Timm Albers: Inklusion in den frühpädagogischen Studiengängen

Abstract: Mit der steigenden gesellschaftlichen und bildungspolitischen Bedeutung der frühkindlichen Bildung gehen Veränderungsprozesse in der Ausbildung frühpädagogischer Fachkräfte einher. Neben der Ausbildung an Berufsakademien und Fachschulen existieren bundesweit inzwischen mehr als 70 Bachelor- und Masterstudiengänge, die sich im Bereich Frühpädagogik und Frühförderung ansiedeln. Nach dem Inkrafttreten der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung (vgl. UN 2006) werden die Konsequenzen für die frühpädagogische Ausbildung derzeit intensiv diskutiert. Im vorliegenden Beitrag soll anhand einer Analyse der Curricula frühpädagogischer Studiengänge überprüft werden, inwiefern Inklusion bereits als Bestandteil der Ausbildung an den verschiedenen Studienstandorten verankert ist und in welche Kompetenzen die Absolventinnen und Absolventen frühpädagogischer Studiengänge im Zusammenhang mit Inklusion erwerben.

Stichworte: Curricula, inklusive Frühpädagogik, Frühpädagogische Studiengänge

Ausgabe: 3/2011

Inhaltsverzeichnis
  1. Inklusion in der frühpädagogischen Diskussion
  2. Qualifikationsrahmen für Hochschulstandorte
  3. Inklusion in der Ausbildung frühpädagogischer Fachkräfte an Hochschulen
  4. Fazit
  5. Literatur

1. Inklusion in der frühpädagogischen Diskussion

Mit dem Inkrafttreten der UN-Konvention zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderung in der Bundesrepublik Deutschland steht auch die Aus-, Fort- und Weiterbildung frühpädagogischer Fachkräfte vor der Aufgabe, die Forderung nach einem inklusiven Bildungssystem aufzugreifen und curriculare Entsprechungen zu entwickeln. Der Nationale Aktionsplan zur Umsetzung der Konvention stellt in diesem Zusammenhang das inklusive Lernen von Anfang an als eine selbstverständliche Aufgabe aller Bildungsinstitutionen heraus (vgl. BMAS 2011). Von keinem anderen Begriff geht innerhalb der frühpädagogischen Praxis derzeit so viel Dynamik aus, wie vom Begriff der Inklusion. Die Ursprünge der aktuellen Diskussion lassen sich jedoch zu den Integrationsbestrebungen der 1970er Jahre zurückverfolgen, die sich zum Ziel gesetzt hatten, die gemeinsame Bildung von Kindern mit und ohne Behinderung in Kindergarten und Schule voranzutreiben.
Als Meilenstein der theoretischen Auseinandersetzung mit der Integration von Kindern mit Behinderung können in diesem Zusammenhang die Ergebnisse der Forschergruppe um Helmut Reiser gesehen werden, die in der Begleitung des Frankfurter Modellversuchs zur Integration von Kindern mit Behinderung Voraussetzungen für das Gelingen des gemeinsamen Aufwachsens im Rahmen eines Mehrebenenmodells von Integration formuliert haben (vgl. Klein, Kreie, Kron & Reiser 1987). Die soziale Integration eines Kindes wird in diesem Verständnis nicht allein dadurch gewährleistet, dass dem Kind ein Integrationsplatz in einer Regeleinrichtung bereitgestellt wird, wie dies zum Beispiel aufgrund des bei Klemm (2010) gewählten Begriffs der Inklusionsquote missverstanden werden könnte: In seiner Studie bezeichnet er alle Organisationsformen als inklusiv, in denen Kinder mit Behinderung in Kontakt zu Kindern ohne Behinderung treten, also auch, wenn wie im Rahmen des Kooperationsmodells eine institutionelle bzw. organisatorische Trennung von Kindern mit und ohne Förderbedarf unternommen wird. Integration verweist jedoch auf einen Prozess, der sich auf mehreren Ebenen vollzieht: „Als integrativ im allgemeinsten Sinn bezeichnen wir diejenigen Prozesse, bei denen ‚Einigungen’ zwischen widersprüchlichen innerpsychischen Anteilen, gegensätzlichen Sichtweisen, interagierenden Personen und Personengruppen zustande kommen. Einigungen erfordern nicht einheitliche Interpretationen, Ziele und Vorgehensweisen, sondern vielmehr die Bereitschaft, die Positionen der jeweils anderen gelten zu lassen, ohne diese oder die eigene Person als Abweichung zu verstehen“ (Klein et al. 1987, S.38).
Während die Frühpädagogik stets bestrebt war „Passungen zwischen den heterogenen Lebenslagen von jungen Kindern und deren Familien sowie den Angeboten für Bildung, Betreuung und Erziehung der Kinder herzustellen“ (Sulzer & Wagner 2011, S.8), wurde die in der Sonder- und Integrationspädagogik bekannte Diskussion um Integration und Inklusion in der frühpädagogischen Fachöffentlichkeit lange Zeit nur marginal wahrgenommen. So existiert an der Fachhochschule Emden/Leer zwar bereits seit 2004 ein Studiengang mit dem Profil inklusive Frühpädagogik, die Anforderungen an frühpädagogische Fachkräfte werden bundesweit jedoch erst im Anschluss an die Behindertenrechtskonvention in aktuellen Expertisen (Prengel 2010; Sulzer & Wagner 2011) der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte des Deutschen Jugendinstituts expliziert. Prengel (2010) arbeitet bildungstheoretische, empirische und pädagogische Grundlagen für die Theoreme Heterogenität und Inklusion in der Frühpädagogik heraus und liefert damit eine bedeutende Grundlage für die Diskussion um Anforderungen an eine inklusive Frühpädagogik. Es wird dabei deutlich, dass der Begriff der Inklusion die komplexen Ausgangslagen von Kindern in den Blick nimmt. Prengel (2010, S. 23) benennt in diesem Zusammenhang „soziokulturelle Lebenslagen einschließlich soziokultureller Milieus sowie (noch stärker) die Akteursperspektive sowie die informelle Ebene akzentuierender Lebensstile und Biografien. Dazu kommen die auf Bildungsprozesse im engeren Sinne bezogenen leiblichen, emotional sozialen und kognitiven Lernausgangslagen, die u. a. Lernprofile, Lernniveaus, Lernstile und ökosystemische Lernkontexte umfassen. Lebenslagen, Lebensstile und Lernausgangslagen der Kinder können daraufhin analysiert werden, wie sie mit vertikalen Hierarchien verwoben sind und was Inklusive Pädagogik zu ihrer Enthierarchisierung beitragen kann.“ Die Autorin entwickelt eine Definition von Heterogenität, welche sie mit dem Begriff der „egalitären Differenz“ (2010, S.2) konkretisiert: Grundlage des Zusammenlebens ist demnach Gleichheit aller Menschen im Sinne der gleichen Ausgangsvoraussetzungen auf der Grundlage der Menschenrechte (Egalität). Differenz wird in diesem Verständnis als freiheitliches und gleichberechtigtes, nicht hierarchisches Zusammenleben von Individuen verstanden. Diese Wertschätzung von Heterogenität wird im Deutschen insbesondere im Wort Vielfalt deutlich und prägt in diesem Verständnis auch das Konzept der Pädagogik der Vielfalt (vgl. Prengel 2006).
In Kindertageseinrichtungen stellt dieser Umgang mit Heterogenität einen festen Bestandteil der pädagogischen Arbeit dar. Kindergärten und Krippen ermöglichen ein Zusammenleben von Kindern, die sich aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, ihrer körperlichen, kognitiven, sprachlichen, kulturellen und sozial-emotionalen Voraussetzungen voneinander unterscheiden. Die Herausforderung für frühpädagogische Fachkräfte besteht darin, dass neben der individualisierenden Perspektive auf das Kind und universellen Fragestellungen gegenüber allen Menschen auch Sensibilität gegenüber kollektiven Erkenntnissen zu Gruppen (Kinder mit Migrationshintergrund, Kinder mit Behinderung) gezeigt werden muss: „Für professionelles pädagogisches Handeln kommt es darauf an, verallgemeinertes Regelwissen zu typischen kindlichen Lebenslagen mit auf Einzelfall bezogenem Fallverstehen zu kombinieren“ (Prengel 2010, 3).
Für den Bereich der Ausbildung an Fachschulen und Berufsakademien stellt Breitbart (2011) eine Übersicht dar, in der die Rahmenpläne der Länder im Hinblick auf die Bedeutung des Themas Inklusion für die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern analysiert werden. Der Autor kommt dabei zu folgenden Kategorisierungen und Zuordnungen: Acht Bundesländer widmen Integration/Inklusion ein eigenständiges Lernfeld, acht Länder sehen den Umgang mit Heterogenität als übergreifende Aufgabe an. In Hessen wird dies aber gleichzeitig dem nicht verbindlichen Wahlpflichtbereich zugeordnet. Hamburg bezeichnet Inklusion als Querschnittsthema, das sich durch alle Bereiche der Curricula zieht, zusätzlich bietet sich hier die Möglichkeit der Schwerpunktsetzung innerhalb der Ausbildung.
Für den Bereich der Qualifizierung frühpädagogischer Fachkräfte an Hochschulen werden nachfolgend aktuelle übergreifende Qualifizierungsrahmen für frühpädagogische Studiengänge im Hinblick auf die Implementierung von Inklusion untersucht. Anschließend wird anhand der Analyse von Modulhandbüchern überprüft, welchen Stellenwert diese Empfehlungen für die Inhalte der frühpädagogischen Studiengänge in Deutschland einnehmen.

2. Qualifikationsrahmen für Hochschulstandorte

2.1 Orientierungsrahmen Frühpädagogik Studieren

Während die Vorarbeiten von Prengel (2010) den theoretischen Rahmen einer inklusiven Bildung bereit stellen, ist zu überprüfen, inwiefern der theoretische Anspruch an eine inklusive Frühpädagogik sich in der Ausbildung frühpädagogischer Fachkräfte an den Hochschulen in Deutschland niederschlägt. Die Robert Bosch Stiftung (2008) legt in diesem Zusammenhang einen Orientierungsrahmen vor, der eine Arbeitshilfe für die sich formierende frühpädagogische Hochschullandschaft darstellt. Der Orientierungsrahmen ‚Frühpädagogik studieren‘ geht dabei auf das  Programm ‚PIK‘ – Profis in Kitas, Professionalisierung von Frühpädagogen in Deutschland, zurück.
Zusammen mit fünf federführenden Partnerhochschulen (Alice Salomon Hochschule Berlin, Universität Bremen, Technische Universität Dresden, Evangelische Fachhochschule Freiburg, Fachhochschule Koblenz) wurden Bildungsinhalte und Lehr- und Lernmethoden für frühpädagogische Studiengänge erarbeitet. Unter anderem münden die Überlegungen in  Bausteinen, die das „Spektrum relevanter Bildungsinhalte für frühpädagogische Studiengänge
in den Bereichen Grundlagen der Frühpädagogik, Bildungsbereiche, Arbeitsfeld und Institution und Praktische Studien“ (Robert Bosch Stiftung 2008, S.12) abbilden.
Die kompetenzorientierten Bausteine verstehen sich dabei nicht als verpflichtendes Kerncurriculum, sondern bilden Qualifizierungsbereiche und deren Zielsetzungen, sowie mögliche Lehr- und Lernsettings für frühpädagogische Studiengänge exemplarisch ab. Der Qualifikationsrahmen Frühpädagogik skizziert ein Anforderungsprofil für frühpädagogische Fachkräfte, welches Qualifikationen umfasst, die nach einem erfolgreich abgeschlossenen Studium der Frühpädagogik erworben sein sollen.
Die 28 Bausteine des Orientierungsrahmens werden in vier Bereiche aufgeteilt (vgl. Robert Bosch Stiftung 2008): Der Bereich Grundlagen umfasst wissenschaftliche und fachpraktische Basiskompetenzen für die akademische Ausbildung von frühpädagogischen Fachkräften. In den Bildungsbereichen werden Elemente für die professionelle Begleitung der frühkindlichen Bildungs- und Lernprozesse dargestellt. Im Bereich Arbeitsfeld und Institution werden Bildungsinhalte vorgeschlagen, die sich auf die institutionellen und organisatorischen Anforderungen der Arbeit in Kindertageseinrichtungen beziehen. Die praktischen Studien behandeln Anforderungen an den Lernort Praxis und dessen Gestaltungsmöglichkeiten.
Im Grundlagenbereich findet sich unter anderem der Baustein 8, Diversität, der auf die theoretischen Grundlagen der Pädagogik der Vielfalt referiert (vgl. Prengel 2006). Der Baustein wird entsprechend eingeleitet mit der Bedeutung von Gleichheit und Differenz: „Kinder sind gleich und sie unterscheiden sich. Wo es um elementare Bedürfnisse geht – wie Bindung, Nahrung, Kleidung, Wohnung, Kontakt zu Gleichaltrigen, Anregungen und elementare Rechte wie das Recht auf Bildung – sind sie gleich. In der Einzigartigkeit ihrer Biografien und Lebenswelten sowie ihrer vielfältigen Gruppenzugehörigkeiten unterscheiden sie sich“ (Robert Bosch Stiftung 2008, S.85). Ebenso wie die Expertise von Sulzer & Wagner (2011) innerhalb der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte des deutschen Jungendinstituts werden im Qualifikationsrahmen die unterschiedlichen Bezüge zu Diversitäts-Theorien thematisiert, mit denen unter anderem Ability, Gender, Kultur/Ethnizität und sozioökonomischer Status unterschieden werden. Dabei rücken „Flexibilisierungen und Überschneidungen der Heterogenitätsdimensionen ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Eine Pädagogik der Vielfalt nimmt hier ihren Ausgangspunkt und hat das Ziel, Frühpädagoginnen in ihrer alltäglichen Praxis für Aspekte von Diversität zu sensibilisieren“ (Robert Bosch Stiftung 2008, S.87).
Die Studierenden sollen anhand des Bausteins Diversität folgende grundlegende Kompetenzen erwerben, die an dieser Stelle exemplarisch dargestellt werden (ebd., S. 88):

Neben diesen grundlegenden Kompetenzen wird die Arbeit mit Kindern mit einer Behinderung, sowie mit den Eltern und Bezugspersonen konkretisiert. Daneben werden Kompetenzen für Selbstreflexion, Teamarbeit und Institutionsentwicklung, sowie Kompetenzen für die Vernetzung mit dem Umfeld formuliert, die sich auf die Bedeutung der institutionellen Heterogenität und der Kooperation mit Jugendhilfe, Frühförderinstitutionen, Kinderschutzorganisationen, Schulen und Freizeiteinrichtungen beziehen.
Der hohe Stellenwert, der den Themen Heterogenität und Inklusion innerhalb des Orientierungsrahmens beigemessen wird, spiegelt sich zudem in Baustein 10 (Integration/Inklusion/Behinderung) wider, der ebenfalls den Grundlagen frühpädagogischen Handelns zugeordnet wird und eine Heterogenitätsdimension (Ability/Disability) besonders vertieft (vgl. Robert Bosch Stiftung 2008, S.95f.). Die Studierenden sollen Grundkenntnisse zu Theorien, Modellen und Konzeptionen inklusiver Pädagogik erwerben und kritisch reflektieren können. Sie kennen darüber hinaus Konzeptionen inklusiver Pädagogik und können sie in ihrer pädagogischen Arbeit reflektiert umsetzen. Studierende entwickeln in Kenntnis der empirischen Studien zum Thema auch eigene Fragestellungen im Kontext inklusiver Frühpädagogik.
Obwohl der Anteil inklusiver Themen innerhalb des Orientierungsrahmens Frühpädagogik Studieren als umfassend und theoretisch fundiert beschrieben werden kann,  muss die modularisierte Form des Kompetenzerwerbs im Zusammenhang mit Inklusion kritisch hinterfragt werden. So gewährleistet die Tatsache, dass ein frühpädagogischer Studiengang ein Modul „Inklusion“ beinhaltet, nicht zwangsläufig auch eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema geschweige denn eine grundlegende Ausrichtung an einer inklusiven Pädagogik. Insofern besteht in der Modularisierung immer auch die Gefahr, dass die Absolventinnen und Absolventen ein fragmentiertes Wissen über Inklusion erwerben.

 

2.2 Profis für Krippen

Viernickel, Nentwig-Gesemann, Harms, Richter und Schwarz (2011) legen im Rahmen der Fortsetzung des Projekts „Profis in Kitas II der Robert Bosch Stiftung“ unter der Bezeichnung „Profis für Krippen“ einen Orientierungsrahmen für die Ausbildung von frühpädagogischen Fachkräften vor, der genau diesen Gedanken aufgreift und insbesondere für den Bereich der Arbeit mit Kindern bis Drei konkretisiert. Die Autorinnen stellen heraus, „dass bereits ab dem ersten Lebensjahr Kinder mit Behinderungen barrierefreie Zugänge zu frühpädagogischen Institutionen  erhalten müssen“ (Viernickel et al. 2011, S.23). Inklusion solle daher „selbstverständlicher Bestandteil aller sozialwissenschaftlichen Ausbildungs- und Studiengänge sein“ (ebd.).
Der Orientierungsrahmen formuliert in seinem ersten von zehn Bausteinen  mit dem Titel ‚Professionelle Haltung: selbstreflexive und forschende Haltung’ daher Kernkompetenzen, die sich als Querschnittsaufgabe durch alle weiteren Bausteine ziehen. Unter diese grundlegenden Kompetenzen fällt neben der Ausbildung von Empathie und Feinfühligkeit, sowie einer ressourcenorientierten Haltung der frühpädagogischen Fachkräfte auch die Wertschätzung von Diversität. Im Vergleich zum Orientierungsrahmen ‚Frühpädagogik Studieren’ (Robert Bosch Stiftung 2008) wird in der Konsequenz dieser Ausrichtung der Baustein ‚Pädagogische Begleitung und Unterstützung frühkindlicher Entwicklungsthemen für Kinder mit besonderen Entwicklungsverläufen’ einerseits als fester Bestandteil des Curriculums positioniert, andererseits findet sich die übergreifende Kernkompetenz ‚Wertschätzender Umgang mit Diversität’ in allen anderen Bausteinen wieder (vgl. Viernickel et al. 2011). Innerhalb des Bausteins sollen die Studierenden einen fachlichen Überblick über die unterschiedlichen Behinderungsformen und Entwicklungsgefährdungen erhalten, sowie für Barrieren, Vorurteile und Berührungsängste sensibilisiert werden.
Durch die konsequente Betonung von inklusiver Pädagogik stellt das hier angedeutete Gesamtkonzept der curricularen Bausteine insofern einen Paradigmenwechsel für die curriculare Strukturierung von Aus-, Fort- und Weiterbildung dar. Dabei überzeugt der Ansatz einer inklusiven Grundausrichtung, ohne dabei jedoch die Sensibilität gegenüber Vorurteilen oder den besonderen Anforderungen, die mit Entwicklungsgefährdungen und Behinderungen einhergehen aus dem Auge zu verlieren, Damit liegt zum aktuellen Stand eine fachliche Fundierung von Inklusion in der Frühpädagogik vor, die ihren Niederschlag in Rahmenempfehlungen für frühpädagogische Studiengänge findet (vgl. Robert Bosch Stiftung 2008; Viernickel et al. 2011).

 

3. Inklusion in der Ausbildung frühpädagogischer Fachkräfte an Hochschulen

Im Folgenden soll anhand einer Analyse der Modulkataloge und Prüfungsordnungen aller 79 Studiengänge, die zum Zeitpunkt der Erhebung (Juni 2011) auf dem Portal ‚fruehpaedagogik-studieren.de’ verfügbar waren, dargestellt werden, inwiefern der in der theoretischen Herleitung und curricularen Rahmenplanung formulierte Anspruch an eine inklusive Frühpädagogik erfüllt wird und wie die Umsetzung in der Modulstruktur erfolgt. In die Analyse einbezogen wurden grundständige Bachelor- und Masterstudiengänge, sowie berufsbegleitende Angebote mit frühpädagogischer Schwerpunktbildung. Da die Akademisierung der frühpädagogischen Fachkräfte in der Bundesrepublik erst seit den letzten Jahren durch die Gründung neuer Studiengänge forciert wird, ist zu erwarten, dass aufgrund der Aktualität der Modulkataloge und Prüfungsordnungen die meisten Studiengänge die Bedeutung von Inklusion mit der Implementierung in der Modulstruktur abbilden.

Ergebnisse
Von den 79 Studiengängen benennen 42 den Begriff Inklusion innerhalb ihrer Modulstruktur. Die übrigen Studiengänge beziehen immer auch Dimensionen von Heterogenität in ihre curricularen Standards ein, ohne dabei jedoch explizit auf inklusive Bildung zu referieren. Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt daher anhand der Nennung derjenigen Studiengänge (in alphabetischer Reihenfolge des Bundeslandes und des Standortes), die einerseits Inklusion in der curricularen Struktur verankert haben und aus deren Modulkatalog andererseits hervorgeht, dass eine Querschnittlage bzw. vertiefte Auseinandersetzung mit Inklusion im Studium erkennbar wird.

Baden Württemberg

Berlin

 

Hessen

Niedersachsen

Nordrhein-Westfalen

 

4. Fazit

Insgesamt kann herausgestellt werden, dass die meisten frühpädagogischen Studiengänge innerhalb ihrer Modulstruktur Bezug zu aktuellen Fragestellungen von Inklusion und Diversität nehmen. Exemplarisch für diese Entwicklung wurden die Modulkataloge von zehn Studiengängen einer Feinanalyse unterzogen. Einige dieser Studiengänge können als modellhaft in ihrer Umsetzung der in der theoretischen Fundierung und curricularen Implementierung von inklusiver Bildung bezeichnet werden, da sowohl der von Prengel (2010) formulierte Anspruch an eine inklusive Frühpädagogik erfüllt als auch die Einbettung aktueller Rahmenempfehlungen unter Berücksichtigung von Inklusion und Vielfalt als übergreifende Aufgabe der Ausbildung (vgl. Viernickel et al. 2011) umgesetzt wird. Inklusion wird hier nicht nur als ein Modul verstanden, das während der Ausbildung belegt werden muss, sondern bestimmt die inhaltliche Ausrichtung des gesamten Studiengangs. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang natürlich, dass zwei der in den Ergebnissen hervorgehobenen Hochschulen als Partnerhochschulen an der von der Robert Bosch Stiftung (2008) initiierten Rahmenempfehlung „Frühpädagogik Studieren‘ beteiligt waren. Darüber hinaus ist es der Alice Salomon Hochschule gelungen, Annedore Prengel für das Modul ‚Diversity‘ zu gewinnen, so dass die theoretischen Vorarbeiten der Autorin kontingent in das Curriculum einfließen konnten. Die aus den Modulhandbüchern übernommenen Kompetenzprofile der dargestellten Studiengänge können somit als Ausgangspunkt und Orientierung für die Entwicklung oder Überarbeitung frühpädagogischer Studiengänge genutzt werden.
Die vorliegende Analyse spiegelt aufgrund der Aktualität der Modulstrukturen nur den Planungsstand der Hochschulen wider, in keiner Weise belegt sie jedoch, ob die Absolventinnen und Absolventen sich auch in der Realität des Studiums vertieft mit den Inhalten inklusiver Pädagogik auseinander setzen. Hier ist eine Befragung anzuschließen, die einerseits nach studentischen Haltungen gegenüber Vielfalt und deren Veränderungen im Verlauf des Studiums fragt und andererseits überprüft, inwiefern die im Studium erworbenen Kompetenzen Einfluss auf die frühpädagogische Praxis nehmen.
Die curriculare Ausrichtung vieler frühpädagogischer Studiengänge kann auf der Ebene der Hochschulen als ein Schritt auf dem Weg zu dem in der Behindertenrechtskonvention geforderten inklusiven Bildungssystem verstanden werden. Platte & Schultz (2011, o.S.) stellen in diesem Zusammenhang Inklusion als Teil von Hochschulentwicklung heraus: „Hochschulen als Institutionen der akademischen Aus- und Weiterbildung sind vor diesem Hintergrund mehrfach gefordert, denn Inklusion kann als Konzept nicht nur theoretisch vermittelt, sondern muss als Bewusstseinshaltung erlebt werden.“ Nicht nur die Curricula sollten sich entsprechend an der Leitidee der Inklusion orientieren, die Hochschule sollte sich als Ort der Gestaltung inklusiver Kulturen und Strukturen verstehen. Eine Hochschule sollte sich nach Platte und Schultz (2011) nicht nur als Ort der Vermittlung inhaltlicher und methodischer Kompetenzen für die Gestaltung inklusiver Bildungsprozesse sehen, sondern auch eine hochschuldidaktische Umsetzung inklusiver Lern- und Bildungsprozesse anstreben. Eine inklusive frühpädagogische Ausbildung an Hochschulen setzt in der Konsequenz Veränderungen in der Gestaltung der Lehre voraus, gleichzeitig müssen die Studierenden an der Planung von Lehrinhalten beteiligt werden.

 

5. Literatur

Albers, T. (2011). Mittendrin statt nur dabei. Inklusion in Krippe und Kindergarten. Ernst Reinhardt: München/Basel

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