Bettina Amrhein: Inklusive LehrerInnenbildung – Chancen universitärer Praxisphasen nutzen

Abstract: In den letzten beiden Jahren hat sich seit Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen die Inklusionsdebatte in unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontexten etabliert, die vornehmliche Diskussion im Bereich der Sonder- und Heilpädagogik hat sich längst auf Disziplinen in anderen Wissenschaften ausgeweitet.
Nur wenige Ergebnisse liegen für den Aufbau einer inklusiven LehrerInnenausbildung vor. Daher werden am Beispiel Nordrhein-Westfalen hier Vorschläge erarbeitet, wie im Rahmen des neuen Lehrerausbildungsgesetzes trotz Fortbestehen der lehramtsgetrennten Studiengänge inklusive Lerngelegenheiten für Studierende aller Lehrämter geschaffen werden können. Die Ausgestaltung der universitären Praxisphasen bildet hierfür einen ersten Ansatz.

Stichworte: Inklusion, LehrerInnenbildung, Integration, schulpraktische Studien, UN-Konvention, Nordrhein-Westfalen, Hochschule

Ausgabe: 3/2011

Inhaltsverzeichnis
  1. Die „Dekade der Inklusion“
  2. Inklusive LehrerInnenbildung gestalten
  3. Chancen universitärer Praxisphasen nutzen – ein Standortbeispiel
  4. Die Hochschule als Ort der Zukunftsgestaltung
  5. Literatur

1. Die „Dekade der Inklusion“

Der neue Dekadenbegriff heißt Inklusion“, so Dr. Karl-Heinz Imhäuser (2011), Vorstand der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft. Für ihn ist die Inklusionsbewegung der letzten Jahre kein Zufall. Er ist der Ansicht, dass sich vergleichbar mit den Entwicklungen rund um das Thema Nachhaltigkeit der Diskurs zum Thema Inklusion in den kommenden Jahren gesellschaftlich verankern und damit mittel- und langfristig tiefgreifende Veränderungen zur Folge haben wird.
Wenn Karl-Heinz Imhäuser von der „Dekade der Inklusion“ spricht, nimmt er damit zunächst Bezug auf den kaum mehr zu überblickenden wissenschaftlichen Diskurs um die Begrifflichkeiten. Gleichfalls geht er aber auch auf die unzähligen Bemühungen ein, welche seit Inkrafttreten der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderung um die faktische Ausgestaltung integrativer und inklusiver Konzepte in der Schule unternommen werden.

 

Die Inklusionsdebatte im Spiegel der UN-Konvention
In der im Dezember 2006 verabschiedeten und im Mai 2008 in Kraft getretenen UN- Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen wird erstmalig in einem Menschenrechtsabkommen     der            Vereinten       Nationen        (UN)    dem    Prinzip der Inklusion Rechtsqualität zugebilligt. Mit der Ratifizierung der Konvention hat sich Deutschland dazu verpflichtet, die Gesetzgebung gemäß der rechtsverbindlichen Vorgaben so zu verändern, dass sie dem Anspruch auf Gleichberechtigung, Gleichbehandlung und das selbstbestimmte Leben von Menschen mit Behinderung in allen von der UN-Konvention angesprochenen Lebensbereichen gerecht wird (vgl. inkoe.de). 

„Zentrale Leitziele sind das bedingungslose Verbot jeglicher Form von Diskriminierung, das unbedingte Recht auf Selbstbestimmung und das uneingeschränkte Recht auf Teilhabe“ (Wocken 2011, 91). Die Vereinten Nationen haben zur Überprüfung der Einhaltung dieser menschenrechtlichen Vorgaben ein internationales ExpertInnen-Gremium eingerichtet, das regelmäßige Stellungnahmen der Vertragsstaaten kritisch evaluieren soll (vgl. Schulze 2011). 

Der Bundesrat stimmte am 19. Dezember 2008 zu mitternächtlicher Stunde und von der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt der Ratifizierung der UN-Convention on the Rights of Persons with Disabilities – CRPD (UN-Convention 2006) ohne Aussprache zu, obwohl mit ihrer Ratifizierung ein erheblicher rechtlicher sowie politischer Veränderungsbedarf einhergeht (vgl. Münch 2011).

Grundlage für die Bildung und den Bereich Schule ist der Artikel 24. Er beinhaltet die rechtsverbindliche Verpflichtung der ratifizierenden Staaten zur Gewährleistung eines chancengleichen, inklusiven Bildungssystems (“on the basis of equal opportunity, States Parties shall ensure an inclusive education system at all levels“) mit Neuausrichtung von Schulen und LehrerInnenbildung an dieser Vorgabe. Damit wird im Bereich Schule und Bildung der Schritt von der solidarischen Zustimmung hin zur rechtlichen Anerkennung gegangen.
Wichtig hierbei ist, dass die Argumentation der UN-Konvention nicht schulorganisatorischer oder bildungspolitischer Art ist, sondern sich normativ an Art. 26 (Recht auf Bildung) der Allgemeinen Menschenrechte von 1948 orientiert. „Im Sinne einer zur Realisierung der Rechte notwendigen und konkretisierenden Differenzierung für Personen mit Behinderungen – ähnlich wie für Kinder und Frauen in vorangehenden Dokumenten – ist die Argumentationsperspektive die der Gleichberechtigung“ (Münch 2011).

Somit sind die Bundesländer nun in der Pflicht, die Schul- und Ausbildungsgesetze dementsprechend umzugestalten, um diesem Recht nachzukommen. Gleichwohl der rechtliche Anspruch hinlänglich ausgeführt ist, besteht bis heute dennoch keine Einigkeit, wie dieses Recht zu verwirklich ist und was unter einem inklusiven Bildungssystem eigentlich zu verstehen ist.
 Zurzeit sind die einzelnen Bundesländer mit der Anpassung der Schulgesetze beschäftigt, hierbei lassen sich sehr unterschiedliche Entwicklungsstände konstatieren (vgl. SovD 2009; Klemm 2010).

NRW auf dem Weg zur Inklusion?

Auch in Nordrhein-Westfalen – dem hier gewählten Beispiel – werden zurzeit politische Anstrengungen unternommen, ein inklusives Schulsystem zu implementieren. Erst kürzlich verurteilte jedoch die Aktion Mensch das Land zum „Nachsitzen“, liegt es doch beim „Gemeinsamen Lernen“ von Kindern mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf mit 16,7 % unter dem Bundesdurchschnitt. Bundesweit betrug der Anteil zuletzt 20,1 %. NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Die Grünen) sieht Nordrhein-Westfalen dennoch auf einem guten Weg, bezeichnet den sich aus der UN-Behindertenrechtskonvention ergebenden Auftrag, ein inklusives Bildungssystem zu gewährleisten, allerdings als eine „Mammut-Aufgabe“, die nur über mehrere Schritte in einem mittelfristigen Zeitraum zu bewältigen sei.
Zurzeit erarbeitet das Ministerium für Schule und Weiterbildung einen Inklusionsplan für NRW, erste Eckpunkte werden alsbald erwartet. Mit der Erstellung eines eigenen Inklusionsplanes stellt die Stadt Köln gerade die Weichen für ein inklusives Schulsystem auf kommunaler Ebene.

Seit kurzem liegt ein vom Ministerium für Schule und Weiterbildung (MSW) in Auftrag gegebenes Gutachten der Professoren Preuss-Lausitz und Klemm vor (vgl. Preuss-Lausitz/Klemm 2011). Es wurde in Auftrag gegeben, nachdem der Landtag am 1. Dezember 2010 ohne Gegenstimmen den Beschluss „UN-Konvention zur Inklusion in der Schule umsetzen“ gefasst hatte. Mit diesem Beschluss wurde die Landesregierung aufgefordert, „ein Transformationskonzept zur Weiterentwicklung der sonderpädagogischen Förderung in NRW zu entwickeln mit dem Ziel, die sonderpädagogische Förderung in den Regelschulen zu gewährleisten“ (MSW). Dieses Konzept soll unter intensiver Einbeziehung aller Beteiligten und enger wissenschaftlicher Begleitung erarbeitet werden.

Die beiden Wissenschaftler empfehlen der Landesregierung, schrittweise Lehrkräfte für Sonderpädagogik aus den Förderschulen in die allgemeinen Schulen zu überführen. Sie schätzen, dass so innerhalb einer Frist von zehn Jahren etwa 85 Prozent der SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Regelschulwesen lernen werden. Derzeit lernen etwa 17 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf bis zur 10. Klasse in allgemeinen Schulen, 83 Prozent dagegen in Förderschulen.
Das umfangreiche Gutachten fasst schließlich 14 kurzfristige und 23 mittelfristige Empfehlungen „auf dem Weg zu einem inklusiven Bildungssystem“ bis 2020 zusammen.
Neben den kurzfristigen Empfehlungen, die eher den Bereich der Lehrerfortbildung berühren, geben die beiden Wissenschaftler in ihrem Gutachten auch mittel- und langfristige Empfehlungen für die Lehrerausbildung (Preuss-Lausitz/ Klemm 2011, 130).
Mittel- und langfristig empfehlen sie ein Basismodul „Inklusion/ Heterogenität“ für alle Studiengänge. Für den steigenden Bedarf an sonderpädagogischer Kompetenz soll laut Gutachten ein neues Studienfach LES (Förderbereich Lernen, Emotionale und Soziale Entwicklung und Sprache) sowohl beim Erststudium Sonderpädagogik als auch als Zweitfach bei allen übrigen Lehramtsstudiengängen eingeführt werden.
Für den Planungszeitraum bis 2020 soll des Weiteren ein dreisemestriger Weiterbildungsstudiengang „Inklusiver Unterricht und Schulentwicklung“ mit Ermäßigungsstunden implementiert werden.
Derzeit prüft die Landesregierung unter Einbezug zahlreicher Stellungnahmen die gemachten Vorschläge.

 

Begriffswirrwarr um Integration und Inklusion

Die soeben skizzierten Bemühungen – neben unzähligen anderen – um die Herausbildung eines inklusiven Schulsystems auch in Nordrhein-Westfalen wären ohne Ratifizierung der UN-Konvention sicherlich nicht unternommen worden.
Damit kann Andreas Hinz (2011) Recht gegeben werden, wenn er feststellt, dass die Bedeutung der zuvor erwähnten UN-Konvention für die Verbreitung und die öffentliche Wirkung der Inklusionsdebatte nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.
Empirische Bestätigung findet diese Aussage durch die kürzlich veröffentlichte Studie von Schädler/Rohrmann/Franzkoviak exemplarisch für die Kreise Siegen-Wittgenstein und Olpe. Die Wissenschaftler untersuchten, ob und wie sich die AkteurInnen im lokalen Bildungssystem in ihrer Praxis an der Zielsetzung der inklusiven Erziehung orientieren und „welche Einschätzungen sie bezüglich der gegebenen Bedingungen für inklusive Erziehung und der entsprechenden Entwicklungsperspektiven haben“ (Schädler et al. 2011, 1). Als Ergebnis konnten sie festhalten, dass sich hier zahlreiche AkteurInnen gefunden haben, die den Impuls der UN-Behindertenrechtskonvention aufgegriffen und es in beiden Kommunen geschafft haben, inklusive Erziehung zu einem Gegenstand des öffentlichen Interesses zu machen. Damit wurde ein erheblicher Rechtfertigungsdruck der örtlichen Förderschulen und Sondereinrichtungen aufgebaut.

Hinz macht jedoch auch auf eine problematische Seite der UN-Konvention und die Reaktionen auf diese aufmerksam. „Inklusion droht durch sie zu einer Frage von Beeinträchtigung zu werden, für die in erster Linie die Sonderpädagogik zuständig ist“ (Hinz 2011, 27). Er betont, dass damit ein großer Teil des Innovationspotenzials von Inklusion verlorengehen könnte, denn „es geht im langjährigen Diskurs um nicht weniger als den Umgang mit Differenz insgesamt, und da sind die Schulpädagogik und die allgemeine Schule gefragt“ (ebd., 27). Dabei bezieht er sich auch auf den Diskurs im englischsprachigen Raum, der zur Frage von inclusion und inclusive education bereits seit 30 Jahren Ergebnisse aufweisen kann. Es ist insbesondere diesem Umstand zu verdanken, dass dieser Diskurs anschlussfähig gemacht wurde an die deutsche Diskussion (ebd., 25). Demnach lassen sich in dieser Diskussion folgende Eckpfeiler identifizieren (ebd., 25 ff.):

 

National und international wird der Begriff der Inklusion mit einem unterschiedlichen begrifflichen Verständnis belegt (vgl. Hinz 2002, 2003; Ainscow/Booth/Dyson 2006). Hier sei insbesondere auf Gräf (2008) verwiesen, der sich mit der Rezeption des Inklusionsbegriffs in der deutschsprachigen erziehungswissenschaftlichen Theorie befasst hat.

Hier sei zunächst der Begriff der Inklusion erwähnt, der insbesondere in Bezug auf die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention verwendet wird; dieser meint in erster Linie die gemeinsame Beschulung von Kindern mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf.
Zum zweiten meint Inklusion aber auch den durch die UN-Konvention stark angefachten fachwissenschaftlichen Diskurs um den Inklusionsbegriff in Anlehnung an die Arbeiten aus dem englischsprachigen Raum (bsp.: Booth 2008, Ainscow/ Booth/ Dyson 2006, Black-Hawkins/ Florian/ Rouse 2007) Diese Arbeiten betonen immer wieder, dass sich Inklusion nicht nur auf die eine Heterogenitätsdimension – nämlich die der Behinderung – beziehen dürfe, da eine derartige Verengung dem Begriff nicht gerecht werde.

Eine deutliche Kontroverse gibt es in der fachwissenschaftlichen Diskussion über eine mögliche begriffliche Abgrenzung zwischen den Termini Integration und Inklusion. In Anlehnung an zahlreiche Etappenmodelle der Inklusion (Sander 2003, Homann/ Bruhn 2009, Hinz 2003, Wocken 2011) spricht sich Hinz (2002) vehement für eine Begriffsabgrenzung aus und warnt immer wieder vor einer Verflachung des Inklusionsbegriffs.

Eine relativ junges Beispiel für diese problematische, weil synonyme Verwendung des Begriffs der Inklusion stellt das Gutachten Gemeinsam lernen – Inklusion leben dar (vgl. Klemm 2010). An allen Stellen des Gutachtens wurde der bis dahin übliche Begriff der Integration durch Inklusion ersetzt. Ein Beispiel: „Im Bereich der Kindertageseinrichtungen wird im Vergleich zum Schulbereich mit 61,5 Prozent ein hoher Inklusionsanteil erreicht“ (ebd., 8).
Wenn hier von Inklusionsanteilen gesprochen wird, muss in Anlehnung an den international üblichen Begriff der „inclusion“ festgestellt werden, dass es sich in den Wortkreationen Inklusionsanteil oder auch Inklusionsquote um einen Antagonismus handelt, denn wenn Inklusion als Teilhabe aller Menschen an der Gemeinschaft verstanden wird, ist es wenig aussagekräftig, die Begriffe Anteile oder Quoten im gleichen Atemzug zu verwenden.

In ihrem neuen Gutachten für Nordrhein-Westfalen (vgl. Klemm/Preuss-Lausitz 2011) erläutern die beiden Wissenschaftler zum Begriffswandel von der Integration zur Inklusion, dass das, was bereits in den Siebzigerjahren mit Integration in der Schule gemeint war, eben das sei, was heute als „inklusiv“ definiert wird (vgl. Klemm/Preuss-Lausitz 2011). Daher kommen sie zu folgendem Schluss: „Gemeinsamer Unterricht war und ist in diesem Sinne immer schon inklusiv gewesen. Es gibt daher keinen Grund, die jahrzehntelange integrationspädagogische Arbeit von Eltern, Lehrkräften und anderen abzuwerten“ (ebd., 30).
Damit wenden sie sich deutlich gegen die von Hinz und anderen Wissenschaftlern verwendete Gegenüberstellung von Integration und Inklusion, da sie der Ansicht sind, „dass erfolgreiche gemeinsame Unterrichtung und Erziehung immer schon die (systemischen) Rahmenbedingungen berücksichtigt hatte und es methodisch problematisch ist, mögliche schlechte Praxisbeispiele zur Begründung neuer Begrifflichkeiten einzuführen“ (ebd., 30).

Hans Wocken bezeichnet diesen wissenschaftlichen Diskurs um Integration und Inklusion als „babylonische Sprachverwirrung“ und macht darauf aufmerksam, dass die  begrifflichen Missverständnisse und Turbulenzen noch durch inkorrekte  Übersetzungen englischsprachiger Dokumente in die deutsche Sprache potenziert werden (vgl. Wocken 2011). Er spricht in der kontroversen Diskussion von „Lagerbildung“ und „konkurrierenden Positionen Integration versus Inklusion“.  Auch ist er der Ansicht, dass sich die Integration in der Inklusionsliteratur in die Defensive gedrängt sieht und mit einem Mängelkatalog konfrontiert ist.
Für Wocken istdas Attribut Inklusion nicht von vornherein ein Qualitätsmerkmal, dem man ungeprüft vertrauen könne. Integrationspädagogik sei seiner Einschätzung nach von Anfang an eine Pädagogik der Heterogenität gewesen. Daher sei für ihn „der Widersacher von Inklusion nicht Integration, sondern Aussonderung“ (ebd.). „Das Optimierungsanliegen der Inklusion ist anerkennenswert und unterstützungswürdig, das gewählte Mittel einer begrifflichen Kosmetik allerdings ein Missgriff“ (Wocken 2009)

An diese Sicht lehnt sich auch Feuser bezüglich der faktischen Integration an. Für Feuser ist die Inklusion als eine Art Reflex auf die mangelhafte faktische Integration zu sehen. Nur vordergründig würde Integration praktiziert, aber auf der Hinterbühne würde die Segregation weiter betrieben (vgl. Feuser 2010). Ebenso äußert Hinz, dass es sich hier nicht um eine „bad theory“ handelt, sondern um „bad practice“ der Integration (vgl. Hinz 2004).
Tony Booth reagiert auf den Abgrenzungszwang der Inklusion gegenüber der Integration wie folgt: „Diese Sichtweise wird von manchen als Integration bezeichnet, auch wenn andere – wie ich – den Begriff Integration in einem weiteren Sinn verstehen, der einen Prozess bezeichnet, der letztlich zu tiefgreifenden Veränderungen in Bildung und Gesellschaft führt. Ich habe die assimilatorische Sichtweise von Integration abgelehnt, lange bevor der Begriff Inklusion aufkam“ (Booth 2008, 3).
Auch Hinz bestätigt die integrationspädagogische Theoriekritik am Inklusionsbegriff und stellt fest: „Inklusion bedeutet auf der Theorieebene für die integrationspädagogische Sicht keine neuen Zugänge, Aussagen oder Ansätze. Was Integrationspädagogik in der Theorie vertreten hat, entspricht der Inklusion […]“ (Hinz 2007, 87).

In Deutschland hat diese Unklarheit über die Begrifflichkeiten zu einer lebhaften Auseinandersetzung geführt und es zeigt sich zurzeit, dass „inzwischen in allen Bundesländern und Bildungsministerien der Inklusionsbegriff für höchst unterschiedliche konkrete Strukturen und Entscheidungen verwendet wird“ (Klemm/Preuss-Lausitz 2011). Vor diesem Hintergrund ist die Herstellung eines gemeinsamen Begriffsverständnisses auch und insbesondere für die Entwicklung einer inklusiven LehrerInnenbildung von entscheidender Bedeutung.

 

2. Inklusive LehrerInnenbildung gestalten

Nicht weniger schwierig als die Suche nach einem gemeinsamen Begriffsverständnis von Inklusion lässt sich die Frage nach einer inklusiven LehrerInnenbildung beantworten. Nordrhein-Westfalen schreibt im Lehrerausbildungsgesetz (LABG) fest, dass das Land und die Hochschulen eine Lehrerausbildung gewährleisten, die die Bedürfnisse der Schulen berücksichtigt (vgl. LABG 2009, §1 (1)).

Damit trägt die Lehramtsausbildung qua Gesetz die Verpflichtung, Studierende aller Lehrämter auf die sich rapide verändernde Schullandschaft und damit den Unterricht in heterogenen Lerngruppen vorzubereiten.
Die strukturelle Trennung der aktuellen Lehramtsausbildung in unterschiedliche Lehrämter (in NRW) steht jedoch in starkem Widerspruch zu dieser Entwicklung. Lehrkräfte können zukünftig nicht mehr erwarten, SchülerInnen gegenüberzustehen, die originär einer Schulform zugeschrieben werden. Mit dieser Festschreibung werden nach wie vor Lehrkräfte mit einem reduzierten Zuständigkeitserleben auf bestimmte SchülerInnengruppen ausgebildet. Obwohl wir aus integrativen Schulentwicklungsprozessen wissen, dass dieser eingeschränkte Blick auf SchülerInnen einer Schulform große Schwierigkeiten bei der Ausgestaltung integrativer oder inklusiver Konzepte an Schulen mit sich bringt (vgl. Amrhein 2011). Ganz besonders gilt dieses Weiten des eigenen Blickes für die Ausbildung zukünftiger Sonderpädagoginnen und -pädagogen, die sich mit der Sonderpädagogik als subsidiärem System bereits sehr frühzeitig vertraut machen müssten, um später aktiv daran mitzugestalten.

Münch spricht daher von der längst überfälligen Neuorientierung der Lehrerbildung in Richtung eines inklusiven Bildungssystems (vgl. Münch 2011) und konstatiert, dass die erziehungswissenschaftlichen und sonderpädagogischen Fakultäten in Deutschland hiervon nur sehr begrenzt Kenntnis genommen haben. Dies verwundert nicht „angesichts der gefestigten organisatorischen und konzeptionellen Aufteilung allgemeinpädagogischer und sonderpädagogischer Verantwortlichkeiten für Mainstream und Sonderbeschulung in einem selektiven und separierend gegliederten Bildungssystem mit dem je entsprechenden Selbstverständnis der beteiligten Professionen“ (Münch 2011).
Um an die weiter oben skizzierte Diskussion um ein gemeinsames Begriffsverständnis  von Inklusion anzuknüpfen, stellt sich nun die Frage nach den substanziellen Inhalten einer inklusiven LehrerInnenbildung. Geht es in erster Linie um die Vermittlung sonderpädagogischer Grundkenntnisse zukünftiger Regelschullehrkräfte für gemeinsamen Unterricht? Oder geht es um die Vermittlung eines sehr viel umfassenderen Inklusionsbegriffs?
Es soll hier die Auffassung vertreten werden, dass es um beides gehen muss. Alle Lehrkräfte sollten zukünftig mit Kompetenzen im Bereich sonderpädagogischer Förderung ausgestattet werden, dies kann jedoch nur ein Teilaspekt einer  „inclusive teacher education“ sein. Professionalisierung für Inklusion beinhaltet sehr viel mehr als nur das Wissen um individuelle Förderung, denn wie Anke Langer richtig feststellt: „Inklusion ist mehr als Methode und braucht aber auch Methoden, die nicht auf einzelne Spezifika begrenzt sind, denn Inklusion ist mehr als nur die Perspektive auf Behinderung oder auf Migration etc.“
Auch Andrea Platte und Christian-Peter Schultz (2011) fragen, wie sich das Ziel inklusiver Bildung in Lehre und Forschung abbilden lässt. Dabei überlegen sie zum einen, ob Inklusion als internationaler bildungspolitischer Orientierungsrahmen in Forschung und Lehre – insbesondere im pädagogischen Kontext – diskutiert wird. Und zweitens fragen sie sich, ob sich die Leitidee der Inklusion im Aufbau des Studiengangs und in der hochschuldidaktischen Gestaltung von Seminaren und Modulen widerspiegelt. In ihrem Beitrag zeigen sie dabei in drei Schritten die Aufgaben von Hochschulen auf dem Weg zur Realisierung inklusiver Bildung auf:

 

Im Folgenden sollen am Beispiel eines Standortes, hier die Universität zu Köln, Vorschläge gemacht werden, wie trotz bestehender Strukturen Kompetenzen für die Gestaltung inklusiver Bildungsprozesse vermittelt werden können. Dabei wird deutlich werden, dass das neue LABG zahlreiche Möglichkeiten bereithält, Professionalisierung für Inklusion anzubahnen. Die Ausgestaltung der universitären Praxisphasen bildet hier den zentralen Ansatzpunkt.
Obwohl im Kontext der Argumentation die LehrerInnenbildung in Nordrhein-Westfalen und speziell an der Universität zu Köln als Beispiel dient, kann vermutet werden, dass sich diese inklusiven Lerngelegenheiten auch an anderen Standorten entwickeln lassen. Köln kann sicherlich mit dem Standortvorteil aufwarten, dass die Hochschule selbst auch Studiengänge für zukünftige Sonderpädagoginnen und –pädagogen vorhält und damit die sonderpädagogische Kompetenz bereits vor Ort ist. Ein noch relativ junges Projekt an der Universität Münster (vgl. PinI = Praxisphasen in Inklusion 2001) macht jedoch gerade vor, wie Professionalisierung für Inklusion im Bereich schulpraktischer Studien auch ohne eigenes Studienangebot im Lehramt Sonderpädagogik gelingen kann.

 

3. Chancen universitärer Praxisphasen nutzen – ein Standortbeispiel

Wie können die zahlreichen Neuerungen im Bereich der ersten Phase der Lehramtsausbildung in NRW für die Anbahnung inklusiver Professionalisierungsprozesse genutzt werden? Notwendig sind diese Überlegungen für Nordrhein-Westfalen, da das Gesetz aus der Perspektive der UN-Konvention mehr oder weniger bei seinem Inkrafttreten bereits überholt war (Tatsächlich war die Ausarbeitung des neuen Schulgesetzes noch vor Inkrafttreten der Konvention abgeschlossen.). Mit dem neuen Schulgesetz wurde in Nordrhein-Westfalen die Ausbildung in den engen Grenzen der eigenen Schulform festgeschrieben, Studierende sollten weiterhin ihre Praxisphasen in der vor Studienbeginn gewählten Schulform absolvieren.

Damit hält das neue Lehrerausbildungsgesetz trotz zahlreicher Neuerungen kaum Antworten für den anstehenden Transformationsprozess hin zu einem „inclusive education system at all levels“ bereit. Zukünftige Lehrkräfte werden am Ende ihres Studiums in Nordrhein-Westfalen kaum auf die bis dahin stark veränderte Schullandschaft vorbereitet und nach wie vor mit einem nur sehr eingeschränkten Zuständigkeitserleben auf eine bestimmte Schülerschaft ausgestattet sein.

Wie notwendig und vor allem nachgefragt diese Angebote jedoch sind, konnte Franzkovik mit seiner Studie belegen (2009). Er  befragte ehemalige TeilnehmerInnen eines Seminars der Universität Siegen retrospektiv zu einer Lehrveranstaltung zum Thema Integration/Inklusion. Dabei waren 93 Prozent der Befragten der Ansicht, es sollten verpflichtende Lehrveranstaltungen eingeführt werden, die angehende LehrerInnen auf die Themen Integration, Inklusion und Gemeinsamer Unterricht vorbereiten. Aus seinen Ergebnissen leitete Franzkowik folgende Forderungen ab: Studienangebote für ein kombiniertes Lehramt für die Grundschule und Sonderpädagogik sollten ausgebaut werden, die Kooperation zwischen beiden Lehramtstraditionen und die Forschungsbemühungen intensiviert werden; schließlich empfahl er eine verstärkte Vernetzung der in der Lehramtsausbildung Tätigen.

 

Die Neugestaltung des  Lehramtsstudiums im Zuge der Bachelor-/Master-Umstellung   und die damit einhergehende Ausweitung der universitären Praxisphasen (in Nordrhein-Westfalen) offenbart trotz Fortbestehen der strukturellen Trennung der Lehrämter zahlreiche Chancen, eine frühzeitige Professionalisierung für Inklusion anzubahnen.
Im Folgenden sollen daher Vorschläge erarbeitet werden, wie trotz dieser engen Grenzen des neuen LABG inklusive Lerngelegenheiten schon in der 1. Ausbildungsphase geschaffen werden können. Die Anstrengungen, die hier unternommen werden, inklusive LehrerInnenbildung im Bereich der schulpraktischen Studien trotz bestehender Systemgrenzen zu gestalten, sollen jedoch nicht das Signal aussenden, die nötigen strukturellen Reformen im Bereich der LehrerInnenausbildung könnten auf die lange Bank geschoben werden. Vielmehr sind sie als Vorschlag zu verstehen, die Übergangszeit zu gestalten, in der sich alle Universitäten befinden.

Ziel der neuen Lehreausbildungsreform in Nordrhein-Westfalen ist, die Qualität der Lehrerausbildung im Sinne der Ziele des neuen Schulgesetzes nachhaltig zu verbessern. Die fachliche und pädagogische Profilierung der künftigen Lehrkräfte wird damit gestärkt und die Lehrerausbildung in den Bologna-Prozess eingepasst. Berufsfeld- und Praxisbezug werden sowohl im Studium als auch im Vorbereitungsdienst intensiviert.

Im Folgenden wird auf fünf wesentliche Aspekte der neuen LehrerInnenausbildung in NRW eingegangen werden und nachfolgend jeweils mögliche Ansatzpunkte für inklusive Professionalisierungsprozesse gesucht.

Ausweitung der Praxisphasen – Praxisphasen in Inklusion

Mit Einführung der Bachelor-/Masterstudiengänge kommt es zu einer erheblichen Ausweitung der universitären Praxisphasen. Lehramtsstudierende müssen zukünftig drei Praxisanteile im Bereich des Bachelors absolvieren. Dies sind das Eignungspraktikum (20 Praktikumstage, wenn möglich vor Aufnahme des BA-Studiums), das Orientierungspraktikum (20 Tage) und das Berufsfeldpraktikum (20 Tage). Die bedeutendste Ausweitung der universitären Praxisphasen ist für den Master vorgesehen. Hier absolvieren die Studierenden ein Praxissemester (6 Monate), welches von der Universität in Kooperation mit den ZfsL (Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung; frühere Studienseminare) und den Schulen begleitet wird. Zusätzlich wird der Vorbereitungsdienst auf 18 Monate gestrafft.

Folgt man Baumert und der Expertenkommission (2007, 8), so ist die Voraussetzung für eine qualitätsvolle Durchführung der Praktika jedoch auch ihre systematische Vor- und Nachbereitung, ihre Einbindung in ein curriculares, modularisiertes Gesamtkonzept der Lehrerbildung und eine personelle und organisatorische Infrastruktur auf Hochschulseite, die es erlaubt, die Praktika in Kooperation mit den Praktikumsschulen zu planen. Resümierend stellt die Expertenkommission fest, dass es daher zukünftig um eine Optimierung der praktischen Studienanteile gehen muss. Dabei dürfe es das Ziel nicht sein, nur mehr, sondern bessere universitäre Praxisphasen zu schaffen.

Schulpraktische Studien stellen ein zentrales Studienelement der LehrerInnenbildung dar. Sie lassen  sich strukturell in der Schnittstelle zwischen den Bereichen studentische Person, schulische Praxis und wissenschaftliche Theoriebildung verorten (vgl. Denner 2010, 125). Denner hat den Beitrag des Einführungspraktikums an der pädagogischen Hochschule Karlsruhe für den Vermittlungsprozess in theoretischer und empirischer Perspektive untersucht und kommt zu dem Schluss, dass die studentischen Lernprozesse „durch das Setting des gruppenbezogenen und begleiteten Einführungspraktikums auf hohem Niveau möglich sind“ (ebd., 154).
Dabei ist es entscheidend, dass die Studierenden den Übergang vom distanzierten wissenschaftlichen Lernen hin zum situativen, involvierten und beteiligten Lernen meistern bzw. sich zwischen diesen beiden Lernformen hin und her bewegen können.
In ihrer Studie konnte sie jedoch zeigen, dass die Studierenden (n=246) überwiegend der Ansicht sind, dass pädagogische Theorien eher wenig zum Verstehen des eigenen Handelns beitragen (vgl. ebd., 154). Somit benötigen angehende Lehrkräfte ihrer Interpretation der Umfrage zufolge deutliche und systematische Unterstützung in ihren eigenen Vermittlungsprozessen in Praktikum und Studium.

Wenn, wie unter anderem Liselotte Denner (2010) empirisch nachweisen konnte, schulpraktische Studien studentische Lernprozesse auf hohem Niveau möglich machen, so ist doch zu überlegen, wie diese Studien für die Anbahnung inklusiver Lernprozesse genutzt werden können.
Da es sich bei Inklusion um ein Konzept mit sehr hoher Innovationstiefe handelt, kommt der begleitenden Reflexion des Erlebten im Praktikum eine hohe Bedeutung zu – insbesondere vor dem Hintergrund der Anregung eines schon frühzeitigen Professionalisierungsprozesses in Richtung Inklusion.

Die Universität Köln trägt diesem Umstand Rechnung, indem sie die Begleitseminare zu den Orientierungspraktika ab dem Wintersemester 2011/2012 überwiegend als integrierte Seminare ausweist. Dies bedeutet, dass sich die Begleitung nicht mehr in Vor- und Nachbereitungsseminare aufteilt, sondern die Studierenden auch während ihrer Zeit im Praktikum einmal wöchentlich ein begleitendes Seminar an der Universität besuchen. Universitär begleitete Praxisstudien sind von zentraler Bedeutung , da wir wissen, dass gerade Novizen und Novizinnen typischerweise mit Imitation und Assimilation auf die ersten Praxiserfahrungen in der Schule reagieren (Helmke 2007). Für Helmke droht das Studium sogar nicht selten zu einer kurzen Unterbrechung der Schulpraxis zu schrumpfen, da die „soziale Praktik Unterricht im Rahmen der forme scolaire als gesellschaftliche und biographische Konstante so mächtige Wirkung entfaltet [...]“ (ebd., 7). Er spricht sich daher auch entschieden dagegen aus, das Studium „durch einsozialisierende und einübende Schulpraxisphasen in den Bann der Institution Schule zu bringen [...]“ (ebd., 7).

Aktuell existiert ein Konzept (vgl. Amrhein/Erbring/Köpfer 2011) an der Universität Köln, das im Bereich des Orientierungspraktikums lehramtsübergreifende Begleitveranstaltungen vorsieht und bei dem die Studierenden ihr Orientierungspraktikum dann auch in Schulen mit gemeinsamem Unterricht absolvieren. Dabei scheint gerade das Orientierungspraktikum geeignet, Reflexionsprozesse bei Studierenden in einer sehr frühen Phase ihres Studiums anzuregen.

Die Zielsetzung dieser lehramtsübergreifenden Praktikumsbegleitung ist, die sonderpädagogische und die allgemeinpädagogische Ausbildung bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt im Studienverlauf zusammenzuführen, um das Zuständigkeitserleben zukünftiger Lehrkräfte nicht schon zu Beginn ihres Studiums auf SchülerInnen einer Schulform zu beschränken. Da die sonderpädagogische und allgemeinpädagogische Ausbildung im Bereich des Orientierungspraktikums kompatibel sind, findet sich hier  eine geeignete Ausgangslage.

Im Wintersemester 2011/2012 wird das Orientierungspraktikum in einem Pilotseminar mit veränderter Konzeption und lehramtsübergreifend begleitet  (lehramtsübergreifende Vor- und Nachbereitung des erziehungswissenschaftlichen Orientierungspraktikums mit integriertem Praktikum und Blick auf Inklusion). In den Seminaren werden Studierende aller Lehrämter zugelassen (auch Lehramt für Sonderpädagogik mit sämtlichen sonderpädagogischen Förderschwerpunkten). Die Veranstaltungen werden von zwei Dozentinnen/Dozenten vorbereitet und durchgeführt (davon eine/r mit sonderpädagogischer Ausbildung).
Die Studierenden absolvieren ihr Praktikum in Schulen mit Gemeinsamem Unterricht. Die nötigen Praktikumsplätze sind durch vorab geschlossene Kooperationen mit Kölner GU-Schulen bereits vorhanden. Die Veranstaltungen werden – auch auf Basis bereits bestehender Erfahrungen gemeinsamer Seminare (bspw. Koch-Priewe/Münch 2005) – evaluiert. Diese Ergebnisse fließen dann in die Konzeptentwicklung für zukünftige Praxisbegleitung an der Universität zu Köln ein.

Erfahrungen in der universitären Praxisbegleitung haben gezeigt, dass es ganz entscheidend darauf ankommt, dass Studierende gerade am Anfang ihrer Berufsbiografie in Kontakt mit Gemeinsamem Unterricht kommen und auf Lehrpersonen treffen, die diese Aufgabe auch überzeugt und überzeugend ausführen.
Als problematisch stellt sich im Moment dar, dass sich durch die schnelle Ausweitung des Gemeinsamen Unterrichts gerade im Bereich der Sekundarstufe immer häufiger Lehrkräfte vor die Aufgabe der schulischen Inklusion gestellt sehen, die sich selbst hierfür nicht ausreichend kompetent erachten (Amrhein 2011). Es ist daher bei der Auswahl der Schulen darauf zu achten, dass Novizen und Novizinnen auf AkteurInnen an den Schulen treffen, die die Aufgabe der gemeinsamen Beschulung auch engagiert wahrnehmen.
Andernfalls besteht die Gefahr, dass sich Studierende in ihren subjektiven Theorien zu den Möglichkeiten der Durchsetzung inklusiver Konzepte in der Schule bestätigt fühlen, und nach einem solchen Praktikum eher wieder Abstand von der Innovation nehmen.

Theorie-Praxis-Verzahnung – Einführung der „Ersten Arbeitstheorie

Laut LABG soll mit Einführung der neuen Lehramtsstudiengänge auch der offenkundige Berufsfeldbezug des Lehramtsstudiums gestärkt werden. Mit Erhöhung der Praxisphasen im Lehramtsstudium rückt der Bezug der Theorie-Praxis-Verzahnung dabei stärker in den Blick. Damit soll der häufig geäußerten Kritik der Praxisferne des Lehramtsstudiums ein gewichtiges Argument entgegengesetzt werden.

„Das Verhältnis von Theorie und Praxis speist einen anscheinend unendlichen Diskurs in der Lehrerausbildung“, so Reinhold Hedtke (2007, 1). Er stützt sich dabei auch auf die Ergebnisse von Stadelmann (2004), der aufzeigen konnte, dass das Kernproblem in der Lehrerbildung darin besteht, theoretisches Wissen und berufliche Praxis zu vermitteln und man empirisch eher wenig Gesichertes darüber weiß.
Bei Forneck et al. (2009, 68 ff.) lässt sich  zum komplexen Verhältnis von Theorie und Praxis Folgendes lesen: „Für die Bestimmung pädagogischer Professionalität ist somit zum einen das Verhältnis von Theorie und Praxis und damit insbesondere die Rolle der wissenschaftlichen Theorie für pädagogisches Handeln maßgebend, und zum anderen sind es die Handlungsfelder sowie die für das pädagogische Handeln konstitutiven besonderen Merkmale des pädagogischen Handlungsfeldes, das durch widersprüchliche Anforderungen (Antinomie) gekennzeichnet ist.“
Mit Bezug auf die Ergebnisse der erziehungswissenschaftlichen Verwendungsforschung kann zum Verhältnis von Theorie und Praxis festgestellt werden, dass sich die Vorstellung eines individuell bestimmbaren und kontrollierbaren Transfers des Theoriewissens in die nachhaltige Berufspraxis als ein Mythos erwiesen hat. (Stadelmann 2004). Die erziehungswissenschaftliche Verwendungsforschung hat eine strukturelle Andersartigkeit von Wissenschafts- und Professionswissen feststellen müssen, die sich weder durch Transfer noch durch Transformation vermitteln lässt. Entsprechend muss die Beziehung zwischen Theorie und Praxis auch als Differenzverhältnis neu definiert werden.
Dieser Auffassung schließen sich auch Koch-Priewe & Thiele (2010) an, wenn sie das komplexe Verhältnis von Theorie und  Praxis zu beschreiben versuchen. Dabei geht es für sie immer um den Versuch der Neubestimmung der Relationierung von Wissenschaft und schulischer Praxis.

Wenn mit Einführung des neuen LABG auch intendiert ist, an dieser Neubestimmung in der LehrerInnenausbildung mitzuwirken, stellt sich für das übergeordnete Thema der Inklusion die Frage, wie der Versuch der Neubestimmung der Relationierung von Wissenschaft und schulischer Praxis im Kontext inklusiver Praxiserfahrungen gelingen kann?
Aus empirischen Untersuchungen an Schulen ist bekannt, dass Vorerfahrungen mit integrativem Lernen für die Bereitschaft, sich der schulischen Integration oder Inklusion zu öffnen, einen großen Einfluss auf Einstellung und Bereitschaft zur Mitarbeit im GU haben (vgl. Dumke 1989, Eberl 2000, Amrhein 2011).

Eigene Erfahrungen der Autorin in Hochschulseminaren der letzten vier Jahre zeigen, dass eine Mehrheit der Studierenden gerade zu Beginn ihres Studiums meist eine eher erfahrungsbasierte Erkenntnisperspektive einnimmt, diese stützt sich oft auf Erlebtes aus der eigenen Schulzeit. Lehramtsstudierende können jedoch in großer Mehrheit nicht auf eigene Erfahrungen im Gemeinsamen Unterricht zurückblicken. In der eigenen Seminararbeit fällt immer wieder auf, dass gerade Studierende, die im Rahmen der Seminararbeit zum ersten Mal mit integrativer oder inklusiver Schule in Berührung kommen, zunächst eher kritische Haltungen gegenüber dem Konzept des gemeinsamen Lernens einnehmen. Eine häufige Äußerung ist die folgende (aus der Erinnerung zitiert): „In der Theorie klingt das mit dem Gemeinsamen Unterricht ganz gut, aber in der Praxis funktioniert das eher nicht, denke ich. Ich habe als Lehrerin nicht die Zeit, für jedes einzelne Kind etwas vorzubereiten.“

Somit scheinen gerade bei StudienanfängerInnen die größten Hürden für den Aufbau einer inklusiven Grundhaltung die eigenen subjektiven Theorien über die Praxis der Integration oder auch der Inklusion zu sein.

An der Universität Köln werden daher ab dem Wintersemester 2011/2012 alle Studierenden zu Beginn der Begleitveranstaltung zum Orientierungspraktikum eine erste Arbeitstheorie verfassen und diese dann im Rahmen der Portfolioarbeit in Abgrenzung zu wissenschaftlichen Theorien betrachten (Kricke/Reich 2011). Vor dem Hintergrund der soeben geschilderten Erfahrungen aus Begleitveranstaltungen an der Universität Köln scheint es für die Entwicklung einer inklusiven LehrerInnnbildung besonders bedeutend, dass Studierende sich bereits zu Beginn ihres Studiums mit diesen subjektiven Theorien zum gemeinsamen Lernen und zum Umgang mit Heterogenität in der Schule auseinandersetzen und diese dann in den begleiteten Praxisphasen mit wissenschaftlichen Theorien in Beziehung setzen.
Die Einführung der Ersten Arbeitstheorie ermöglicht es daher, eigenen subjektiven Theorien zum Umgang mit Vielfalt im schulischen Kontext und in einer frühen Phase des Lehramtsstudiums auf den Grund zu gehen.

 

Forschendes Lernen in der neuen LehrerInnenbildung
Das neue LABG schreibt das Forschende Lernen als wesentlichen Bestandteil der neuen Ausbildung fest. Damit erfährt dieses hochschuldidaktische Konzept des Forschenden Lernens besonders in Nordrhein-Westfalen neue Aufmerksamkeit und erlangt zunehmende Bedeutung für die Entwicklung von Studium und Lehre. Hedtke formuliert zur Begründung forschender Ansätze in der LehrerInnenbildung:
Als kollektive soziale Praktiken gründen Schule und Unterricht vor allem auf kollektiv geteiltem praktischen Wissen. Dieses praktische Wissen bleibt aber oft implizit, privat bis geheim oder flüchtig und ist deshalb nur schwer zugänglich. Novizinnen reagieren darauf typischerweise mit Imitation und Assimilation. Je später diese unvermeidlichen Prozesse in der Lehrerausbildung einsetzen, umso besser. Das Studium sollte sich deshalb darauf konzentrieren, die sozialen Praktiken Schule und Unterricht als Forschungsgegenstand in den Blick zu nehmen“ (Hedtke 2007).
Dabei kann zurzeit von einer großen Vielfalt der unterschiedlichen Ausgestaltungsvarianten gesprochen werden. Gemeinsam scheint allen Konzepten eine Ausrichtung auf die universitär zu erlangenden reflexiven Kompetenzen zu sein.
Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass es zum FL keine einheitliche Theorie und auch keine darauf bezogene Didaktik gibt. Stattdessen existieren sehr unterschiedliche hochschuldidaktische Konzepte des Forschenden Lernens. Gleichzeitig ist das Forschende Lernen (in Nordrhein-Westfalen) nicht in allen Studiengängen und Hochschulen dauerhaft verankert, es lässt sich eher auf das Engagement einzelner Dozenten zurückführen.

Bereits 2001 formulierte der Wissenschaftsrat zum Forschenden Lernen: „Hochschulausbildung soll die Haltung forschenden Lernens einüben und fördern,
um die zukünftigen Lehrer zu befähigen, ihr Theoriewissen für die Analyse und Gestaltung des Berufsfeldes nutzbar zu machen und auf diese Weise ihre Lehrtätigkeit nicht wissenschaftsfern, sondern in einer forschenden Grundhaltung auszuüben“ (Wissenschaftsrat 2001, 41).

Bei dem Systematisierungsversuch zum Forschenden Lernen von Koch-Priewe und Thiele (2010) lässt sich in ihrem Typ E – Forschendes Lernen mit dem Schwerpunkt der Reflexion biografischer Zugänge zum Lehrberuf – ein möglicher Anknüpfungspunkt für Forschendes Lernen im Bereich schulischer Inklusion finden, bilden doch auch Lehramtsstudierende keine homogene Gruppe und unterscheiden sich auch in ihren biografischen Zugängen zum Lehrberuf sehr deutlich voneinander.
Die Frage ist dann: Wie kann die Reflexion dieser vielfältigen Zugänge zum Lehrberuf für eine frühe Professionalisierung für Inklusion im Sinne des Forschenden Lernens genutzt werden?

Zurzeit wird das Forschende Lernen insbesondere vor dem Hintergrund des an vielen Standorten in NRW noch auszugestaltenden Praxissemesters diskutiert. Daher soll hier der Vorschlag gemacht werden, bei der Ausgestaltung des zukünftigen Praxissemesters den Bereich der Professionalisierung für Inklusion gleich mitzudenken. Denn gerade das Praxissemester bietet hervorragende Chancen für eine frühe Professionalisierung bezüglich des Umgangs mit heterogenen Lerngruppen. Es könnte dazu dienen, Studierenden nicht nur Praxiserfahrung im Gemeinsamen Unterricht zu verschaffen, sondern sie verpflichtend im Bereich Integration/Inklusion auszubilden. Mit Verweis auf die Arbeiten von Irene Demmer-Dieckmann (2008) sollte schließlich auch hier von dem Prinzip der Freiwilligkeit abgerückt werden, wenn sich zukünftige Lehrkräfte im inklusiven System zurechtfinden sollen.

 

Das Portfolio Praxiselemente

Im LABG für die neue Bachelor-/Master-Lehramtsausbildung wird die Dokumentation „aller Praxisphasen“ in einem Portfolio verpflichtend (LABG §12 (1)). Durch das Portfolio Praxiselemente „dokumentieren die Absolventinnen und Absolventen den systematischen Aufbau berufsbezogener Kompetenzen in den einzelnen Praxisphasen der Ausbildung“ (LZV § 13). Dabei ist das Portfolio als Instrument zu verstehen, das die „Ausbildung als zusammenhängenden berufsbiografischen Prozess dokumentiert“ (ebd.).
Der Expertenkommission zufolge (Baumert 2007), kann im Bereich der LehrerInnenbildung von dem Leitbild einer konsequenten Orientierung der Lehramtsausbildung am Berufsfeld Schule ausgegangen werden, „in dem die Entstehung von Professionalität als ein berufsbiographischer Prozess verstanden wird“ (Baumert 2007, 6). Dabei wird Berufserfahrung kommunikativ verarbeitet und in einem begrifflichen Rahmen interpretiert, der stets an Wissenschaft und Forschung anschließt (vgl. ebd., 2007, 14). Daher ist die berufsbiografische Beratung auf Grundlage der Portfolioarbeit in der neuen LehrerInnenbildung in NRW von hoher Bedeutung.

Aber wie kann die Einführung der Portfolioarbeit für den Professionalisierungsprozess für Inklusion nutzbar gemacht werden?

Für den Umgang mit Heterogenität im Klassenzimmer kommt es vor allem auf die positive Grundhaltung der Lehrkräfte an (Klippert 2010, 78). Damit kann diese als eine der wichtigsten Gelingensbedingungen für den Umgang mit Heterogenität bezeichnet werden. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass Studierende diese positive Grundhaltung von selbst mitbringen. Vielmehr geben Befragungen unter Lehramtsstudierenden Grund zu der Annahme, dass sie mit eher wenig Erfahrung hinsichtlich eines positiven Umgangs mit Vielfalt im Unterricht die eigene Schule verlassen.
Daher ist es für den Aufbau einer positiven Haltung zur Begabungs-, Interessens- und Verhaltensvielfalt in den Klassen besonders wichtig, dass Studierende diese Praxiserfahrungen in ihren schulpraktischen Studien intensiv reflektieren.

In Köln werden beispielsweise die Begleitseminare zu den Orientierungspraktika zukünftig an Fallsupervision ausgerichtet, sie sind dadurch grundsätzlich geeignet, um den Reflexionsbedarf aller Lehramtsstudierenden zu berücksichtigen. Dabei sorgt die Begleitung der Veranstaltungen durch Portfolioarbeit für ausreichend Differenzierung und Individualisierung innerhalb der lehramtsheterogenen Studierendengruppen.
In der Bearbeitung der Portfolioaufgaben agieren die Studierenden als wissenschaftlich Forschende und in Anlehnung an Schön (1983) als reflektierende PraktikerInnen, indem sie forschend lernend, ihr theoretisches Wissen mit den praktischen Erfahrungen am Lernort Schule oder im Berufsfeldpraktikum verknüpfen und dieses reflektieren.

Damit offenbart auch die Einführung der Portfolioarbeit im neuen Lehramt enorme Chancen, die Professionalisierung für Inklusion an Schulen allgemein voranzubringen. Das Portfolio – verstanden als Tool zur schriftlichen Verarbeitung berufsbiografischer Prozesse – könnte dahingehend nutzbar gemacht werden, dass beispielsweise die Erste Arbeitstheorie zum Thema schulische Inklusion verfasst wird.

 

Aufbau enger Kooperationen zwischen den Institutionen – Perspektive Praxissemester

Eine weitere Neuerung in den neuen Lehramtsstudiengängen in Nordrhein-Westfalen birgt große Chancen für eine Professionalisierung im Bereich Inklusion. Dabei geht es um den im LABG festgeschriebenen Aufbau einer engen Kooperation zwischen allen drei an der LehrerInnenbildung beteiligten Institutionen.
Diese neuen Formen der Kooperation werden besonders bei der Ausgestaltung des Praxissemesters relevant. Hier sieht das Rahmenkonzept eine Erfolgsbedingung in der Verständigung der beteiligten Partner auf ein standortspezifisches Modell auf der Basis der vorgelegten Rahmenkonzeption. Die  Kooperation zwischen den drei Institutionen wird im Rahmenkonzept in mehreren Punkten geregelt:

 

Daran schließt sich die Frage an, ob zu erwarten ist, dass diese Innovationen im neuen Lehramt eventuell auch die Inklusion befördern könnten.
Durch die Umsetzung der UN-Konvention wird es in den nächsten Jahren zu einem starken Ausbau integrativer oder sogar inklusiver Konzepte an Regelschulen kommen. Dadurch ergibt sich schon jetzt ein enormer Fortbildungsbedarf, der zurzeit fast nicht bedient werden kann. Der große Teil der LehrerInnen an Regelschulen hat keine Erfahrungen mit der Beschulung von Kindern mit Förderbedarf (vgl. Amrhein 2011).
Durch die bereits beschriebene enge Kooperation der Institutionen besteht die Möglichkeit, Konzepte zu entwickeln, wie Lehrerausbildung und -fortbildung miteinander verzahnt werden können. Denkbar wären etwa im Rahmen der Praxisphasenbegleitung gemeinsame Seminare in der Hochschule mit erfahrenen Lehrkräften und Studierenden.

 

4. Die Hochschule als Ort der Zukunftsgestaltung

Wie zuvor ausgeführt, sollte am Beispiel eines Standortes verdeutlicht werden, wie Möglichkeiten ausgelotet werden können, inklusive Lerngelegenheiten im Studium trotz bestehender struktureller Grenzen zu schaffen. Dabei ist der Schwerpunkt auf die Vermittlung von Kompetenzen im Bereich gemeinsamer Beschulung von SchülerInnen mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf gelegt worden.
Diese Vorschläge könnten auch an anderen Standorten dazu dienen, die Zeit bis zu den endgültigen politischen Entscheidungen zu nutzen, um Studierende bereits heute auf die neuen Anforderungen vorzubereiten.
Dabei ist noch einmal zu betonen, dass die Lehramtsausbildung die Verpflichtung trägt, die veränderten Rahmenbedingungen für Studierende transparent zu machen und in der Ausbildung stärker als bisher zu berücksichtigen. Studierende aller Ausbildungsgänge müssen mehr als bisher auf den Unterricht mit einer heterogenen Schülerschaft vorbereitet werden. Dabei müssen sich zukünftige Lehrkräfte möglichst frühzeitig mit dem Modell der Sonderpädagogik als subsidiärem System im allgemeinen Schulwesen vertraut machen, um es zukünftig aktiv mitgestalten zu können.

Damit soll sich hier Georg Feuser angeschlossen werden, der betont, dass die LehrerbildnerInnen Verantwortung übernehmen sollten und bereit sein sollten, „bisherige Standpunkte und Positionen und damit auch Funktionen und Machteinflüsse zu hinterfragen“ (Feuser 2000, 221). Er betont, dass Lehrkräfte in Integrationsklassen das defizitorientierte Denken mit der Fixierung auf Behinderungen bereits überwinden, während diesbezüglich bei ProfessorInnen an Universitäten und Hochschulen noch wenig zu bemerken sei, obwohl „das separierte und separierende Ausbildungssystem in gleicher Umfassung zu überwinden (ist) wie das segregierende Schulsystem“ (ebd.).

Als ein Ergebnis kann abschließend festgehalten werden, dass sich mit Einführung des LABG und der damit verbundenen Neustrukturierung des Lehramtsstudiums zahlreiche Anknüpfungspunkte finden lassen, um auch im Bereich der LehrerInnenbildung bereits am Beginn der Dekade der Inklusion entsprechende Ausbildungsinhalte für Inklusion vorzuhalten. Dabei sollen die hier gemachten Vorschläge in Anlehnung an Stähling/Wenders (2009) keine Anleitung zum Ungehorsam in der Universität sein, vielmehr trifft eher das zu, was Walther Dreher (2000) geäußert hat. Für ihn kann für die Gestaltung inklusiver Prozesse bedeuten, „allgemein in der Pädagogik die Horizonte zu verschieben“. Er schlägt daher vor, nicht von der Gegenwart heraus die Zukunft zu planen, sondern genau umgekehrt, von der Zukunft aus die Gegenwart zu gestalten.
Für die Gestaltung einer inklusiven LehrerInnenbildung bietet sich zurzeit aufgrund der noch ausstehenden strukturellen Entscheidungen dieser umgekehrte Weg tatsächlich an. Somit wäre zu überlegen, ob die Universität hier entgegen ihrer gewohnten Richtung inklusive LehrerInnenbildung schon jetzt mitgestalten kann. In dieser Vorstellung könnte die Hochschule ein Ort der Zukunftsgestaltung werden (Platte/ Schultz 2011). Dabei müssen die AkteurInnen keinen völlig neuen Weg einschlagen, gibt es doch international zahlreiche Beispiele, an denen sich orientiert werden kann (vgl. Bürli/ Strasser 2009).
Es ist daher bei der Ausgestaltung der neuen Studiengänge darauf zu achten, dass die aktuellen Entwicklungen um ein inklusives Schulsystem besondere Berücksichtigung erfahren und hier schon frühzeitig eine stärkere Hinwendung zum Thema stattfindet. Zu klären wäre auch, welche Angebote die Universitäten zur Zeit tatsächlich vorhalten, um hier Professionalisierung in Richtung Inklusion voranzutreiben. Dies soll in einem Folgebeitrag geschehen. Es bleibt spannend, welche Hochschulen diese Chancen der Zukunftsgestaltung nutzen werden.

 

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