B. dem Elternwahlrecht sowie dem Verwaltungshandeln) gesammelt werden sollten. In den Modellregionen war das damals bestehende Schulgesetz (in der letzten Fassung von 1999) im Hinblick auf inklusive Bildung – und damit auch die Sonderschulpflicht - teilweise außer Kraft gesetzt. Ein Abschlussbericht liegt vor (unveröffentlicht), jedoch enthält er weder forschungsbasierte Daten und Fakten zu den Erfahrungen in den Modellregionen, noch Indikatoren für ein angemessenes Monitoring oder eine abschließende Evaluation.
Den Rückbau des Sonderschulsystems kann man (nach den Ausführungen des UN Ausschusses zur UNCRPD) unter anderem an dem Indikator der Quote segregiert beschulter Schüler*innen ablesen, also der Exklusionsquote. Nach der Terminologie der UN, wäre es eigentlich angemessen von einer Segregationsquote statt einer Exklusionsquote zu sprechen, da in den Dokumenten der UN mit dem Begriff der Exklusion der generelle Nichtzugang zu schulischen Bildungsangeboten bezeichnet wird. In den General Comments zum Art. 24 wird klar definiert: „Segregation occurs when the education of students with disabilities is provided in separate environments designed or used to respond to a particular impairment or to various impairments, in isolation from students without disabilities”. Die segregierte Beschulung solle zurückgefahren werden, da “Children with disabilities, for example, have greater overall gains in academic outcomes and behaviours in inclusive environments than their peers with similar disabilities in segregated classrooms” (UN Committee 2016, S. 2). Auch die in Baden-Württemberg lange favorisierten kooperativen Organisationsformen (Aussenklassen) entsprechen nach den Ausführungen in den General Comments nicht dem Anspruch auf ein inklusives Bildungsangebot: “Similarly, creating discrete and isolated units for students with particular disabilities within a mainstream school environment remains a form of segregation, and cannot be defined as inclusive education. Integration is not a necessary transition from segregation to inclusion” (a.a.O. S. 4). Die Kinder und Jugendlichen in den gruppenbezogenen (Außen-)Klassen müssen also folglich zu den segregiert beschulten Schüler*innen gerechnet werden.
Die Exklusionsquoten werden seit Jahren insbesondere durch Klemm & Preuss-Lausitz (Klemm 2009; Klemm 2013; Klemm/ Preuss-Lausitz 2017) auf der Basis der offiziellen Statistiken der Bundesländer (KMK) erhoben und aufbereitet. Die Autoren kommen (2017) zu der Feststellung, dass „...wir auf der einen Seite Länder finden, in denen die Exklusionsquote gegenüber 2015/16 sogar angestiegen ist, die sich in den Jahren seit 2008/09 also dem Ziel der UN-Behindertenrechtskonvention nicht nur nicht angenähert haben, sondern sich seither davon entfernt haben. Dazu zählen Bayern, Baden-Württemberg sowie Rheinland-Pfalz und das Saarland“ (Klemm/ Preuss-Lausitz 2017, S. 51).
In einer tabellarischen Übersicht wird die Entwicklung der Exklusions- und Inklusionsquoten[7] über einen Zeitraum von 15 Jahren (zwischen den Schuljahren 2008/09 und 2015/16) verglichen (ebd. S. 55).

Abbildung 1: Vergleich der Exklusion zwischen 2008/09 und 2015/16 (Klemm/ Preuss-Lausitz 2017, S. 55).
Die Abbildung macht deutlich, dass sich die Quote der Sonder- oder Förderschulen besuchenden Schüler*innen an der Gesamtschülerschaft in den Jahren seit der Ratifizierung der UNCRPD Deutschlands (in 2009) in Baden-Württemberg sogar noch erhöht hatte. Es wurden also mehr Kinder und Jugendliche an den SBBZ unterrichtet als 5 Jahre davor[8]. Betrachtet man die statistischen Daten für die beiden Folgeschuljahre nach der Schulgesetzänderung (in 2015), muss man feststellen, dass die Anzahl sogar noch weiter angestiegen ist. So haben die SBBZ in den beiden Schuljahren einen weiteren Anstieg der absoluten Schülerzahlen zu verzeichnen gehabt (2016/17 - staatliche um 0,4 %, private um 1,2 %; 2017/18 – staatliche um 0,2 % und private um 0,7%[9]). Die Schulgesetzänderung im Schuljahr 2015 hatte so also bislang keine positiven Auswirkungen auf eine Senkung der Segregationsquoten. Die Verteilung dieser Schüler*innen stellte sich für das Schuljahr 2016/17 nach Angaben des Kultusministeriums Baden-Württemberg (Sachstandsbericht 2017) wie folgt dar.

Abbildung 2: Verteilung der Schüler*innen mit sonderpädagogischem Bildungs- oder Beratungsbedarf[10] auf die Beschulungsformen (2016/17); Berechnung auf der Basis des Sachstandsberichtes des Kultusministeriums Baden-Württemberg (4.10.2017)
Im aktuellen Bildungsbericht Deutschland (2018) wird festgestellt, dass „bundesweit [...|der Inklusionsanteil[11] bei nunmehr 39 % [liegt], lediglich in 4 Ländern[12] wird die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf in allgemeinen Schulen unterrichtet“ (Autorengruppe Bildungsbericht 2018, S. 7). In Baden-Württemberg liegt der Inklusionsanteil[13] nach dieser Darstellung bei 34,9% und damit im Vergleich der Bundesrepublik unterdurchschnittlich (siehe Abbildung 3).
Der Inklusionsanteil ist nach den Angaben im Bildungsbericht 2018 in Baden-Württemberg zwar seit 2000/01 angestiegen (von 24% auf 34,9 %). Jedoch sind bei dem genannten Inklusionsanteil von 34,9% erstens die Schüler*innen in Außenklassen der Zahl der inklusiv unterrichteten Schüler*innen zugerechnet worden (siehe Abbildung 2; dabei handelt es sich nach den General Comments um ein segregiertes Bildungsangebot; auch wenn viele Schulen bereits jenseits der Vorgaben für gruppenbezogene Lösungen weitgehend inklusiv unterrichten). Zweitens sind die über 18.000 Schüler*innen, welche zielgleich an der Regelschule unterrichtet werden und „nur einen sonderpädagogischen Beratungsanspruch“ haben, ebenfalls zur Inklusionsquote gerechnet worden. Zählt man nur jene Schüler*innen mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf zu dem Inklusionsanteil, welche zieldifferent beschult werden, kommt man nach den Zahlen des Kultusministeriums von Baden-Württemberg (2017) auf einen „echten Inklusionsanteil“ (Michael Hirn 2017 in der Stuttgarter Zeitung) von gerade mal 14%. Auf der Basis der Zahlen des Bildungsberichtes Baden-Württemberg (Themenheft Sonderpädagogische Förderung 2009) ergab sich ein relativ niedriger Lehrerwochenstunden Bedarf seitens der zielgleich unterrichteten Schüler*innen bei jenen, die durch den sonderpädagogischen Dienst begleitet wurden: pro Schüler*in lediglich 0,38 Lehrerwochenstunden an (vgl. Merz-Atalik, 2011). Zieldifferent und inklusiv unterrichtete Schüler*innen (In 2016/17 waren es nach Angaben des KM 7.980) entsprächen eigentlich sogar nur einem Inklusionsanteil von etwas über 10% (abzüglich der gruppenbezogenen Organisationsformen).

Abbildung 3: Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischer Förderung* in Förderschulen und sonstigen allgemeinbildenden Schulen, Förderquote und Förderschulbesuchsquote 2000/01 und 2016/17** nach Ländern (Autorengruppe Bildungsbericht 2018, Tabellenanhang).

Generell ist in vielen Bundesländern gleichzeitig auch die sogenannte Förderquote gestiegen, also der prozentuale Anteil der Schüler*innen, welche die Klassifikation sonderpädagogischer Förderbedarf erhalten. Eine vergleichende Abbildung zu den Bundesländern zeigt auf, dass die Exklusionsquote (oder Segregationsquote) in Baden-Württemberg jedoch ebenfalls zwischen dem Schuljahr 2000/01 bis 2015/16 von 4,3% auf 4,9% deutlich angestiegen ist. Der allgemeine Rückgang der Schülerzahlen (von 2001-2015; danach wieder leicht steigend) hätte sich eigentlich auch in der absoluten Zahl derjenigen an Sonderschulen auswirken müssen. Jedoch haben die absoluten Zahlen an den Sonderschulen (mit Ausnahme des Förderschwerpunktes Lernen) weitgehend stagniert oder sind sogar angestiegen. Die Förderquote, mit der die Anzahl der als sonderpädagogisch bedürftigen Schüler*innen terminologisch gefasst wird, ist im gleichen Zeitraum von 5,7% auf 7,5% gestiegen. Nach Hinz (2016) könnte man auch von einer Etikettierunsquote sprechen. Man kann also schlussfolgern, dass die Zunahme an inklusiv beschulten Kindern in den letzten 15 Jahren (von 1,4% in 2000/01 auf 2,6% in 2015/16) in Baden-Württemberg mit einer deutlichen Erhöhung der Förderquoten (Klassifikationsquoten) bzw. Etikettierungen von Schüler*innen einhergegangen ist und evtl. sogar vorrangig durch diese zu erklären ist. Dem Bildungsbericht Deutschland (2018) kann man zudem entnehmen, dass es einige Bundesländer gibt, in denen es „weniger Förderschulstandorte gibt als noch im Jahr 2000 – insbesondere in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein [...]. Demgegenüber wurde das Förderschulangebot [im Zeitraum von 2000 – 2016; Ergänzung durch KMA] in einer Reihe von Kreisen der Länder Baden-Württemberg[14], Hessen und Niedersachsen im selben Zeitraum ausgebaut“ (Autorengruppe Bildungsbericht, S. 105; Tab. D5-8web).

These 2: Zum höchsten Anteil der direkten Einschulungsquote an den Sonder-/ Förderschulen (SBBZ) in Baden-Württemberg

Der Bildungsbericht 2018 berichtet erfreulicher Weise von einem bundesweiten Rückgang der direkten Einschulungen in die Förderschule seit Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention (2009). „Während zum Schuljahresbeginn 2008/09 3,6 % aller eingeschulten Kinder direkt in eine Förderschule eingeschult wurden, waren es 2016/17 noch 3,0 %. Das entspricht deutschlandweit 21.700 Kindern, die nicht in eine Regelschule eingeschult werden. Nach wie vor gibt es hier nennenswerte Länderunterschiede; die Spanne reicht von 0,5 % in Bremen bis zu 4,2 % in Baden-Württemberg“ (Autorengruppe Bildungsbericht 2018, S. 7). Das bedeutet gleichsam, dass bereits bei der Einschulung in Baden-Württemberg bundesweit die geringste Zahl an Schüler*innen eine Chance erhält, ihren Bildungsweg in den allgemeinen Grundschulen zu beginnen. Bundesweit ist der Anteil der Jungen an den direkten Einschulungen in die Sonder-/Förderschulen ist mit 4 % höher als bei Mädchen mit 2 % (a.a.O.). Es wird generell eine enorme Heterogenität zwischen den Ländern bei der direkten Einschulung in die Förderschule beobachtet. „Die frühe Zuweisung auf eine separate Schulart stellt eine wesentliche Weichenstellung im Bildungsverlauf der betroffenen Kinder dar“ (a.a.O., S. 82).

Abbildung 4: Anteil der direkten Einschulungen in die Förderschule 2004/05 bis 2016/17 nach Geschlecht und Ländern (in %); (Autorengruppe Bildungsbericht 2018, Tabellenanhang)
Hier scheint sich jedoch ein Effekt der Einführung des Elternwahlrechtes in das Schulgesetz zu zeigen, denn erstmals nach sechs Jahren sind die Quoten der direkten Einschulung (2009-2015) wieder leicht sinkend. Dennoch sind sie im Vergleich zum Durchschnitt in Deutschland (3%) weiterhin deutlich höher.

These 3: Zur höchsten Quote an Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf bzw. einrichtungsgebundener Eingliederungshilfe in Förderschulkindergärten im Bundesvergleich

Text Die Segregation der Kinder mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf beginnt in Baden-Württemberg bereits vor der Schule. 89% der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf bzw. Anspruch auf einrichtungsgebundene Eingliederungshilfe (8.824 Kinder von 9.911) besuchten 2017 in Baden-Württemberg eine Tageseinrichtung mit Gruppenstruktur. Davon wurden 49,5% in den Förderschulkindergärten (an den SBBZ) betreut und nur 45% in Tageseinrichtungen mit einem Anteil an Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf bzw. Anspruch auf einrichtungsgebundene Eingliederungshilfe „unter 20%“ (also inklusiven Kindertageseinrichtungen). Dies die höchste Quote in Deutschland (gefolgt von Niedersachsen mit 47% in Gruppen mit mehr als 90% Kindern mit Eingliederungshilfen; Rheinland-Pfalz mit 23,3% in Gruppen mit mehr als 90% Kindern mit SPF oder Eingliederungshilfen)[15].

Abbildung 5: Kinder mit einrichtungsgebundener Eingliederungshilfe bzw. sonderpädagogischem Förderbedarf vor der Einschulung 2017 nach Betreuungsformen und Ländern (Autorengruppe Bildungsbericht 2018, Tabellenanhang)

These 4: Zur schulgesetzlichen Verankerung der Inklusion: Inklusive Bildung als `Terrain´ der Sonderpädagogik, Elternwahlrecht statt Individualrecht und kein Vorrang der Inklusion

Baden-Württemberg galt vor der Schulgesetzänderung in 2015 als das letzte Bundesland, indem man zumindest nach der schulgesetzlichen Regelung, Kinder gegen den Willen der Eltern in Sonder- oder Förderschulen beschulen konnte. Es gab bis dahin basierend auf dem Schulgesetz von 1999 eine förmliche „Sonderschulpflicht“. Doch auch nach der langersehnten Änderung des Schulgesetzes in 2015 hat man sich wenig an den Vorgaben der UN Konvention orientiert. So wurde

  1. dem Schulgesetz ein enger Inklusionsbegriff zugrunde gelegt. „Schüler mit und ohne Behinderung werden gemeinsam erzogen und unterrichtet (inklusive Bildung)“ (Schulgesetz für Baden-Württemberg (SchG) § 3).
  2. Inklusion wird als Aufgabe aller Schulformen gesetzt, jedoch alle Aspekte, die sich auf die konkrete Ausführung der inklusiven Bildung (wie bspw. zieldifferenter Unterricht, zieldifferente Bewertung, etc.) beziehen im §15 „Sonderpädagogische Beratungs-, Unterstützungs- und Bildungsangebote in allgemeinen Schulen und sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren“ ausgeführt. Somit also als vorrangige Entwicklungsaufgabe unter die Verantwortung der Sonderpädagogik gestellt.
  3. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis wurde nicht gemäß der UNCRPD geregelt, nach der es einen Rechtsanspruch auf inklusive Bildung (im Original „full“ inclusion) gibt. So heißt es in § 15: Die sonderpädagogische Beratung, Unterstützung und Bildung findet in den allgemeinen Schulen statt, soweit Schüler mit Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot kein sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum besuchen“ (SchG; Hervorhebung der Autorin).

Hier kommt ein Verdacht auf: Wurde die inklusive Bildungsreform und das neue Schulgesetz von 2015, aufbauend auf den Argumenten eines „Risikos von einem sonderpädagogischen Qualitäts-, Erfahrungs- und Professionalisierungsverlust“, lediglich zur Stärkung der Bedeutung (wenn nicht sogar Herrschaft) der Sonderpädagogik sowie dem Erhalt der Sonderschulen instrumentalisiert? Die Umbenennung der Sonderschulen in SBBZ - Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren wurde in den vergangenen 3 Jahren in keinem Dokument (zumindest nicht öffentlich zugänglich) mit einer konzeptionellen Neuausrichtung der inklusionsbezogenen Arbeit an denselben ausgeführt. Um den Bestand der SBBZ zu sichern, könnte auch das Elternwahlrecht als hilfreiche Strategie gesehen werden. Solange es dieses gibt, muss die Bildungsverwaltung auch gleichzeitig das regionale Angebot von segregierten Bildungseinrichtungen vorhalten. Dahingegen hat die UN in den General Comments zum Art. 24 unmissverständlich klargestellt: „Inclusive education is to be understood as: (a) A fundamental human right of all learners. Notably, education is the right of the individual learner and not, in the case of children, the right of a parent or caregiver. Parental responsibilities in this regard are subordinate to the rights of the child;” (a.a.O., S. 3; Hervorhebung der Autorin). Von einem wirklichen Wahlrecht zwischen segregierten SBBZ und der inklusiven Beschulung an einer Allgemeinen Schule zu sprechen, würde zudem voraussetzen, dass die Ressourcen an beiden Schulformen gleichermaßen den Bedürfnissen der Schüler*innen entsprechen. Die Frage danach, „inwiefern die Wahlfreiheit zwischen dem Besuch einer allgemeinbildenden Schule und einem SBBZ für Eltern von Kindern mit Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot derzeit tatsächlich eine Entscheidung zwischen zwei qualitativ gleichwertigen Alternativen ist und wenn nicht, wie sie dies zukünftig sicherstellen möchte“ (Antrag zur Berichterstattung des Landtages Baden-Württemberg, Drucksache 16 / 4776, 13. 09. 2018), wurde durch die Landesregierung wie folgt beantwortet: „Eltern sollen sich zwischen qualitativ vergleichbaren Angeboten an allgemeinen Schulen und den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren entscheiden können. Entscheiden sie sich für die allgemeine Schule, wählen sie auch die dortigen Organisations- und Programmvorgaben sowie die Lehrkräfte der allgemeinen Schulen, die von sonderpädagogischen Lehrkräften unterstützt werden“ (a.a.O; Hervorhebung durch die Autorin).
Eine qualitativ gleichwertige Ausstattung der beiden Systeme ist aktuell insbesondere im Hinblick auf die personelle Ausstattung (Lehrer-Schüler-Relation, Multiprofessionalität wie z.B. auch therapeutische Unterstützung, zusätzliche Assistenzkräfte und Eingliederungshilfen, etc.), die Ausstattung mit Sachmitteln, die an den SBBZ verorteten Angebote der frühkindlichen Förderung und Beratung als auch im Hinblick auf die Ganztagsschulangebote generell nicht gewährleistet. Vielmehr lassen sich Eltern, die sich für einen inklusiven Bildungsweg entscheiden häufig auf unabsehbare und ständig neu auszuhandelnde Rahmenbedingungen und ggf. einen langen, kommunikationsintensiven und anstrengenden Prozess der Ressourcenabklärung ein. In vielen Fällen berichten Eltern von den Herausforderungen im Umgang mit der Schulverwaltung nach der Entscheidung für einen inklusiven Bildungsweg, da die zuständigen Stellen und Personen häufig nicht über ausreichend Wissen und Kompetenzen verfügen. So berichten sie von Teil- oder Fehlinformationen, wenig Eigeninitiative seitens der Verwaltung für die Umsetzung inklusiver Bildung oder gar von juristischer Begleitung, die sie in Anspruch nehmen müssen (Erhardt 2015; Müller 2016) um ihre Rechte durchzusetzen.
„Es gibt ja nicht irgendwie [...] eine Stelle, die einem dann alle Informationen komplett auf einem Silbertablett präsentiert. Ich habe damals immer gesagt: `Es kommt einem so vor, als würde man irgendein Puzzle machen müssen und kriegt nicht alle Teile´. [...] ...wenn man fragt, bekommt man teilweise sogar falsche Informationen, was ich dann im Nachhinein sehr ärgerlich fand (Eltern)“ (Müller 2016, 56).
„Das schaffen nur die Akademiker. Ich habe von Anfang an die Sorge formuliert, dass [...] das Vorgehen wieder selektiert, weil vor allem Eltern, die das durchschauen, die die Kraft, die Energie, die Kompetenz haben, vielleicht sogar das Geld, einen Rechtsanwalt mit einschalten, da Wege gehen können, die andere Eltern gar nicht gehen können, weil sie es nicht vermögen. (Schulträger)“ (Müller 2016, 56).
Hier muss die Vermutung geäußert werden, dass in vielen Fällen den Erfahrungen mit Unkenntnis, offenen oder verdeckten Widerständen oder auch nur Unsicherheit in den Entscheidungswegen der Akteure ein bedeutender und unter Umständen der größte Einfluss auf die Schulformentscheidungen vieler Eltern zuerkannt werden muss. Entscheidungen in traditionellen Steuerungskonzepten nach dem Modell des Top-Down  werden durch die „Spitze“ getroffen und haben häufig „nichtintendierte Handlungsfolgen“ (Altrichter 2014) oder negative Neben-Effekte für Teilgruppen oder Einzelne im System. Daher bedarf es im Sinne eines Change-Prozess-Managements der weitgehenden Einbindung aller Akteure an der Reform im Sinne einer Educational Governance. „Statt traditionelle Steuerungsversuche „die in ihrer Beobachtung von ‚top-down‘ oder ‚bottom-up‘- Prozessen auf hierarchische Prozesse fokussiert sind“ (Hinz & Kruschel 2012, o.S.), welche die erhebliche Gefahr der Entstehung von Widerstand von jenen Akteuren oder Akteursgruppen aufweisen, die sich nicht ausreichend berücksichtigt oder eingebunden fühlen, befasst sich die Educational Governance mit Fragen einer stärkeren Einbindung aller Akteure in das change management eines Systems“ (Powell/ Merz-Atalik 2018).
Dass die Regierungspräsidien und Schulämter in Baden-Württemberg bei der Schulwegentscheidung eine wichtige Beratungsfunktion haben steht außer Frage (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg 2016). Deren Objektivität in den Entscheidungen auf der Basis der konkreten Effekte für die Lernentwicklung und die soziale Integration der betroffenen Schüler*innen, angesichts der Konsequenzen in materieller Hinsicht z.B. in Bezug auf die Ausweitung des Budgets, in personeller Hinsicht angesichts der Lehrerknappheit oder der Erfordernisse von Interventionen auf differenten Ebenen des Systems, darf unter Umständen in Frage gestellt werden. Dies wiederum kann sich verstärkend auf eine weitgehende Beliebigkeit der Entscheidungswege für inklusive Bildungsangebote, die sich z.B. in den unterschiedlichen Quoten von inklusiv unterrichteten Schüler*innen sowie der Beteiligung von Regelschulen in den Regionen Baden-Württembergs abbildet (vgl. Abbildung 7). „Grundlegend ist die governancetheoretische Annahme, dass sich die in Akteurskonstellationen handelnden Akteure vorwiegend am eigenen Nutzen orientieren, d.h. die bestehenden politischen Rahmensetzungen in ihrem eigenen Sinne interpretieren und zu ihrem eigenen Vorteil nutzen“ (Rürup 2011 o.A.) und systemerhaltend rekonstruieren (Merz-Atalik/Hudelmaier-Mätzke 2016). In Systemen in welchen die Zielsetzungen von Reformen nicht eindeutig im Mehrebenensystem definiert und an die beteiligten Akteure kommuniziert werden, besteht die Gefahr dass Entwicklungspotentiale im Hinblick auf die Handlungskoordinationen zwischen den beteiligten Ebenen und Akteuren nicht ausreichend ausgeschöpft, ggf. sogar gehemmt werden (vgl. ebd.) und so kommt es zu „Improvisationen und Experimentieren und einem erheblichen Spielraum in Bezug auf die Auslegung von Zielperspektiven für das eigene Handeln, [mit einem] Handlungsspielraum, der einerseits kreativ im Sinne von Inklusion genutzt wird, andererseits jedoch auch zu Unsicherheiten in Bezug auf die konkreten Handlungsziele führt“ (ebd.). [...] insbesondere die Regelschullehrkräfte [können so] die Aufgabe der „Inklusion“ delegieren und als Systemmitspieler/innen (vgl. Altrichter et al. 2007) relativ unbeteiligt bleiben. Dabei werden wesentliche Ressourcen für die Gestaltung von inklusiven Prozessen zu wenig aktiviert“ (Merz-Atalik & Hudelmaier-Mätzke 2014, o.S.).
Einerseits wird den Schulämtern eine weitgehende Autonomie für die Zuweisung von Ressourcen zugestanden und sie erhalten dazu ein Budget. Andererseits ist dieses nur bedingt an konkrete Umsetzungsvorhaben oder im Sinne von Zielvereinbarungen an Entwicklungsvorgaben für ein inklusives Bildungssystem geknüpft und damit auch wieder ggf. beliebig einsetzbar. „Das sonderpädagogische Budget, das den allgemeinen Schulen zur Durchführung inklusiver Bildungsangebote für Schülerinnen und Schüler mit einem festgestellten Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot bedarfsgerecht von der unteren Schulaufsichtsbehörde zugewiesen wird. Die inklusiven Bildungsangebote an allgemeinen Schulen und die Bildungsangebote der sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren sollen jeweils über eine qualitativ vergleichbare Ausstattung verfügen“ (Organisationserlass; Verwaltungsvorschrift vom 8. März 2018, Az.: 21-6740.3/1333). Wie dies – seitens dieser unteren Schulaufsichtsbehörden - angesichts der knappen Mittel für inklusive Schulentwicklung und der generellen Problematik mit der Lehrerversorgung (nicht nur, aber auch im Bereich Sonderpädagogik) umzusetzen ist, bedarf enormer kreativer Vorstellungskraft. Zudem sind nicht nur die staatlichen Schulämter durch ihre Beratungs- und Ressourcenverantwortung in die Prozesse eingebunden, sondern auch Sozialämter, Ämter für Besondere Hilfen (Schulbegleitung, Fahrdienste…), welche eine zentrale Rolle einnehmen. Mit diesen sind die inklusiven „Fälle“ oftmals neu auszuhandeln, während sie mit den SBBZs langjährig gesicherte Übereinkommen und Verträge getroffen haben.
Die Divergenz in der Umsetzung der UNCRPD in den Schulgesetzen wird auch im aktuellen Bildungsbericht Deutschland hervorgehoben, die folgende Varianten beschreiben: „... schulgesetzliche Änderungen, die im Falle von Hamburg und Bremen einen expliziten Rechtsanspruch auf Zugang zu einer allgemeinen Schule einräumen; mit Einschränkungen ebenfalls in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und im Saarland. Der Vorrang einer gemeinsamen Beschulung wurde auch in Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Thüringen gesetzlich verankert, jedoch gilt hier ein Ressourcen- bzw. Organisationsvorbehalt, d.h., die Aufnahme an eine allgemeine Schule ist davon abhängig, ob eine angemessene personelle und sächliche Ausstattung vorhanden ist oder mit `vertretbarem Aufwand´ bereitgestellt werden kann. In Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt wird dem inklusiven Unterricht rechtlich kein Vorrang gegenüber dem Förderschulbesuch eingeräumt“ (Autorengruppe Bildungsbericht 2018, 104; Hervorhebung KMA).

These 5: Inklusion unter der alleinigen Verantwortung der Sonderpädagogik?!

Wie bereits ausgeführt, konzentrieren sich die neuen Handlungsoptionen für inklusive Bildung nahezu ausschließlich im § 15 im Schulgesetz und werden dadurch zum Handlungsfeld der Sonderpädagogik. Die Regelschulen, welche sich vielerorts bereits auf den Weg machen inklusive Konzepte zu entwickeln bzw. bereits umsetzen, erhalten durch das Schulgesetz und die darauf basierenden Ausführungsvorschriften keinerlei Stärkung (z.B. im Hinblick auf Ressourcenausstattung oder wissenschaftliche Begleitung). „Es ist damit grundsätzlich Aufgabe aller Schulen, das gemeinsame Lernen von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderungen zu ermöglichen. Die allgemeinen Schulen erhalten bedarfsbezogen sonderpädagogische Unterstützung durch die Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren bzw. haben bei entsprechendem Bedarf die Möglichkeit Stellen für sonderpädagogische Lehrkräfte auszuschreiben“ (Kultusministerium 2016, S. 6). Mit der diagnostischen Klassifizierung von Schüler*innen auf einen „Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot“ (ebd.), wird jedoch auch gleichzeitig die Abhängigkeit von sonderpädagogischen Ressourcen festgeschrieben. So gibt die Landesregierung in einer Antwort auf eine kleine Anfrage im Abgeordnetenhaus 2017 zur Kenntnis: „Im Sinne einer institutionenbezogenen Zusammenarbeit sollen die Schulleitungen der allgemeinen Schulen und der jeweils zugehörigen sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren gemeinsam die Ausgestaltung inklusiver Bildungsangebote und kooperativer Organisationsformen sowie die Fallsteuerung verantworten“ (Landtag Baden-Württemberg 2017, S. 8). Inwiefern diese für die Autonomie und den Entscheidungsspielraum, der ihnen damit zugestanden wird, qualifiziert und ausgestattet sind oder werden, bleibt weitgehend offen. Nach der Schulgesetzänderung in 2015 wurden für den Aufbau der Inklusiven Bildung bis zum Jahr 2017/18 durch die Landesregierung 560 Lehrerstellen (inkl. monetärer Stellen für Privatschulen) geschaffen. Davon gingen ca. 308 in die allgemeinbildenden Schulen, 50 in die Schulverwaltung. Von 6.283 Stellen für Lehrkräfte mit dem Lehramt Sonderpädagogik sind im Schuljahr 2016/17 nur 890 (14,1%) direkt an Allgemeinen Schulen eingesetzt worden (siehe Abbildung 6).

Abbildung 6: Lehrkräfte mit Lehramt Sonderpädagogik an öffentlichen Schulen in Baden-Württemberg (2011 – 2017) nach Schularten; Tabelle aus der Antwort der Landesregierung im Rahmen der kleinen Anfrage der SPD im Abgeordnetenhaus.
In den General Comments (UN) ist eine Reform des Gesamtsystems bei der Entwicklung eines inklusiven Bildungssystems gefordert. „11. (a)A “whole systems” approach: education ministries must ensure that all resources are invested in advancing inclusive education and in introducing and embedding the necessary changes in institutional culture, policies and practices;” (a.a.O. S. 4). So verwundert es kaum, dass der aktuelle Bildungsbericht Deutschland hier ein weiteres Entwicklungsdefizit im Hinblick auf die Entwicklung eines inklusiven Bildungssystems für das Bundesland Baden-Württemberg beschreibt. Während in den meisten Bundesländern bereits in zwei Dritteln aller Regelschulen mindestens ein Kind mit sonderpädagogischer Förderung unterrichtet wird (Autorengruppe Bildungsbericht 2018, S. 106), liegen die Anteile für Baden-Württemberg deutlich unter dem Bundesdurchschnitt (siehe Abbildung 7).

Abbildung 7: Anteil der allgemeinbildenden Schulen*, die Schülerinnen und Schüler mit sonderpä-dagogischer Förderung unterrichten, 2016/17 nach Kreisen (inkl. Kreisfreie Städte) und Bundesländern (in %); Bildungsbericht Deutschland 2018, S. 106.
Es wird hier dokumentiert, dass in Baden-Württemberg mit nur 32% der allgemeinbildenden Schulen (nach Rheinland-Pfalz mit 29%) deutlich weniger Regelschulen bereits Kinder mit Förderbedarf inklusiv unterrichten, als in der Mehrheit der anderen Bundesländer. Lediglich in einzelnen Regierungspräsidien (z.B. Stuttgart und Tübingen) werden etwas höhere Quoten (über 50%) erreicht. Interessant ist es, dass es sich bei diesen nicht nur um jene Regionen handelt, die als Modellregionen mit der inklusiven Bildung fünf Jahre vor der Schulgesetzänderung in 2015 (also schon in 2010[16]) gestartet haben. Die Abbildung zeigt ein deutliches Nord-Süd-Gefälle in der Bundesrepublik. Die Autoren resümieren: „Die insgesamt breite Verteilung von Integrationsschulen in Deutschland ist ein Indiz für eine zunehmend dezentrale, inklusive sonderpädagogische Förderung, lässt aber offen, ob und wie Kinder mit und ohne Förderbedarf gemeinsam unterrichtet werden“ (a.a.O., S. 106). Die Abbildung zeigt deutlich, dass jene Länder die auf einen Vorrang der inklusiven Bildung setzen, sonderpädagogische Ressourcen in die Regelschulen transferieren und bereits mehr als 10 Jahre eine veränderte Schulgesetzgebung haben, deutlich mehr Allgemeine Schulen in die Reform integrieren.
Diese Entwicklung verwundert kaum, wenn man die geringen Verfügungsrechte die den Regelschulen in Baden-Württemberg im Hinblick auf inklusive Schulentwicklung zur Kenntnis nimmt (vgl. Thesen 1 und 4).

3. Kritisches Resümee zu den dokumentierten Zahlen und der Governance der inklusiven Schulreform in Baden-Württemberg

Den vielen Lehrpersonen (mit oder ohne eine sonderpädagogische Qualifikation) und Akteuren in der Schulverwaltung und –leitung, die sich durch trotz der beschriebenen Rahmenbedingungen oftmals ungebremstes für die Weiterentwicklung eines inklusiven Bildungssystems einsetzen, muss an dieser Stelle Anerkennung ausgesprochen werden. Viele Einzelakteure und Schulstandorte haben trotz der bisher schwierigen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen in einzelnen Klassen, an vielen Schulstandorten und in einigen Schulamtsbezirken einen „Vorwärtsgang“ für inklusive Bildung eingelegt. Aufgrund der zuvor dargelegten Daten muss man resümieren, dass Inklusion zwar in aller Munde ist, jedoch in der schulischen Praxis noch in keiner Weise in einem Maße stattfindet, die der zielgerichteten Entwicklung zu einem inklusiven Bildungssystem entsprechen würde. Vielmehr scheint es so, dass Baden-Württemberg im Vergleich der Bundesländer bei der Transformation zu einem inklusiven Bildungssystem im Sinne der Umsetzung der UNCRPD und der Gewährleistung des uneingeschränkten Rechts eines jeden Kindes auf inklusive Bildung noch nicht konsequent auf reformorientierte Strategien gesetzt hat.
Angesichts der dargelegten Daten und Fakten kann man definitiv von einem bislang unausgeschöpften Potential der inklusiven Bildungsreform in Baden-Württemberg sprechen, die vor allem eine zielorientierte, indikatorengestützte und evidenzbasierte bildungspolitischen Steuerung der inklusionsbezogenen Prozesse (vgl. Powell/ Merz-Atalik 2018) vermissen lässt. So erscheint es ratsam, dass die obere und untere Schulverwaltung eine Begleitforschung installiert, die sich der Aufgabe der Erweiterung der Handlungskompetenzen und –bereitschaft aller Akteure widmet. Dazu sollten Fragen stärker in den Fokus kommen, die die aktive Professionalisierung von Lehrkräften[17] (z.B. wie fühlen sich diese vorbereitet; Erkenntnisse zum inklusionsbezogenen Handeln und Ressourcen; Evaluation von Fortbildungsangeboten) oder den bedeutsamen Fragen der inklusiven Schulentwicklung und Organisationsentwicklung (z.B. Umgang mit Diversität; inklusive Gestaltung von Lernangeboten und Unterricht) widmet. Es geht eben nicht darum, die Inklusion „zum integralen Bestandteil des Bildungssystems“ zu machen (Kultusministerium 2016), also der Integration der Inklusion in die Segregation (vgl. Titel in Anlehnung an Georg Feuser), sondern ein inklusives Bildungssystem zu entwickeln. Es verwundert so kaum, dass viele Akteure aktuell vorrangig negative Erfahrungen machen und die Wahrnehmung von Problemen und negativen Effekten aus der Schulpraxis den öffentlichen und medialen Diskurs in Baden-Württemberg bestimmen (vgl. bspw. zu Lehrermangel; Hirn 2018). Die Ermöglichung von inklusiven Bildungsangeboten ist durch eine große Beliebigkeit in den Regierungspräsidien, Schulämtern und Schulen geprägt. Entscheidungen sind zu stark von persönlichen Haltungen und Einstellungen der Entscheidungsträger abhängig, dies gilt für die Ermöglichung als auch für die Verhinderung von inklusiven Bildungsprozessen. Nicht nur international, sondern auch national gibt es bereits zahlreiche Modelle einer Governance for inclusive Education als auch konkrete konzeptionelle Vorstellungen (vgl. Kyriazopoulou/ Weber 2009) einer stärkeren Einbindung aller Ebenen des Bildungssystems im Rahmen der Reformprozesse, im Sinne von mehr Partizipation, Transparenz und Nachhaltigkeit. National lässt sich unschwer erkennen, in welchen Regionen die inklusive Bildungsreform erfolgreicher verläuft und die gelebte Praxis sich stärker den Fragen der Qualität zuwenden kann. Im Sinne eines Qualitätsentwicklungskreislaufes der Bildungsreform müssten so bspw. der „Input und die Ressourcen“ (z.B. das Schulgesetz, Lehrerdeputatszuweisungen, Regelungen von Verfügungsrechten in der Schuladministration), der „Prozess“ (z.B. Information und Vernetzung der Akteure, Koordination und Kommunikation im Mehrebenensystem, Professionalisierung) als auch das „Ergebnis bzw. der Output“ (was soll sich im Rahmen der Reform verändern) beachtet werden um Erkenntnisse für die Steuerung zu erhalten. Für ein begleitendes Monitoring und eine kritische Implementationsanalyse seitens der Schulaufsicht und für die (prozessbegleitende als auch ergebnisorientierte) Evaluation bedarf es vor allem konkreter Indikatoren (qualitativer als auch quantitativer, wie bspw. einer timeline oder konkrete zu erreichende Zahlen, Kompetenzen oder Haltungen seitens der Akteure). Diese scheinen aktuell für Baden-Württemberg weitgehend zu fehlen. Das Angebot einen Wissenschaftlichen Beirat im Kultusministerium für die schulische Inklusion und die Erhebung der Erfahrungen mit Modellregionen und Schulgesetzänderungen einzurichten, bzw. eine Form von wissenschaftlicher Begleitung zu installieren, dem auch die wichtige Aufgabe des forschungsbasierten Monitorings übertragen werden könnte, wurde leider durch das Ministerium bislang nicht wahr- bzw. angenommen.
Allen Akteuren in der schulischen Praxis und der Schulverwaltung bleibt zu wünschen, so wie auch den vielen Kindern, Jugendlichen und Eltern die für sich einen inklusiven Bildungsweg oder Schulreformen sehen, dass die Bildungspolitik in Baden-Württemberg ihre Verantwortung für die Entwicklung eines inklusiven Bildungssystems aktiv angeht. Die Aufgabe der Entwicklung rein in die Hände der Vertreter*innen der Sonderpädagogik in der Bildungspolitik und -verwaltung zu legen, erscheint angesichts von Selbsterhaltungsmechanismen und der Pfadgebundenheit von institutionellen Entwicklungen (vgl. Merz-Atalik/ Hudelmaier-Mätzke 2016) nicht ausreichend. Die Gefahr von einer rein sonderpädagogischen Rekontextualisierung der Inklusiven Bildung ist vielfach beschrieben (vgl. a.a.O.). Bislang wird nur ungenügend über einen explizit für die inklusive Bildung zur Verfügung stehenden Etat als auch über einen Ressourcentransfer zwischen SBBZ und Regelschulen, den zeitnahen Aufbau von inklusionsbezogenen Kompetenzen (z.B. durch systematisch angelegte Fortbildungs-Initiativen) in der pädagogischen Praxis und staatliche Angebote der Unterstützung für inklusionsbezogene Schulentwicklungsbegleitung[18] nachgedacht. Die Nachfrage nach der Entwicklung von schulbezogenen Inklusionsentwicklungsplänen wurde durch die Landesregierung wie folgt beantwortet: „In allen Schularten werden Schülerinnen und Schüler mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen unterrichtet. Insofern haben sich die Schulen auf die Heterogenität ihrer jeweiligen Schülerschaft eingestellt. [...] Die Erarbeitung von so genannten Inklusionsentwicklungsplänen ist angesichts der Komplexität der damit in Verbindung stehenden Herausforderungen an die jeweils konkreten Kontextfaktoren gebunden, die sich selbst bei Schülerinnen und Schülern eines Förderschwerpunkts und dadurch auch von Schuljahr zu Schuljahr erheblich unterscheiden können“ (Antrag zur Berichterstattung des Landtages Baden-Württemberg, Drucksache 16 / 4776, 13. 09. 2018). Die Auffassung, dass bereits die Anwesenheit einer heterogenen Schülerschaft zu einem qualitativ hochwertigen (wie in Art. 24 der UNCRPD gefordert) pädagogischen Umgang mit derselben führt, ist recht optimistisch und könnte als anerkennende Perspektive auf die Schullandschaft gewertet werden. Andererseits zeigen die Zahlen der zunehmenden Segregationsquoten und Quoten von Schüler*innen mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf keinesfalls, dass die Schule sich durch die zunehmende Heterogenität automatisch auch zu einer inklusiveren entwickelt. Hier wird die Verantwortung für den Erfolg der inklusiven Schulreform zu stark auf die einzelnen Schulen und Lehrkräfte delegiert. Vielmehr scheint es so, dass zu viele Ressourcen – die für inklusive Bildung bereitgestellt wurden - nicht dem Unterricht der Schüler*innen in den inklusiven Settings zugutekommen (vgl. Hirn 2018). Allgemeine Schulen und Sonderschulen, die sich zu inklusiven Schulstandorten weiterentwickeln möchten, brauchen dringend verlässliche Ressourcen und Rahmenbedingungen, um sich nachhaltig der Schulreform zu stellen. Und zwar nicht erst dann, wenn ein zieldifferent zu beschulendes Kind eingeschult wird.
Die dargestellten Daten und Fakten sollten Anlass dazu geben, den eingeschlagenen Weg auf der bildungspolitischen Ebene sowie in der Steuerung der inklusiven Bildungsreform zu überdenken, damit die Schulpraxis in Baden-Württemberg sich der Herausforderung der Umsetzung des Menschenrechts auf inklusive Bildung in Zukunft mit mehr abbildbarem Erfolg und weniger Frustrationserfahrung stellen kann, die öffentliche Meinung sich nachhaltig von der problemorientierten zur entwicklungsorientierten Perspektive wandelt und das persönliche und professionelle Engagement von vielen Akteuren angesichts der unzureichenden Rahmenbedingungen nicht im Sande verläuft. Dazu wäre es auch dringend erforderlich, dass die Öffentlichkeitsarbeit für die Vorteile inklusiver Bildung (die durch vielfältige Wissenschaftliche Studien und Forschungsprojekte in den letzten Jahrzehnten auch für und in Baden-Württemberg nachgewiesen worden sind; vgl. u.a. Aufstellung der Forschungsprojekte in Baden-Württemberg; In: Merz-Atalik 2013 a+b) sensibilisiert und daraus eine gemeinsam getragene Aufgabe gemacht wird für ein Bildungssystem, dass sich noch aktiver und mit der entsprechenden öffentlichen Anerkennung und Unterstützung mit der zunehmenden Vielfalt in unserer Gesellschaft auseinandersetzt.

4. Literatur

Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2018). Bildung in Deutschland 2018- Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Wirkungen und Erträgen von Bildung. Unter Federführung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF).
Erhardt, K. (2015). Henri: Ein kleiner Junge verändert die Welt. Heyne: München.
Feuser, Georg (2017). Wider die Integration der Inklusion in die Segregation. Zur Grundlegung einer Allgemeinen Pädagogik und entwicklungslogischen Didaktik. Behindertenpädagogik und Integration, Band: 12. Peter Lang Verlag: Frankfurt a.M.
Hinz, A. (2016): Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Schulsystem - Segregation und "Integration plus" statt "Inklusion"? In: Böing, U. & Köpfer, A. (Hrsg.): Be-Hinderung der Teilhabe. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 60-81.
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Klemm, K. (2013). Inklusion in Deutschland – eine bildungsstatische Analyse. Bertelsmann Stiftung: Gütersloh.
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Kyriazopoulou, M.  & Weber, H. (Hrsg.) (2009). Entwicklung eines Satzes von Indikatoren – für die inklusive Bildung in Europa, Odense, Dänemark: European Agency for Development in Special Needs Education.
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[1] Nach: Georg Feuser.

[2] Exklusionsquote: der prozentuale Anteil der im segregierten Bildungssystem, den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ), beschulten Schüler*innen an der Gesamtschülerschaft (Klasse 1-10).

[3] Das sogenannte „UN Commitee on the Rights of Persons with Disabilities“.

[4] Bis 2015 wurden diese in Baden-Württemberg - entgegen dem generellen Bundestrend der Ablösung durch die neue Bezeichnung Förderschulen oder -zentren – weiterhin als Sonderschulen bezeichnet. Mit Ausnahme der Sonderschulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen, diese firmierten unter Förderschule.

[5] Es wurden sogenannte „gruppenbezogene Lösungen“ favorisiert.

[6] Schulversuch „Schulische Bildung von jungen Menschen mit Behinderung“ in den Jahren 2010 – 2015.

[7] Inklusionsquote: Prozentualer Anteil der Schüler*innen mit einem festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf die in allgemeinbildenden Schulen unterrichtet werden, an der Gesamtschülerschaft (Klasse 1-10).

[8] Ob die Schüler*innen in Aussenklassen in der abgebildeten Tabelle in die Exklusionsquote (eigentlich eher Segregationsquote) oder Inklusionsquote einberechnet sind, kann man dem Dokument nicht entnehmen. Inklusionsquote: Schüler*innen mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf die an allgemeinen Schulen unterrichtet werden, anteilig an der Gesamtschülerschaft (Klasse 1-10).

[9] Vgl. jeweils die Daten zu Allgemeinbildenden Schulen in Baden-Württemberg des Statistischen Landesamtes BW.

[10] Kategorisierungen in Baden-Württemberg nach dem Schulgesetz von 2015.

[11] Der Anteil der Schüler*innen unter jenen mit der Diagnose sonderpädagogischer Förderbedarf, welche ein inklusives Bildungsangebot wahrnehmen.

[12] In Berlin, Bremen, Hamburg sowie Schleswig-Holstein.

[13] Inklusionsanteil: der Anteil der Schüler*innen unter jenen mit einem festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf (in BW: sonderpädagogischen Bildungsbedarf und sonderpädagogischen Beratungsbedarf), welche in allgemeinen Schulen unterrichtet werden.

[14] So z.B. im Enzkreis (von 4 auf 7 Standorte), in Baden-Baden (von 2 auf 3 Standorte), in Heidenheim (von 7 auf 9 Standorte) oder in Stuttgart (von 26 auf 29 Standorte). Angaben in welchen Jahren dieser Aufbau stattfand, lassen sich dem Datenmaterial im Bildungsbericht nicht entnehmen.

[15] Für Bayern wird eine Quote von 54,1% angegeben in vorschulischen Einrichtungen, jedoch vermutlich nicht nach Standort des Schulkindergartens unterschieden.

[16] Schulversuch in fünf Modellregionen: Staatliche Schulämter in Biberach, Freiburg, Konstanz, Mannheim und Stuttgart (Start 2010/11).

[17] Nicht nur im Rahmen der grundständigen Lehrerausbildung, sondern auch im Sinne von schulinternen Lehrerfortbildungen und Weiterbildungen.

[18] Die evangelische als auch die katholische Kirche haben im Rahmen ihrer privaten Schulen inklusive Schulentwicklungsprojekte in Baden-Württemberg durchgeführt und diese wissenschaftlich begleiten lassen.